Von: mk
Bozen – Falls die Unternehmensberatung A.T. Kearney mit ihren Prognosen richtig liegt, werden schon im Jahr 2040 nur mehr rund 40 Prozent des globalen Fleischmarktes auf herkömmliches Schlachtfleisch entfallen, pflanzliche Fleischersatzprodukte werden einen Marktanteil von 25 Prozent, so genanntes In-vitro-Fleisch (lat. in vitro = im Glas), also im Labor künstlich hergestelltes Fleisch, sogar einen Anteil von 35 Prozent erreichen. Allerdings nur, wenn es gelingt, Laborfleisch in industriellem Maßstab herzustellen und die derzeit noch sehr hohen Produktionskosten auf ein akzeptables Niveau zu senken. Der erste Hamburger aus dem Labor eines niederländischen Forschungsteams wurde 2013 in London öffentlichkeitswirksam vor laufenden Kameras verkostet. Die Entwicklungskosten wurden mit 250.000 Euro beziffert. Dem Produkt wurde bescheinigt, tatsächlich wie Fleisch zu schmecken. Mittlerweile sind zahlreiche Start-Up-Unternehmen sowie finanzkräftige Investoren in das zukunftsträchtige Geschäft eingestiegen.
Ausgangsstoff für das kultivierte Fleisch sind Stammzellen. Diese werden mittels Biopsie aus dem Muskelgewebe von lebenden Rindern, Hühnern oder anderen Tieren entnommen und in einem Bioreaktor auf einer Nährlösung zu Muskelfasern herangezüchtet. Neben Muskelzellen werden auch Fettzellen und ein molekulares Trägergerüst benötigt, damit das In-vitro-Fleisch tatsächlich so schmeckt und geformt ist wie ein Stück Schlachtfleisch. Die Nährlösung enthält fetales Kälberserum. Dieses wird mit einer Kanüle, vermutlich unter großen Schmerzen, aus den Herzen von lebenden Kälberföten entnommen. Die Föten sterben dabei, die trächtige Kuh wird geschlachtet. Fetales Kälberserum ist ausgesprochen teuer, aus finanziellen und ethischen Gründen wird nach pflanzlichen Alternativen geforscht.
Vorteile von künstlich hergestelltem Fleisch seien laut den Befürwortern das Vermeiden von Tierleid durch das Eindämmen der Massentierhaltung, das Vermeiden von Schlachtabfällen, ein im Vergleich zu Schlachtfleisch um 90 Prozent geringerer Flächen- und Wasserverbrauch sowie geringere Treibhausgasemissionen.
„Die Hersteller von In-vitro-Fleisch versprechen tierleidfreies Fleisch für einen Genuss mit gutem Gewissen“, meint dazu Silke Raffeiner, die Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Südtirol, „solange aber fetales Kälberserum als Nährlösung dient, ist Laborfleisch definitiv nicht tierleidfrei. Auch wird damit nicht das grundsätzliche Problem gelöst, dass viele Gesellschaften zu viel Fleisch konsumieren. Wirklich zukunftsfähig ist eine überwiegend pflanzenbasierte Kost. Fleisch kann darin durchaus Platz haben – wenn es aus lokaler, tiergerechter Haltung stammt, höchstens ein- bis zweimal pro Woche auf den Tisch kommt und wenn dabei möglichst alle essbaren Teile des Tieres verwertet werden.“