Von: luk
Bozen – Der Wunsch, mehr in der Natur zu sein, zieht immer mehr Menschen in die Berge. Dieser Trend ist zum einen positiv zu werten, führt jedoch andererseits auch zu mehr Unfällen und wirft die Frage nach der rechtlichen Verantwortung auf. Vor diesem Hintergrund führte ein Forschungsteam von Eurac Research eine Studie durch, um das Verhalten von Bergsportlern und -sportlerinnen zu untersuchen. Die Studie ist nicht repräsentativ, vermittelt aber nützliche Einblicke, die dabei helfen, wichtige Aspekte der Thematik besser zu verstehen. Mehr als 3.800 Online-Fragebögen wurden von der Bevölkerung in Trentino-Südtirol und Tirol ausgefüllt, zudem wurden etwa 300 Gäste in ihrem Urlaub im Gebiet Sexten-Pustertal persönlich befragt. Die Ergebnisse wurden in Innsbruck im Rahmen der Abschlusskonferenz des Projekts M_Risk vorgestellt, an der neben Eurac Research auch die Universitäten Innsbruck, Trient und Bozen teilnahmen.
„Auch dank der Unterstützung der Bergsportvereine – AVS, SAT, CAI, ÖAV –, die uns bei der Verbreitung geholfen haben, wurde unser Fragebogen von 3.841 Einwohnerinnen und Einwohnern in Trentino-Südtirol und Tirol ausgefüllt; die meisten waren Mitglieder dieser Verbände. Wir haben auch eine Fallstudie in Sexten im Pustertal durchgeführt und dort etwa 300 Touristen persönlich befragt. Es ist eines der beliebtesten Gebiete Südtirols für den Bergsport, in dem sich aber auch viele Unfälle ereignen,“, erklärt Fabio Carnelli, Soziologe von Eurac Research, der die Studie gemeinsam mit Silvia Cocuccioni und Lydia Pedoth koordiniert.
Der Fragebogen untersucht die Wahrnehmung des Risikos, das Risikobewusstsein und die Vorbereitung in Bezug auf sieben verschiedene Sportarten, sowohl im Sommer als auch im Winter: Wandern, Klettern, Mountainbiking, Skitourengehen, Skifahren, Schneeschuhwandern und Rodeln. Wie gut sind die Menschen vorbereitet, die diese Sportarten ausüben? Welche Risikowahrnehmung haben sie?
Was die Vorbereitung betrifft, so zeigt sich, dass die Befragten aller Sportarten sehr genau auf das Wetter achten: Die Vorhersagen werden regelmäßig überprüft, und zwar bereits Tage vor dem Ausflug. Auch die Ausrüstung ist angemessen: Mehr als 90 Prozent geben an, geeignetes Schuhwerk zu tragen und ausreichend Wasser dabei zu haben. Bei der Ausrüstung zeigen sich große Unterschiede zwischen jenen, die sich auf Skitouren begeben und jenen, die schneeschuhwandern: Mehr als 90 Prozent der Skitourengeher geben an, ein LVS-Gerät, eine Sonde und eine Schaufel mit sich zu führen, während es bei den Schneeschuhwanderern weniger als 20 Prozent sind, trotz des Gesetzes, das in Italien Anfang 2022 in Kraft getreten ist. Starke Unterschiede zeigen sich auch bei der Verwendung von Helmen: Mehr als 90 Prozent der befragten Skifahrerinnen und Skifahrer tragen einen Helm, aber nur ein Drittel der befragten Rodlerinnen und Rodler.
Das Wandern wurde von den online Befragten richtigerweise als eine der Aktivitäten angegeben, bei denen die meisten Bergrettungseinsätze durchgeführt werden. Die persönlich befragten Touristen hingegen unterschätzten die Risiken und stuften das Klettern als besonders gefährlich ein. Während alle online Befragten – überwiegend Mitglieder von Vereinen – der Meinung waren, dass ein Unfall jederzeit passieren könne, war fast ein Drittel der in Sexten befragten Urlaubenden der Meinung, dass die Wahrscheinlichkeit gleich Null ist, bei der bevorstehenden Wanderung Opfer eines Unfalls zu werden.
Dieser Unterschied findet sich auch in der Wahrnehmung des Restrisikos, also des Risikos, das auch trotz aller Schutzmaßnahmen nicht beseitigt werden kann. „Wir haben gefragt, wie wahrscheinlich es ist, dass jemand einen Unfall hat, der perfekt ausgebildet und ausgerüstet ist und die Strecke und die Wetterbedingungen kennt. Von den Befragten des Online-Fragebogens hielt nur ein Prozent das Risiko für gleich null, während es bei den in Sexten Befragten 40 Prozent waren“, erklärt Carnelli.
Die Ergebnisse zeigen, dass das Geschlecht, die Nationalität und die von den Befragten ausgeübte Sportart keinen Einfluss auf die Risikowahrnehmung haben, Alter und Erfahrung hingegen schon: Mit zunehmendem Alter und zunehmender Erfahrung scheint auch das Sicherheitsgefühl bei der Ausübung von Aktivitäten zu steigen. Die Befragten, die schon einen Unfall hatten, haben auch eine höhere Risikowahrnehmung.
Die Ergebnisse der Studie wurden auf der Abschlusskonferenz des M_Risk-Projekts in Innsbruck vorgestellt. Sie bieten eine Grundlage dafür, besser einzuordnen, wie das Verhalten von Verunglückten gewertet werden kann. Dies ist wichtig, um eine ausgewogene Reaktion aus rechtlicher Sicht zu ermöglichen.