Von: luk
Bozen – Nach einem insgesamt positiven Jahr 2022 blickt die Südtiroler Bauwirtschaft mit Sorge auf die kommenden Monate. Die steigenden Zinsen, die geringeren öffentlichen Investitionen und die Entscheidung der Regierung, den Steueranreiz „Superbonus“ zu reduzieren, werden die Nachfrage bremsen. Die Unternehmen erwarten eine Abnahme der Umsätze und der Rentabilität und rechnen mit einem Rückgang der Investitionen. Dies geht aus der Herbstausgabe des Wirtschaftsbarometers des WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen hervor.
Dank der Erholung des Immobilienmarktes in den letzten Jahren und der erheblichen steuerlichen Anreize konnte die Südtiroler Bauwirtschaft bis zum Herbst ein hohes Aktivitätsniveau halten. Mehr als vier von fünf Unternehmen sind daher zuversichtlich, das Geschäftsjahr 2022 mit einem zufriedenstellenden Betriebsergebnis abzuschließen. Allerdings gab es in den letzten Monaten auch in diesem Sektor mehrere Anzeichen für eine Abschwächung der Konjunktur: Die Unternehmen berichten von einem starken Anstieg der Materialpreise und einer Reduzierung der Aufträge, sowohl von Privaten als auch von der öffentlichen Verwaltung. In der ersten Jahreshälfte 2022 wurden mehr als ein Drittel weniger Baugenehmigungen ausgestellt als im gleichen Zeitraum 2021. Auch bei der Beschäftigung gab es nach sieben aufeinanderfolgenden positiven Jahren einen Rückschlag. Zwischen Jänner und Oktober war die Zahl der unselbständig Beschäftigten im Baugewerbe im Durchschnitt um 1,7 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum.
Die Unternehmen gehen davon aus, dass die Umsätze in den kommenden Monaten zurückgehen werden, aufgrund der hohen Inflation, der steigenden Zinssätze und der von der Regierung angekündigten Reduzierung des Superbonus-Steueranreizes. Sie rechnen auch mit einem weiteren Kostenanstieg, schlechteren Bedingungen für den Zugang zu Krediten und einer Verschlechterung der Zahlungsmoral der Kunden. Ein Drittel der Unternehmer/innen kann noch nicht abschätzen, wie sich diese Faktoren auf die Ertragslage im kommenden Jahr auswirken werden. Von denjenigen, die eine Prognose abgeben, erwarten 27 Prozent ein unbefriedigendes Betriebsergebnis. Die hohe Ungewissheit wirkt sich auch negativ auf die Erwartungen der Unternehmen in Bezug auf Investitionen und Beschäftigung aus.
Betrachtet man die einzelnen Branchen, so ist das Geschäftsklima im Tiefbau besonders verhalten. In dieser Sparte werden eine Verschlechterung der Ertragslage und ein Rückgang der Investitionen erwartet. Die Hochbaubranche zeigt sich besorgt über die Entwicklung der Umsätze und der Immobilienverkaufspreise. Im Baunebengewerbe befürchten viele Unternehmerinnen und Unternehmer eine Verschärfung des Wettbewerbsumfeldes, vor allem aufgrund der steigenden Materialkosten.
Michl Ebner, Präsident der Handelskammer Bozen, erklärt: „Es muss weiter in die energetische Sanierung der öffentlichen Gebäude investiert werden. Dadurch werden nicht nur die Energiekosten gesenkt, sondern auch die Nachfrage im Baugewerbe gesteigert. Dies stellt eine wichtige Unterstützung sowohl für die Unternehmen als auch für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar.“
Nachfolgend die Stellungnahmen der Vertreter der Wirtschaftsverbände:
Michael Auer, Präsident des Baukollegiums
„Steigende Preise, sinkende Investitionen der Familien, teure Kredite: Bauunternehmen stehen stark unter Druck und Arbeitsplätze sind in Gefahr. Mehr denn je ist es notwendig, dass das Land jetzt antizyklisch investiert. Um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, ist zudem eine Brückenfinanzierung des Landes für die den Unternehmen zustehenden Kompensationszahlungen für öffentliche Bauaufträge notwendig.“
Markus Bernard, Obmann der Baugruppe im lvh
„Unsere Branche hat nach wie vor mit den vom WIFO genannten Herausforderungen zu kämpfen. Umso wichtiger ist es, dass gerade die öffentliche Hand nicht auf die Investitionsbremse drückt, sondern Aufträge ankurbelt und auch Investitionsanreize für Private schafft. Aufgabe der Gemeinden ist es, Baukonzessionen schneller auszustellen und lokale Firmen in die Ausschreibungen zu involvieren.“
Rodolfo Gabrieli, Präsident CNA-SHV Bauwesen
„Auch Südtirols kleine und mittlere Unternehmen sind aufgrund der Ungewissheit besorgt. Das Ausbleiben von Maßnahmen zur Freigabe des Verkaufs der Ökobonus-Steuerabsetzbeträge und die wachsenden Liquiditätsprobleme bringen den Sektor in große Schwierigkeiten. Andererseits kann sich die derzeitige Energiekrise als Chance erweisen, den Sanierungen bestehender Gebäude einen neuen Impuls zu geben.“