Von: mk
Bozen – Der Südtiroler Bauernbund hat die Stimmung in der Bevölkerung zu den Wölfen erhoben. Das Ergebnis der repräsentativen Umfrage ist deutlich: 82 Prozent der Südtiroler sind gegen die ungehinderte Ausbreitung der Wölfe. Nur jeder Vierte hält ein Zusammenleben mit dem Raubtier für möglich. Stark gefühlt ist die Frage der Sicherheit: Drei von vier Befragten glauben, dass von Wölfen eine Gefahr für Menschen ausgeht. Um Dörfer und Almen zu schützen, befürworten 86 Prozent der Südtiroler die Entnahme von Wölfen. Für Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler steht zunehmend das Leben und Wirtschaften im ländlichen Raum auf dem Spiel.
Das Innsbrucker Marktforschungsinstitut IMAD hat die Umfrage im Auftrag des Bauernbundes durchgeführt. 590 Südtirolerinnen und Südtiroler wurden im März und April 2023 online oder telefonisch nach ihren Meinungen zum Wolf befragt. „Es handelt sich um die erste repräsentative Umfrage zu diesem Thema in Südtirol. Die Ergebnisse sind deshalb ein wichtiger Meinungsspiegel“, erklärt Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler.
„Kein Platz für Wölfe“
Dass sich Wölfe in Südtirol wieder ansiedeln, finden 80 Prozent der Südtiroler grundsätzlich schlecht. 42 Prozent der Befragten gaben als Antwort „sehr schlecht“ und 38 Prozent „eher schlecht“ an. Dagegen finden nur 15 Prozent die Wiederansiedelung „eher“ oder „sehr gut“.
Ähnlich fällt die Meinung der Bevölkerung zur Frage aus, ob sich Wölfe in Südtirol ungehindert ausbreiten sollten oder nicht. 82 Prozent der Befragten wollen keine ungehinderte Ausbreitung. Nur zwölf Prozent sind der Meinung, dass in Wolfsbestände nicht eingegriffen werden soll.
Gefragt nach dem Lebensraum, den Wölfe einnehmen sollen, meint eine Mehrheit von 60 Prozent, dass Wölfe in Südtirol überhaupt keinen Platz haben und in die Wildnis gehören. Weitere 33 Prozent sind der Ansicht, dass sich die Raubtiere nur in ausgewählten bzw. begrenzten Gebieten im Land aufhalten sollen. Der Anteil der Bevölkerung, der meint, dass Wölfe ohne Einschränkung hier leben sollen, ist mit vier Prozent verschwindend gering.
Gefahr für Menschen steigt
Ein wichtiges Ergebnis der Umfrage ist, dass Wölfe zunehmend als Bedrohung für die Sicherheit der Menschen wahrgenommen werden. So glauben drei von vier Südtirolern (77 Prozent) nicht, dass Wölfe keine Gefahr für Menschen darstellen.
Am höchsten wird die Gefährlichkeit für Kinder eingeschätzt (81 Prozent). 71 Prozent sind der Meinung, dass Wölfe für ältere Menschen sowie Sportler und Erholungssuchende gefährlich sind. Immerhin noch 62 Prozent der Befragten empfinden Wölfe als Gefahr für die eigene Person.
Ein ähnliches Bild zeigt die Frage nach den Gefühlen, die Herr und Frau Südtiroler mit dem Wolf verbindet. Mit 85 Prozent steht der „Respekt“ vor Wölfen an erster Stelle, dahinter folgen die „Gefahr“ (80 Prozent) und die „Angst“ (68 Prozent).
Mulmiges Gefühl im Wald
Gut zwei von drei Südtirolern (71 Prozent) haben denn auch ein mulmiges Gefühl, wenn sie im Wald spazieren. Knapp ebenso viele (66 Prozent) stimmen der Aussage zu, dass sie in Gebieten, in denen Wölfe leben, nicht mehr gerne wandern oder sonstwie ihre Freizeit verbringen würden. Ebenso glaubt eine Mehrheit (59 Prozent), dass in solchen Gebieten viele Gäste nicht mehr Urlaub machen werden.
Unterm Strich glaubt die große Mehrheit der Bevölkerung nicht an ein Zusammenleben mit Wölfen. Nur jeder Vierte (27 Prozent) stimmte bei der Umfrage der Aussage zu, dass ein Zusammenleben mit dieser Tierart in Südtirol möglich ist. Eine Entnahme von Wölfen, die sich wiederholt Siedlungen und Häusern nähern, befürworten hingegen 87 Prozent der Befragten.
Almen wichtiger als der Wolf
Auch im Hinblick auf den Schutz der Almwirtschaft haben die Südtiroler eine klare Meinung. Für 88 Prozent der Befragten hat die Erhaltung von Almen mit freilebenden Tieren Vorrang gegenüber dem Wolf. Etwa genauso hoch (86 Prozent) ist der Anteil derer, die zum Schutz der Almwirtschaft mehr Spielraum im Umgang mit Wölfen fordern. Auch gezielte Entnahmen von Wölfen sollen nach Meinung der Bevölkerung möglich sein.
Bemerkenswert ist, dass die Almen auch als Erholungsraum hochgeschätzt werden. 80 Prozent der Befragten werten den Erhalt der Almen als Freizeitangebot für Einheimische und Gäste für wichtiger als den Schutz des Wolfes.
SBB: „Politik hat bislang nichts erreicht“
Für Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler bestätigt die Umfrage die gefühlte Stimmung in der Bevölkerung: „Die große Mehrheit der Landsleute will keine ungebremste Ausbreitung der Wölfe und glaubt nicht an ein Zusammenleben mit Großraubtieren.“
Zunehmend akuter sieht der Bauernbund die Frage der Sicherheit der Menschen in der Peripherie: „Es geht neben den immensen Problemen der Landwirtschaft mit dem Wolf immer mehr darum, ob wir unsere Lebensart und unsere gewohnte Bewegungsfreiheit im ländlichen Raum aufrechterhalten können oder nicht.“
Die politischen Vertreter müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen, forderte der Landesobmann. „Wir warnen seit Jahren, aber bislang hat die Politik nichts erreicht. Wir haben genauso wenig Handhabe gegen den Wolf wie vor zehn Jahren.“
Ändere sich nichts, steht für den Bauernbund neben der Almwirtschaft zunehmend das Leben und Wirtschaften im ländlichen Raum auf dem Spiel. SBB-Bergbauernvertreter Alberich Hofer betonte in diesem Zusammenhang: „Der Wolf ist kein bäuerliches Problem, sondern eines der ganzen Gesellschaft. Es betrifft früher oder später alle in Südtirol.“ Die Bevölkerung habe ein Recht darauf, sich in der Natur aufzuhalten und den ländlichen Raum zu nutzen. Kein Verständnis äußerte Hofer für militante Tierschützer.
Gemeindenverbandspräsident Andreas Schatzer rief dazu auf, die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen. Er bedauerte die geringe Handhabe für die Gemeindenverwalter gegen Wolf und Bär. „Wir Bürgermeister haben deshalb kürzlich dem Landeshauptmann eine Unterschriftenliste übergeben.“ Hoffnung setzt Schatzer auf die in Bozen und Rom geplanten neuen Gesetze zum Großraubwild.
Sensibilisierungskampagne vorgestellt
Um auf die wachsenden Gefahren durch Wölfe hinzuweisen, startet der Südtiroler Bauernbund zusammen mit den Südtiroler Tierzuchtverbänden eine Sensibilisierungskampagne. Diese soll für die Sicherheit und Lebensqualität im ländlichen Raum sensibilisieren sowie die Gefahr für die Weidetierhaltung und Almwirtschaft durch die Wolfsausbreitung aufzeigen. Dafür werden ein Plakat und eine Broschüre gestaltet sowie eine Webseite eingerichtet.
Neben Bauern und Tierhaltern können auch interessierte Bürger ein Plakat erhalten und sichtbar aufhängen. „Wir wollen allen die Möglichkeit geben, ihre Meinung gegen die Wolfsausbreitung kundzutun“, erklärt SBB-Landesobmann Tiefenthaler.