Von: luk
Bozen – Ordnung ins Chaos bringen, Staus vermeiden, Verschmutzung eindämmen: Für Valentina Morandi, die an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik im Makrobereich der Grundlagenwissenschaften forscht, dient die Mathematik hauptsächlich diesem Zweck. Sie möchte Probleme lösen in der Mobilität von Menschen wie Gütern und ihre schwerwiegenden sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen in den Griff bekommen. In Ihren wissenschaftlichen Abhandlungen, die für Ungeübte nicht mehr als eine symmetrische Anordnung an Gleichungen und Grafiken beinhaltet, skizziert Morandi eine städtische Mobilität fernab eines überbordenden Verkehrs.
Zusammen mit zwei Kollegen der Universität Brescia, Prof. Enrico Angelelli und Maria Grazia Speranza, hat Morandi drei Beiträge veröffentlicht, in denen sie ein mathematisches Modell vorschlägt, dessen Anwendung den Verkehr deutlich reduzieren würde: Congestion avoiding heuristic path generation for the proactive route guidance e A trade-off between average and maximum arc congestion minimization in traffic assignment with user constraints, apparsi in der Wissenschaftszeitschrift Computers and Operations Research und Proactive route guidance to avoid congestion publiziert in Transportation Research Part B: Methodological.
Das dem Modell zugrunde liegende Prinzip
Unsere derzeitigen Navigationssysteme basieren entweder auf der Datenübertragung über das Internet oder über Satelliten und erleichtern bereits heute den Transitverkehr von Fahrzeugen. Wie? Durch die Nutzung eines einfachen Prinzips, basierend auf der Grundlage vieler menschlicher Errungenschaften: durch Zusammenarbeit. Das mathematische Modell von Morandi – entwickelt durch die Untersuchung der städtischen Verkehrsdaten von Anaheim (Los Angeles) und Berlin sowie einiger „Benchmark”-Städte, die zur Validierung des Experiments automatisch generiert wurden – vereinfacht das System und zwingt die Fahrer, ihre Strecke fast unmerklich zu verlängern. “Durch das langsamere Reisen gewinnt jedoch die gesamte Fahrergemeinschaft einen Gesamtvorteil an Zeitersparnis. Man spricht vom ‘Preis der Anarchie’. Welches Fazit kann man daraus ziehen? Wenn alle bereits sind, etwas zu verlieren, gewinnen sie am Ende tatsächlich etwas hinzu.”
„In unserer Arbeit haben wir uns Daten über den Stadtverkehr angesehen, die von Fahrzeugen mit intelligentem GPS wie Google Maps gesammelt wurden und die Fahrabsichten der Menschen anzeigen”, erklärt die aus Brescia stammende Forscherin. „Dabei haben wir gesehen, dass wir das System optimieren können, indem wir von jedem Nutzer ein kleines Opfer verlangen und eine Reihe von Möglichkeiten bezüglich der kürzesten Strecke vorschlagen. Diese weist jedem Benutzer auf der Grundlage von Entfernung, Verkehrssituation, Abfahrts- und Ankunftsort Strafen oder so genannte ‘Unfairness’ zu. Verteilt man diese in gleichem Maße auf alle Akteure, so sinkt der Verkehr um fünf bis zehn Prozent. Für den Fahrer geschieht dies unmerklich. Tatsächlich bleibt die Reisezeit der meisten Benutzer gleich oder verkürzt sich sogar gegenüber einer Fahrt ohne Koordinierung. Nur wenige Benutzer verspäten sich um maximal eine Minute auf einer 30-minütigen Fahrt – ein zu vernachlässigbarer Wert.”
Der künftig zunehmende Einsatz von autonom gesteuerten Fahrzeugen könnte im Mittelpunkt des Modells stehen, das die Forscherin befürwortet. „Wenn ein Benutzer in ein autonom gesteuertes Fahrzeug einsteigt, gibt er nur den Ausgangs- und den Zielpunkt ein und das Auto bestimmt die Route”, erklärt Morandi. „Da der Fahrer künftig nicht mehr selbst entscheidet, welche Route genau er wählt, könnten diese Fahrzeuge mit dem neuen System zusammenarbeiten.”
Die zu überwindenden Probleme
Als problematisch wird die derzeitige mangelnde Koordination zwischen den verschiedenen Fahrsystemen gesehen. „Die Art und Weise, wie wir fahren, wenn wir im Auto sind und den Rat des von uns installierten Geräts befolgen, wird von vielen dezentralen Einzel-GPS erfasst”, erklärt die 35-jährige Forscherin. „Unsere Berechnungen zeigen, dass dies die Staus im Vergleich zu den Möglichkeiten eines zentralisierten Systems um bis zu zehn Prozent erhöht.“
Dieses Modell würde es den Verwaltungen nicht nur ermöglichen, eine effizientere Verkehrspolitik zu betreiben, sondern auch aus Umweltsicht wäre es – angesichts einer allgemeinen Verringerung der Verschmutzung – möglich, die Auswirkungen der Verschmutzung und des Verkehrs durch die Reduzierung von CO2 und anderen schädlichen Stoffen auf weniger stark befahrene Gebiete zu verteilen. Das von Morandi und ihren Kollegen untersuchte Modell könnte zudem dazu dienen, ein dynamisches Preissystem einzuführen, das den Menschen einen Anreiz bietet, den Vorschlägen eines dynamischen und zentralisierten Fahrsystems zu folgen. „Dies wird durch die zunehmende Verbreitung von Technologien wie 5G, die die Übertragung großer Datenmengen in großem Maßstab und mit sehr hoher Geschwindigkeit ermöglichen, noch einfacher werden”, fügt die Mathematikerin hinzu.
Neue Forschungsarbeiten sollen die Anbindung abgelegener Gebiete verbessern
Der zweite Forschungsbereich betrifft den On-Demand-Transport (so genannte “dial-a-ride” oder „Fahrten auf Anruf”). “Es gibt Gebiete, die aufgrund ihrer Entfernung zu den großen Zentren und ihrer geringen Bevölkerungsdichte wenig oder gar nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bussen bedient werden. Warum nicht über ein System nachdenken, das nur auf Wunsch der Kunden aktiviert wird und das sich an die Reisebedürfnisse der Bewohner dieser Gebiete anpasst? Man denke nur an einige Bergtäler in den Alpen oder im Apennin, dort könnte die Integration von öffentlichen und privaten Dienstleistungen ermöglicht werden.”
Valentina Morandi entwickelt ein mathematisches Modell, das gewinnbringende Austausch- und Belohnungssysteme für Dienstleistungspartner bietet und die Verkehrsintegration ermöglicht. Darüber hinaus wäre dieser Austausch auch zwischen öffentlichen Buslinien möglich. „Interessant ist es beispielsweise für Gebiete, in denen sich die Kompetenzen zweier Provinzen überschneiden wie im Falle des Lavazé-Passes oder des Jochgrimms zwischen Trient und Bozen”, schließt Morandi. „Auch in diesem Fall könnten die Kunden kostensparend gemeinsam betreut werden beziehungsweise in Fällen, die sie für unrentabel halten, die Zusammenarbeit mit privaten Akteuren suchen.”