AFI-Tagung

Arbeit 4.0 trifft auf neue Gesellschaft

Mittwoch, 28. März 2018 | 16:11 Uhr

Von: luk

Bozen – Fortschreitende Globalisierung, Folgen der internationalen Finanzkrise, eine gefährdete bürgerliche Mittelschicht, Migrationsströme und demografischer Wandel lassen neue Werte, Konsummuster, Lebensstile und Familienformen entstehen. „Die epochalen Umwälzungen unserer Gesellschaft gilt es zu verstehen, wenn wir die digitale Arbeitswelt von morgen menschengerecht mitgestalten wollen“, erläutert AFI-Direktor Stefan Perini die Zielsetzung der Tagung „Arbeit 4.0 – Gesellschaft im Wandel“.

„Globalisierung ist ein zweischneidiges Schwert“, behauptet Professor Andreas Exenberger vom Institut für Wirtschaftstheorie der Universität Innsbruck. Die weltweite Vernetzung der Wirtschaft habe Wahlmöglichkeiten des Menschen erweitert, zugleich aber auch zu neuen Zwängen und Verlierern geführt. Umwälzungen seien historisch nichts Neues, aber es komme jetzt darauf an, individuell und kollektiv die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es gelte, die Globalisierung in eine wünschenswerte Richtung zu lenken, so Exenberger.

Einen hochkomplexen, aber spannenden Streifzug durch die Bevölkerungsentwicklung und die Zusammenlebensmuster der Welt, Europas und Italiens liefert Alessandra De Rose, Professorin für Demographie an der römischen Universität La Sapienza. Seit das Baby „Sieben Milliarden“ am 31. Oktober 2011 geboren wurde, steige die Weltbevölkerung zwar noch in absoluten Zahlen, aber nicht mehr so stark wie bisher. In Europa seien die Abnahme von Geburten und das Anwachsen der Älteren am deutlichsten zu sehen. Im Brennpunkt des Vortrages stand die Frage der Jugend. Im europäischen Vergleich stellt sich heraus, dass der Schwund beim Nachwuchs nicht nur mit Verhütung und späterer Heirat zu tun hat. In Schweden verlassen Jugendliche das Elternhaus mit 21 Jahren und das Land hat eine Geburtenrate von 1,9. In Italien gehen die Kinder erst mit 30 Jahren von zuhause weg und das Land hat eine Geburtenrate von 1,3. In Schweden leben 50% der Frauen in einer Beziehung, in Italien nur 32%. „Das wahre Problem dahinter ist die Arbeit“, erklärt De Rose und verweist auf Italiens rekordhohe Arbeitslosigkeit der 15 bis 29-Jährigen: 30% gegen 16,6% im EU-Durchschnitt. Die Demografin fordert Maßnahmen und sie hat die Rezepte parat: Junge schneller ins Erwachsenenleben bringen, die Vereinbarkeit Familie und Arbeit für Frauen verbessern, in „Nachkommenschaft als öffentliches Gut investieren“, wie sie wörtlich sagt, und – mehr Mut bei der Migration.

Die von Vizedirektorin Silvia Vogliotti und AFI-Forscher Werner Pramstrahler moderierte Tagung schließt mit einer Publikumsdiskussion und dem Blick auf die örtlichen Gegebenheiten. Mit am Runden Tisch die beiden Referenten, der Direktor des KVW Werner Atz und die Soziologin Ilaria Riccioni von der Freien Universität Bozen. Wie Werner Atz zu bedenken gibt, werden in einer Gesellschaft 4.0 viele Personen ehrenamtlich, also unbezahlt, arbeiten. Die zentrale Frage sei, wie man es schaffe, die Produktivitätszuwächse von Industrie 4.0 so zu verteilen, dass sie zur Steigerung des Gemeinwohls führen. Für ihn die logische Folgerung: In einer Gesellschaft 4.0 mit Arbeit 4.0 komme man über einen Wohlfahrtsstaat 4.0 nicht umhin. Die Soziologin Ilaria Riccioni hebt hervor, dass die Globalisierung eigenartigerweise auch wieder das Lokale ans Licht fördere. Schon seit geraumer Zeit kursiere der Begriff der „Glokalisierung“, also die Renaissance des Lokalen in einer globalisierten Welt. Diese Glokalisierung konkretisiere sich nun nach und nach. Die Nationalstaaten hätten aktuell Schwierigkeiten, die lokalen Bedürfnisse zu erkennen und zu vertreten. Damit stelle sich die Frage, wer heute diese entsprechenden lokalen Realitäten zu vertreten wisse. Dies übertrage der Zivilgesellschaft eine große Verantwortung.

Arbeit 4.0 sei heuer das Leitthema des AFI, betont AFI-Vizepräsident Toni Serafini. Deshalb veranstalte das Institut weitere Tagungen zur digitale Transformation, zu Berufe und Weiterbildung, Arbeitsorganisation, Sozialpartnerschaft, und der Gestaltung der Arbeitswelt („Gute Arbeit 4.0“).

Bizzo bei AFI-Tagung zur Zukunft der Arbeit

„Die Politik muss die Herausforderungen durch den Wandel annehmen, um der Jugend eine Zukunft zu sichern“, erklärte der Landtagspräsident, Roberto Bizzo, anlässlich einer Tagung des Arbeiterförderungsinstituts.

„Der Wandel, den wir zurzeit erleben, von der sinkenden Geburtenrate zur Alterung der Bevölkerung, vom Klimawandel zu Migration und Globalisierung – das alles sind Herausforderungen, welche die Politik annehmen muss, mit dem Ziel, der Jugend eine Zukunft zu sichern, indem qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen werden“, erklärte Landtagspräsident Roberto Bizzo am Rande der vom Arbeiterförderungsinstitut heute veranstalteten Tagung „Arbeit 4.0 – Gesellschaft im Wandel“.

Die heutigen Ausführungen der verschiedenen Experten über Globalisierung und Veränderung der Lebensstile, neue Familienmodelle und neue Generationen waren eine wertvolle Gelegenheit, um uns die Augen zu öffnen, meinte Bizzo. Solche grundlegende Betrachtungen seien die Voraussetzung, um Strategien erarbeiten zu können, „damit die neuen Generationen eine bessere Zukunft haben als jene, die wir von unseren Vätern ererbt haben“.

Bezirk: Bozen