Von: Ivd
Kirgisistan – Ein Schreibtisch, Stapel von Fachbüchern, mathematische Formeln – so sah Christian Bocks Alltag als Physikstudent aus. Während seine Kommilitonen den Sommer in Bibliotheken oder Laboren verbrachten, zog es ihn früh raus in die weite Welt – Hauptsache den Bergen nie fern. Was als Abenteuerlust begann, wurde zu einer neuen Lebensweise und irgendwann verschlägt es Bock in die Berge von des nordwestlich von China gelegenen Landes Kirgistan.
Der gebürtige Kärtner hat in Kirgisistan eine zweite Heimat gefunden. Wir haben den abenteuerlustigen Österreicher getroffen. In zwei Teilen erzählen wir von seiner Leidenschaft für das nomadische Reisen, Nächten bei minus 40 Grad in einem Zelt und der Freundschaft zu einem wilden Wolf. Zudem gewährt Bock auf einer Vortragstour durch Südtirol Einblicke in eines der 40 ärmsten Länder der Welt, die den meisten sonst verwehrt bleiben. Infos dazu am Ende dieses Artikels.
Aller Anfang ist zufällig
„Es war eine lange Verkettung von irrsinnigen Zufällen“, erzählt Bock auf die Frage, was ihn genau nach Kirgistan verschlagen hat. Alles begann mit einem radikalen Umbruch: Mit 21 Jahren kündigte er seinen Job, kaufte ein One-Way-Ticket nach Australien und tauchte ein in die Welt des Abenteuers. Nur mit einem Zelt und einem Schlafsack bewaffnet, ging es für den bis dahin unerfahreneren Reisenden los. Dort entdeckte Bock seine Leidenschaft für das Trekking. Seine ersten Erfahrungen als Nomade.
Während seines Physikstudiums in Wien nutzte er die Sommermonate für ausgedehnte Reisen nach Nordamerika – Yukon und die Rockies, erzählt er. Mit der Zeit traten dann die ersten Schwierigkeiten an seiner Art zu reisen auf: Knieprobleme. „Ein Klassiker, wenn man den Großteil des Jahres über den Büchern sitzt und dann im Sommer drei Monate lang körperliche Höchstleistungen abrufen will.“ So musste eine neue Strategie her.
Die Faszination Kirgistan
Vor Kirgistan führte es Bock durch weite Teile Asiens. Kasachstan, China, Pakistan und Indien stehen in seinen Büchern. Mit Blick auf die Landkarte führte es Bock dann erstmals nach Kirgistan. Dort lernte er seine spätere Freundin Maria kennen, eine Pferdespezialistin aus Russland. „Obwohl ich keine Ahnung von Pferden hatte, bin ich da irgendwie reingerutscht. Ich kaufte mir mein erstes eigenes Pferd, belud es mit Vorräten für drei Monate und zog durch die Berge.“
Bock setzte seine Reise also mit einem klaren Ziel vor Augen fort: „Ich habe immer geschaut, wo es Berge gibt. Das war mein Hauptziel.“ In Kirgistan fand er nicht nur unberührte Natur, sondern auch eine enge Verbindung zur Kultur und den Menschen. Die kirgisische Bergwelt ist weitläufig und nur wenig erschlossen. Die Jahrtausende alte Pferdekultur in dem armen Land besteht daher bis heute.
Drang nach Veränderung
Bock selbst wuchs auf einem Bergbauernhof in den Karnischen Alpen auf. Seine Neugier und Entdeckungsfreude entwickelten sich mit der Zeit. Vorträge zu halten war nie sein Plan: „Ich habe mich im Nachhinein gewundert, dass ich in diese Richtung geraten bin. Ich habe nie Vorträge besucht oder mich groß informiert. Ich wollte die volle Wucht des Erlebens, auch mit allen Fehlern.“ Für ihn sind die Vorträge und das Rampenlicht also sekundärer Natur.
Das Leben in den abgelegenen Gebieten Kirgistans unterscheidet sich drastisch von dem in Mitteleuropa. Medizinische Versorgung und Infrastruktur sind kaum vorhanden. Doch die Weite und Stille der Bergwelt Kirgistans haben ihn schnell in ihren Bann gezogen: „Die Täler dort liegen auf dreitausend Metern Höhe, die Berge erreichen bis zu siebentausend Meter. Man kann das gar nicht beschreiben – die Dimensionen sind einfach unglaublich.“
Besonders die Weite der Hochtallandschaften hat es Bock angetan: „Das ist etwas, dass man in den Alpen nicht kennt, weil die Täler sehr viel verwinkelter sind, während ein klassisches kirgisisches Tal auf 3000 Meter Höhe mehr als zehn Kilometer breit sein kann.“ Außerdem seien die kirgisischen Hochtäler frei von Bäumen, anders als in Österreich, was das Gefühl der Weitsicht nochmal erhöht. „Es ist etwas schwer zu beschreiben, welches Gefühl ich damit meine. Bilder transportieren das noch wesentlich besser!“
Glückliches Leben im Kleinen
„Wenn man eine lange Zeit an einem Ort verbringt, wo es nur das Nötigste gibt, dann gewöhnt man sich daran. Und plötzlich machen ganz einfachen Dingen wieder glücklich: eine warme Dusche, ein weiches Bett, eine Mahlzeit aus dem Kühlschrank“, erzählt Bock. Seine Reise sei eine Art Training der Einfachheit gewesen. „Es geht nicht darum, den Leuten vorzuschreiben, wie sie leben sollen. Aber ich glaube, meine Geschichten berühren die Menschen auf einer tiefen Ebene. Sie zeigen, dass Zufriedenheit oft in den einfachsten Dingen liegt.“
Heute lebt Bock in einem Transporter, hält Vorträge über seine Erlebnisse und verbringt die Sommermonate in den Bergen. Es ist ein Leben zwischen den Welten – ein Leben als Reisender.
Termine und Infos
Im zweiten Teil dieses Interviews geht es um Bocks Erfahrungen mit der Tierwelt, seine Herausforderungen in der Natur und die Kultur der Kirgisen. Live erleben könnt ihr Christian Bock am 12. März im UFO Jugend- und Kulturzentrum in Bruneck, am 25. März im Stadttheater Bozen und am 27. März im Kulturhaus Karl Schönherr in Schlanders. Weitere Infos findet ihr auf seiner Webseite.
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