AFI-Tagung

Arbeit 4.0 – Berufe und Kompetenzen der Zukunft

Freitag, 26. Oktober 2018 | 22:56 Uhr

Von: bba

Bozen – Mit der Digitalisierung der Arbeitswelt rücken zwei Fragen in den Mittelpunkt: Wie sehen die Berufe der Zukunft aus und welche neuen Kompetenzen werden von den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen verlangt?

Gänzlich verschwinden werden Berufe zwar nur in den seltensten Fällen, aber die digitale Technologie wird die meisten Berufe stark verändern, so dass die richtige Ausbildung zur Voraussetzung wird, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können, heißt es auf einer Fachtagung des AFI | Arbeitsförderungsinstituts. „Eine gezielte und kontinuierliche berufliche Weiterbildung in Richtung Digitalisierung ist wesentlich, und zwar für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nicht nur für die bereits gut ausgebildeten“, betont AFI-Präsidentin Christine Pichler.

In der digitalen Arbeitswelt „Arbeit 4.0“ verschwinden unterm Strich weniger Berufe und Arbeitsplätze als befürchtet, wohl aber finden große Veränderungen in vielen Berufsinhalten statt, sagt der Südtiroler Sozialwissenschaftler Thomas Leoni vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung. Leoni stellt dies anhand der Entwicklung des Arbeitsmarktes in Österreich fest: In den vergangenen zwanzig Jahren hätten manuelle Tätigkeiten insgesamt abgenommen, sowohl manuelle Routinearbeiten (zum Beispiel Maschinen befüllen) als auch manuelle Nicht-Routinetätigkeiten (zum Beispiel Maschinen reparieren). „Stark zugenommen haben analytische und interaktive Nicht-Routinetätigkeiten im Bereich Planung, Forschung und Management, während sich kognitive Routinetätigkeiten wie beispielsweise Buchhaltung auf hohem Niveau einpendeln“, beobachtet Leoni.

Zunehmen werden vor allem der Dienstleistungsbereich und die kognitiven Berufe, was bedeute, dass es verstärkt auf persönliche „Soft Skills“ wie beispielsweise Kommunikationsfähigkeit oder soziale Empathie ankommen wird. Thomas Leoni: „Von der einzelnen Arbeitskraft werden ganz neue Fertigkeiten verlangt, was am Arbeitsmarkt und in der Bevölkerung zu unterschiedlichen Gruppen führen wird. Die jüngste technologische Revolution wirft damit auch die Frage der Teilhabe und Verteilung der Früchte des technologischen Fortschritts auf.“

In betriebliche Weiterbildung gleich wie in technologische Innovation investieren

Die Entwicklung von Arbeit 4.0 in Italien beleuchtet für das AFI Roberto Angotti vom Nationalen Institut für die Analyse der Staatstätigkeit (INAPP). Italien kranke am so genannten „Skill-Mismatch“, dem Missverhältnis von Qualifikation und Anforderung am Arbeitsplatz. 21 Prozent der Beschäftigten in Italien haben Jobs unter ihrer beruflichen Qualifikation. Hinzu kommt die geringe Nachfrage nach hohen Kompetenzen in manchen Landesteilen und in Kleinbetrieben. Vor diesem Hintergrund plädiert der Experte aus Rom für Investitionen in das Humankapital durch betriebliche Weiterbildung. Studien zeigten, dass dadurch Produktivität, Ertragsstärke und Löhne steigen. Zahlreiche Studien attestierten den Südtiroler Betrieben hohe regionale Benchmarks in betrieblicher Weiterbildung, aber dennoch hätten diese Schwierigkeiten, digitale Berufsbilder zu rekrutieren, stellt der Analytiker fest. In der Ära der Digitalisierung sollten deshalb die Investitionen in technologische Innovationen an jene in die betriebliche Weiterbildung gekoppelt werden, rät INAPP-Forscher Angotti. Es sei ein systematisches und koordiniertes Weiterbildungsangebot zu schaffen sowie allen Gruppen von Beschäftigten fließende Übergänge in die digitale Arbeitswelt zu ermöglichen – Praktika und Lehrverhältnisse von hoher Qualität eigneten sich dafür ausgezeichnet, so Angotti.

Das Zusammenwirken aller ist gefragt

Am runden Tisch der Tagung diskutieren schließlich Mirco Tonin, Professor für Wirtschaftspolitik an der Freien Universität Bozen, Andreas Rogger, ehemals Group Director von GKN London, Peter Prieth, geschäftsführender Direktor der Landesberufsschule für Handwerk und Industrie Bozen, Christine Pichler, CGIL-AGB, Enrico Valentinelli und Claudio Voltolini, jeweils Präsident und Vizepräsident der „Fondimpresa Alto Adige Südtirol“ über die Herausforderungen für die Berufe und Kompetenzen in der Arbeitswelt 4.0. Tenor der Runde: Eine innovative berufliche und betriebliche Weiterbildung erfordert, dass alle Akteure auf dem Südtiroler Arbeitsmarkt funktionell zusammenwirken. “Ich bin überzeugt, dass wir unser Südtiroler Weiterbildungssystem noch weiterhin stärken und ausbauen müssen, gerade im Hinblick auf die Gruppen, die in Zukunft schlechtere Arbeitsmarktperspektiven haben“, unterstreicht AFI-Präsidentin Christine Pichler.

 

Bezirk: Bozen