Von: luk
Bozen – “Die Kluft zwischen Arm und Reich wird von den Südtiroler Arbeitnehmern als bedeutend eingestuft”, schickt AFI-Forscher Matteo Antulov voraus. 87 Prozent der befragten Arbeitnehmer sind der Meinung, der Wohlstand sei in Südtirol relativ ungleichmäßig verteilt. Verantwortlich werden dafür die gesamtstaatliche und lokale Wirtschaftspolitik, die Lohnpolitik und das Steuersystem gemacht. Eine gute Schulbildung sowie ein gutes Netzwerk sind entscheidend, um in Südtirol die Nase vorn zu haben.
Die Hauptergebnisse der Sommerausgabe des AFI-Barometers wurden vom Institut schon am 16. Juli auf einer Pressekonferenz vorgestellt und genau zwei Wochen später folgte mit dem Branchenspiegel die Vertiefung für die einzelnen Wirtschaftssektoren. Die noch ausstehenden Fragen wurden hingegen erst vor wenigen Tagen ausgewertet: wie stark Südtirols Arbeitnehmer die wirtschaftliche Kluft zwischen Arm und Reich in Südtirol einschätzen, welche Faktoren sie dafür verantwortlich machen bzw. was es in Südtirol braucht, um vorne mitzumischen.
Um das Thema Verteilungsgerechtigkeit aus allen Blickwinkeln zu beleuchten, sind sowohl Umfrage- wie auch Verwaltungsdaten wertvoll, betont AFI-Direktor Stefan Perini. „Umfragen spiegeln die Wahrnehmungen von bestimmten Zielgruppen wider und zeigen auf, wie die Menschen ticken. Verwaltungsdaten wiederum sind nützlich, um die Situation zu objektivieren“.
„Perzipierte“ Kluft bleibt groß
87 Prozent der im AFI-Barometer befragten Arbeitnehmer schätzen die Kluft persönlich zwischen jenen, die in Südtirol viel haben und jenen, die wenig haben, als “groß” (56 Prozent) bzw. “sehr groß” (31 Prozent) ein. Nur 13 Prozent der Arbeitnehmer sind der Meinung, dass die Unterschiede wenig ins Gewicht fallen. Ergebnisse, die durchaus mit jenen der Vorjahre übereinstimmen und den AFI-Forscher Matteo Antulov insofern nicht wirklich überraschen, wenn nicht aufgrund der Tatsache, dass selbst ein so einschneidendes Ereignis wie die Corona-Pandemie die Prozentanteile der Antworten nicht durchmischt hat.
Die Hauptgründe: die Wirtschafts-, Lohn- und Steuerpolitik
Als Bestimmungsfaktor für die Kluft zwischen Arm und Reich machen Südtirols Arbeitnehmer in erster Linie die lokale und gesamtstaatliche Wirtschaftspolitik verantwortlich (29 Prozent). Es folgen die Lohn- (27 Prozent) und Steuerpolitik (22 Prozent), also all jene Faktoren, welche der einzelne Arbeitnehmer selbst nicht beeinflussen kann. Erst an vierter Stelle reiht sich die unterschiedlich große Arbeitsleistung von Personen ein (elf Prozent).
Was zählt: eine gute Schulbildung und das richtige Netzwerk
Rein hypothetisch gelingt es in einer perfekt durchlässigen und leistungsorientierten Gesellschaft jeder Person, mit entsprechendem Arbeitseinsatz die soziale Leiter hochzuklettern. Hart arbeiten ist aber nur eines und noch dazu nicht das wichtigste der Elemente, um die eigene wirtschaftliche Stellung in der Gesellschaft zu verbessern. Das Wichtigste, das benötigt wird, um in Südtirol die Nase vorn zu haben, ist nach Ansicht der befragten Arbeitnehmer/Innen eine gute Schulbildung. Der zweitwichtigste Aspekt seien die Kontakte – sprich das Glück, die richtigen Personen zu kennen. Auf einer Skala von null (nicht wichtig) bis zehn (sehr wichtig) haben die genannten Aspekte in beiden Fällen eine Durchschnittsbewertung von mehr als acht erhalten. Hart zu arbeiten, das Glück auf der eigenen Seite zu haben oder einer wohlhabenden Familie anzugehören sind zwar auch vorteilhafte Faktoren, werden aber als nachrangig eingestuft.
Stellungnahme des AFI-Präsidenten Dieter Mayr
„In einer sozialen Marktwirtschaft stehen Staat und Land in der Pflicht, ihre Lenkungsfunktion wahrzunehmen und die Weichen so zu legen, dass eine Umverteilung des Wohlstands im Sinne einer stärkeren Ausgewogenheit begünstigt wird.“
Das AFI-Barometer erscheint viermal im Jahr (Winter, Frühjahr, Sommer, Herbst) und gibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft wieder. Die telefonisch geführte Umfrage betrifft 500 Arbeitnehmer und ist für Südtirol repräsentativ. Die nächsten Umfrage-Ergebnisse werden Mitte Oktober 2021 vorgestellt.