Von: mk
Bozen – „Vision 2030“ – so heißt das Programm, mit dem Kronprinz Mohammed bin Salman Saudi-Arabien schrittweise von der Abhängigkeit vom Erdöl befreien, umgestalten und gesellschaftlich öffnen will. Stark investiert werden soll unter anderem in Tourismus und Gastgewerbe, die Verbesserung der Infrastrukturen und in die Nachhaltigkeit. Deshalb gehört das Land zu jenen Märkten, die IDM Südtirol als für Südtiroler Unternehmen besonders attraktiv einstuft. Das ergeben auch erste Marktanalysen, die nun vertieft werden. Welche Potenziale sich hier auftun und was beim Einstieg in Saudi-Arabien zu beachten ist, war gestern Thema eines IDM-Beratertags mit Branchenexperten und Erfolgsgeschichten Südtiroler Firmen, die bereits dort aktiv sind. Mit dabei war auch Wirtschaftslandesrat Marco Galateo.
Saudi-Arabien hat sich mit dem Reformprogramm „Vision 2030“ viel vorgenommen. Zu den Hauptzielen gehören die Diversifizierung der Wirtschaft, die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie die städtische Entwicklung und jene eines allgemeinen Tourismus- und Kulturbetriebs sowie des Bergbaus. Dabei ist echtes Know-how von außen gefragt – auch jenes Südtiroler Unternehmen. „Bedarf gibt es unter anderem in Bereichen, wo Südtirol bereits stark ist: in der Landwirtschaft, im Bausektor, aber auch bei den erneuerbaren Energien oder im Bereich Umwelt“, sagt Francesca Fiori, Head International von IDM. Derzeit sei das arabische Land nach den USA, China und Mexiko der viertwichtigste Markt Südtirols außerhalb Europas. Man sehe hier aber noch mehr Potenzial, vor allem im Bausektor: „Deshalb haben wir für diese Branche vertiefende Analysen in Auftrag gegeben. Wir wollen uns einen genauen Überblick über die aktuelle Situation verschaffen und eruieren, welche Sektoren und Unternehmen am saudischen Markt besonders gute Chancen haben.“ Neben dem Bausektor will sich IDM noch auf einen zweiten Bereich konzentrieren: den Lebensmittelsektor.
Dass der Baumarkt in Saudi-Arabien derzeit sehr interessante Möglichkeiten bietet, bestätigt auch Elio Calidori, HUB Director des multinationalen Unternehmens RINA in Saudi-Arabien. Der ausgewiesene Experte für Internationalisierung war nicht nur einer der Hauptredner auf dem Beratertag, er erstellt für IDM auch die Analyse zum Markt Saudi-Arabien. „Der Baumarkt in Saudi-Arabien wird von mehreren Wachstumsfaktoren bestimmt. So sind derzeit Megaprojekte für die Entwicklung neuer Städte wie NEOM und Red Sea oder Qiddiya im Laufen, aber es werden auch Investitionen in die Erneuerung historischer Stadtstrukturen getätigt, denken wir nur an Alula, Jeddah oder Riad“, sagt Calidori. Ein starker Schwerpunkt liege auf der Errichtung touristischer Infrastrukturen, wie etwa der Bau von Hotels, Themenparks, Sport- und Kulturinfrastrukturen, z.B. in den gerade entstehenden Megaprojekten am Roten Meer oder in Trojena, einer Bergdestination im Nordwesten Saudi-Arabiens. Geplant sei, bis 2030 insgesamt 315.000 neue Hotelzimmer zu bauen. „Bei allen diesen Vorhaben wird besonders auf Qualität und hochwertige Ausführung geachtet. Hier könnten Südtiroler Unternehmen ins Spiel kommen, die für ihre besonders qualitätsvollen Produkte und Dienstleistungen bekannt und geschätzt sind“, so Calidori. Gefragt seien hier Produkte wie Schwimmbäder, Saunen und Wellnessbereiche, Innen- und Außenverkleidungen, Möbel oder auch Bauteile aus Holz. Möglichkeiten tun sich laut Calidori aber auch unter anderem bei der Errichtung sozialer Infrastrukturen wie Schulen, Stadien oder Freizeitparks auf, beim Ausbau der Verkehrsstrukturen (Seilbahnen, Metrostationen, Straßen, etc.) und ganz allgemein beim Thema Nachhaltigkeit – von nachhaltiger Mobilität über Abfallwirtschaft bis zu Energie aus erneuerbaren Quellen.
Bereits erfolgreich in Saudi-Arabien unterwegs ist der Design-Hersteller Rossin mit Sitz in Neumarkt-Laag. Das 40 Mitarbeitende starke Unternehmen war bereits 2006 zum ersten Mal im Mittleren Osten präsent. Klaus Pomella, Inhaber und CEO der Firmengruppe Rossin-Haapo, kann also auf eine lange Erfahrung im arabischen Raum verweisen. „Wir sind über Anfragen internationaler Architekten in den Markt eingestiegen. In Saudi-Arabien haben wir bereits circa zehn Projekte umgesetzt, etwa an Universitäten, aber auch Büros und ein Gericht“, sagt Pomella. Jetzt sehe er große Chancen im touristischen Bereich, da sich das Land nun auch für internationale Urlaubsgäste öffne und riesige Projekte dort entstehen. „Im Tourismus haben wir viel Erfahrung, die wir hier umsetzen möchten. Design und das ‚Made in Italy‘ spielen zunehmend eine Rolle in den arabischen Ländern, was uns sehr entgegenkommt. Gerade unsere hochwertigen Polstermöbelprodukte für den Lobby- und Gastronomie-Bereich werden hier am meisten nachgefragt“, so Pomella. Wer neu in den Markt einsteigen will, dem rät Pomella, selbst hinzureisen, um potenzielle Geschäftspartner persönlich kennenzulernen, und diese Verbindungen auch langfristig gut zu pflegen. Zudem mahnt er zu Geduld, z.B. bei Rückfragen zu Ausschreibungen, wenn die Antwort auf sich warten lässt. Druck von Seiten der Ausschreiber solle man hingegen nicht so ernst nehmen, das sei Teil der Kultur, werde aber dann nicht so streng gehandhabt. Was es immer brauche, um erfolgreich zu sein, sei eine gute Vorarbeit und ein langer Atem, sagt Pomella: „Wenn dem planenden Architekten deine Möbel genau ins Konzept passen, ist das ein Riesenvorteil.“
Ihre Erfolgsgeschichten am Markt Saudi-Arabien erzählten zudem Yvonne Profanter, Head of Communication und Salah Abdeldayem, Area Manager Saudi-Arabien von Loacker, sowie Mohannad Zughayer, Area Sales Manager Saudi Arabia bei Rothoblaas. Arianna Modena, Senior Trade Compliance Manager der ZPC, sprach außerdem über das Export Compliance Management in den Handelsvorgängen mit Saudi-Arabien, Francesca Fiori und Florin Kompatscher, International Consultant bei IDM, zeigten die Gelegenheiten für Südtiroler Unternehmen im Rahmen der Saudi Vision am saudischen Markt genauer auf.