Von: luk
Bozen – Picknicks im Grünen und Spaziergänge durch Wälder gehören zum Frühling und Frühsommer dazu. Doch dabei ist Vorsicht geboten: Auf Sträuchern, im Gras und am Erdboden lauern Zecken.
Die Stiche dieser Blutsauger können das FSME-Virus (Frühsommer-Meningoenzephalitis) übertragen. Dies kann zu einer Entzündung der Gehirnhaut (Meningitis) führen.
Die Ärzte für Allgemeinmedizin Dr. Pamela Visani und Dr. Adolf Engl vom Institut für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen informieren über Zeckenstiche, die Übertragung des FSME- Virus und die Schutzimpfung.
Was ist überhaupt FSME?
Das Kürzel ‚FSME‘ steht für ,Frühsommer-Meningoenzephalitis’. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung des Nervensystems, bei der sich die Gehirnhäute und das Gehirn entzünden können (Meningitis). Das FSME-Virus vermehrt sich vornehmlich in kleinen Nagetieren, aber auch in Rindern, Schafen und Ziegen. „Durch Zecken kann dieses Virus auf uns Menschen übertragen werden. Der Mensch muss also von einer Zecke gestochen werden, damit FSME in den Körper gelangen kann“, erklärt Dr. Pamela Visani, Ärztin für Allgemeinmedizin in Latsch im Vinschgau und Mitglied des Institutsrates des Institutes für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen. Die Zecke saugt das menschliche Blut und bleibt manchmal an der Haut haften, bis sie so groß wird, sodass sie durch Reibung abfällt oder vom Betroffenen entfernt wird. Oft bleiben dabei der Kopf und die Mundwerkzeuge der Zecke im menschlichen Körper stecken. Sie müssen dann entfernt werden. „Viele Menschen erinnern sich nicht an einen erfolgten Zeckenstich, weil sie diesen nicht bemerkt haben“, betont Dr. Visani. Ein Mensch, der sich mit FSME angesteckt hat, kann das Virus nicht auf einen anderen Menschen übertragen.
Welche Symptome entwickeln Personen nach einer FSME-Infektion?
Fieber und Kopfschmerzen sind die häufigsten Anzeichen für eine Ansteckung mit FSME. „Diese Symptome treten zumeist zehn Tage, mindestens aber fünf Tage nach dem Stich durch eine infizierte Zecke auf. Auch Gliederschmerzen und ein allgemeines Krankheitsgefühl sind möglich“, erläutert Dr. Visani. „Daraufhin kommt es zu einer Besserung des Zustandes, doch nach ein paar Tagen steigt das Fieber an. Es kommt zur gefürchteten Meningoenzephalitis, also zur Hirnhaut- oder Hirnentzündung. Diese bringt neurologische Symptome mit sich, darunter Verwirrtheit, Lähmungen und Funktionsausfälle“, so Dr. Visani.
Überträgt jede Zecke FSME?
„Nein, zum Glück überträgt nicht jede Zecke FSME“, beruhigt Dr. Pamela Visani. Jährlich werden in Südtirol drei bis fünf Infektionsfälle verzeichnet. „Der erste Fall einer FSME-Übertragung durch einen Zeckenstich wurde im Jahr 2000 festgestellt“, berichtet Dr. Visani.
Worauf sollte bei Spaziergängen im Freien geachtet werden?
„Da Zecken am Boden und auf bodennahen Sträuchern von 30 bis maximal 150 cm Höhe leben, lassen sie sich nicht von Bäumen fallen. Das ist ein verbreiteter Irrglaube“, klärt die Allgemeinmedizinerin Dr. Pamela Visani auf. Daher sei es sinnvoll, bei einem Ausflug im Frühling und Frühsommer lange und gut abschließende Kleidung zu tragen. Auch das Tragen eines festen Schuhwerks ist empfehlenswert. „Daheim angelangt, sollte man sich selbst und andere Personen sorgfältig auf Zeckenstiche untersuchen. Wer eine Zecke entdeckt, sollte diese schnellstmöglich entfernen. Denn die Übertragung des FSME-Virus erfolgt bereits in den ersten Stunden nach dem Stich“, so Dr. Visani. Es sei darum wichtig, keine Zeit mit dem Kauf von Spezialpinzetten zu verschwenden. „Die Zecke kann auch mit einer gewöhnlichen Pinzette aus der Haut gezogen werden. Wichtig ist dabei, dass das Rausziehen so sanft wie möglich erfolgt. Es gibt viele spezielle Geräte und Techniken, aber leider keine Patentlösung. Wichtiger ist die rasche Entfernung der Zecke“, betont Dr. Visani.
Wer sollte sich gegen FSME impfen lassen?
Laut Dr. Pamela Visani kann sich grundsätzlich jede:r gegen die durch Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis impfen lassen. „Die Impfung ist natürlich vor allem für jene Menschen sinnvoll, die sich im Frühling und Frühsommer häufig im Freien aufhalten oder in einem Gebiet leben, wo sehr viele Zecken vorkommen und bereits FSME-Fälle aufgetreten sind“, bekräftigt Dr. Visani.
Welche Nebenwirkungen können nach einer FSME-Impfung auftreten?
„Wie nach jeder Impfung können auch nach einer FSME-Impfung Lokalreaktionen auf der Haut auftreten, etwa Schwellungen und Rötungen“, sagt Dr. Pamela Visani. Selten könne es zu Ausschlag, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen oder – in äußerst seltenen Fällen – zu schweren allergischen Reaktionen oder zu einer Meningitis kommen.
Wann wird nach der Impfung die Immunisierung erreicht?
„Um in der ersten Saison einen ausreichenden Schutz zu erreichen, sollten mindestens zwei von drei Impfungen gegen FSME erfolgt sein. Diese werden im Abstand von ein bis drei Monaten verabreicht“, erklärt Dr. Pamela Visani. „Der vollständige Impfzyklus wird nach der dritten Impfung abgeschlossen. Die dritte Impfung sollte fünf bis zwölf Monate nach der zweiten erfolgen. Somit erreicht eine Person, die sich im Mai 2023 zum ersten Mal gegen FSME impfen lässt, ihre dauerhafte Immunisierung nach 16 Monaten, also im Juli 2024“, sagt Dr. Visani. Die erste Nachimpfung sollte nach drei Jahren durchgeführt werden. Alle Menschen unter 60 Jahren sollten diese Impfung alle fünf Jahre auffrischen, jene, die älter als 60 sind, alle drei Jahre.
Können die Abstände zwischen den Impfungen verkürzt werden?
„Wenn ein rascher Schutz vonnöten ist, gibt es auch ein schnelles Impfschema. Dabei erfolgt die zweite Impfung schon 14 Tage nach der ersten, die dritte dann fünf bis zwölf Monate nach der zweiten Impfung“, unterstreicht Dr. Visani.
Schützt die Impfung zu 100 Prozent vor FSME?
„Nein, es ist durchaus möglich, dass sich eine geimpfte Person mit FSME anstecken kann. Die Impfung führt normalerweise zu einem milderen Krankheitsverlauf. Die Krankheit kann auch dann ausbrechen, wenn kein vollständiger Impfschutz erreicht wurde, weil die Zeiten der Impfungen nicht eingehalten wurden oder weil kurz vorher eine Gelbfieberimpfung verabreicht wurde. Diese kann die Immunantwort der Impfung abschwächen“, erläutert Dr. Visani. Auch eine Immunschwäche kann eine Infektion begünstigen. „Der Impferfolg kann mit einer Blutabnahme gemessen werden. Diese Untersuchung wird aber nur in Spezialfällen von der Ärztin/vom Arzt veranlasst“, sagt Dr. Pamela Visani.
Warum ist der Ausdruck „Zeckenschutzimpfung“ missverständlich?
„Zecken können sowohl die virale Frühsommer-Meningoenzephalitits als auch Borreliose übertragen. Borreliose ist eine bakterielle Erkrankung, die mit Antibiotika behandelt wird“, erläutert Dr. Adolf Engl, seines Zeichens Präsident des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen. „Im Gegensatz zu FSME gibt es gegen Borreliose leider keine Impfung. Da Zecken durch ihre Stiche beide Krankheiten übertragen können, ist die oft gehörte Bezeichnung ,Zeckenschutzimpfung’ irreführend. Denn die Impfung dient einzig der FSME-Vorbeugung, sie schützt aber nicht vor Borreliose“, klärt der Allgemeinmediziner Dr. Engl auf.
Welche Rolle spielen Südtirols Hausärztinnen und Hausärzte beim Erkennen und Behandeln von Zeckenstichen?
„In einigen Gebieten Südtirols, z.B. im Überetsch, haben allgemeinmedizinische Praxen in den vergangenen Jahren viele Zugänge aufgrund von Zeckenstichen verzeichnet. Die Patient:innen gehen in die Praxis, um die ganze Zecke oder deren Kopf entfernen zu lassen. Auch kreisförmige Rötungen an der Einstichstelle führen die Patient:innen zu den Hausärztinnen und Hausärzten“, berichtet Dr. Pamela Visani. Der Zeckenstich an sich benötige keine Therapie, also auch keine Salbenbehandlung. „Wird nach einem Spaziergang eine Einstichstelle an der Hautoberfläche entdeckt, gilt es, besonnen zu handeln“, sagt Dr. Visani. „Bei Rötungen an der Einstichstelle sollte auf jeden Fall die/der eigene Hausärztin/Hausarzt aufgesucht werden. Dies könnte ein Anzeichen für eine beginnende Borreliose sein. Sie kann mit Antibiotika behandelt werden. Wenn mindestens fünf Tage nach einem Zeckenstich Fieber aufkommt, könnte dieses Symptom auf eine Infektion mit dem FSME-Virus zurückzuführen sein“, erklärt Dr. Pamela Visani.
Wo können sich die Südtiroler gegen FSME impfen lassen?
Die Schutzimpfung gegen FSME erfolgt bei allen Diensten für Hygiene des Südtiroler Gesundheitsbetriebs und bei einigen Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin.