Von: luk
Bozen – Das Geschäftsklima in der Südtiroler Wirtschaft bleibt positiv. Mehr als neun von zehn Unternehmen sind mit der Ertragslage im Jahr 2019 zufrieden und die Erwartungen für 2020 sind ebenfalls gut. Allerdings gibt es Anzeichen einer Abschwächung, besonders bei den Investitionen und bei der Zahlungsmoral der Kund/innen. Dies zeigt die Herbstausgabe des Wirtschaftsbarometers des WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen. Das WIFO erwartet ein Wachstum des Südtiroler Bruttoinlandsproduktes von 1,3 Prozent im Jahr 2019 und von 1,4 Prozent im Jahr 2020.
Die Wirtschaft in Südtirol
Das Geschäftsklima ist gut: 91 Prozent der Südtiroler Unternehmen sind mit der Ertragslage im laufenden Jahr zufrieden. Die Unternehmer/innen bleiben auch im Hinblick auf 2020 zuversichtlich: 92 Prozent gehen von einem (zumindest) befriedigenden Betriebsergebnis im kommenden Jahr aus und über ein Fünftel rechnet sogar mit einer guten Rentabilität. Allerdings gibt es Anzeichen einer Abschwächung, welche die Entwicklung der Südtiroler Wirtschaft in den kommenden Monaten beeinflussen könnte.
Gut ein Drittel der Unternehmen konnte heuer das Geschäftsvolumen steigern, vor allem auf dem Südtiroler Markt. In mehreren Sektoren ist jedoch ein Rückgang des Umsatzes bei den Kund/innen aus anderen italienischen Provinzen zu verzeichnen. Auch die Exporte zeigen ein geringeres Wachstum als in den letzten Jahren. Der Anstieg der Verkaufspreise war moderat und trug nicht signifikant zur Umsatzdynamik bei. Die Verbraucherpreise in Südtirol sind in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich um ein Prozent gestiegen. Für das kommende Jahr erwarten die Unternehmen eine leichte Steigerung der Nachfrage auf allen Märkten, insbesondere im Ausland.
Trotz der Wiedereinführung der steuerlichen Begünstigungen auf staatlicher Ebene (sogenannte „Super-Abschreibung“) war 2019 auch durch eine Verlangsamung der Investitionen gekennzeichnet. Außerdem melden die Unternehmer/innen eine Verschlechterung der betrieblichen Wettbewerbsfähigkeit, die teilweise auf den Anstieg der Betriebskosten zurückzuführen ist. Sie beklagen darüber hinaus die sinkende Zahlungsmoral der Kund/innen, während die Bedingungen für den Zugang zu Krediten als stabil gelten. Nach Angaben der Unternehmen wird sich diese Situation auch 2020 fortsetzen.
Im Vergleich zur vorherigen Konjunkturerhebung im Sommer sind die Ertragserwartungen für das laufende Jahr im verarbeitenden Gewerbe und im Gütertransport leicht gesunken. Diese Bereiche sind von der schwächelnden Weltwirtschaft am stärksten betroffen. Andererseits haben sich die Einschätzungen der Tourismus-, Einzelhandels- und Bauunternehmen gebessert. Für 2020 wird in den meisten Sektoren eine Steigerung der Rentabilität erwartet.
Was die Südtiroler Haushalte betrifft, so zeigen die Erhebungen des WIFO einen Rückgang des Konsumklimas in der ersten Jahreshälfte und eine anschließende Verbesserung im Herbst. Die Erwartungen der Konsument/innen zur zukünftigen Entwicklung der Wirtschaft in Südtirol bleiben aber weitgehend stabil und besser als im europäischen Durchschnitt. Positive Anzeichen kommen auch vom Arbeitsmarkt. Zwischen Januar und September lag die Zahl der Arbeitnehmer/innen in Südtirol durchschnittlich bei fast 215.000, bzw. um 2,3 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. Im Hinblick auf 2020 gehen die Unternehmen von einer weiteren Zunahme der Beschäftigung aus.
Die Wirtschaft in Europa
Die Stimmung von Unternehmen und Konsument/innen hat sich europaweit im Laufe des Jahres deutlich verschlechtert. Dies ist vor allem auf die Abschwächung des internationalen Handels und auf die politischen Spannungen in einigen Schwellenländern (z.B. in der Türkei und in Argentinien) zurückzuführen. Diese Faktoren verursachten einen allgemeinen Rückgang der Nachfrage und der Industrieproduktion, insbesondere in Deutschland. Dieses Szenario veranlasste die EU-Kommission, die Wachstumsprognosen für die Eurozone im Jahr 2019 auf 1,1 Prozent zu senken. Der Arbeitsmarkt erholt sich jedoch weiter und die Arbeitslosenquote ist mit 7,6 Prozent wieder auf dem Niveau der Jahre vor der Wirtschaftskrise.
Für 2020 erwartet man keine signifikante Verbesserung. Gründe dafür sind unter anderem die Verschärfung der Kreditmarktbedingungen, die niedrigen Rohstoffpreise, die die Nachfrage aus den Schwellenländern bremsen werden und die weitere Wirtschaftsverlangsamung in China und in den USA. Zusätzliche Unsicherheiten betreffen den Brexit und die zukünftige Geldpolitik nach dem Führungswechsel in der Europäischen Zentralbank. Das Wachstum wird daher hauptsächlich von der internen Nachfrage und von der expansiven Fiskalpolitik einiger Mitgliedstaaten getragen. Nach den jüngsten Prognosen der Kommission wird das BIP der Eurozone im nächsten Jahr um 1,2 Prozent steigen. Die wichtigsten Handelspartner Südtirols, Deutschland und Österreich, dürften sich ähnlich entwickeln (+1,0 bzw. +1,4 Prozent).
Die Wirtschaft in Italien
Nach vier Jahren moderaten Wachstums wird das italienische Bruttoinlandsprodukt 2019 nahezu stagnieren. Der Rückgang der Industrieproduktion wird durch die Zunahme von Exporten, privatem Konsum und Investitionen ausgeglichen. Letztere profitieren nach wie vor von günstigen Finanzierungsbedingungen und von der Wiedereinführung der „Super-Abschreibung“. Auch die Lage des Arbeitsmarktes bleibt relativ günstig und die Arbeitslosigkeit sinkt weiter (9,9 Prozent im September). Im Jahr 2020 dürfte das Wachstum aber mit rund 0,4 Prozent weiterhin mäßig ausfallen. Die Debatten zum Haushaltsgesetz im Parlament stellen diesbezüglich einen erheblichen Unsicherheitsfaktor dar. Die Regierung möchte die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes verhindern und plant eine leicht expansive Fiskalpolitik, vor allem durch die Senkung des Steuerkeils. Durch die verstärkte Bekämpfung der Steuerhinterziehung sollen mehr finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Angesichts des schwachen Wirtschaftswachstums erwartet aber die EU-Kommission eine Verschlechterung des Haushaltsdefizits in den nächsten Jahren.
Die Konjunkturabschwächung in Italien und in den wichtigsten Partnerländern Südtirols wirkt sich auf das lokale Wirtschaftsumfeld aus. Dies ist jedoch nach wie vor durch ein gutes Geschäftsklima, einen soliden Arbeitsmarkt und eine zufriedenstellende Rentabilität der Unternehmen gekennzeichnet. Das WIFO geht daher von einem Wachstum des Südtiroler Bruttoinlandsproduktes um 1,3 Prozent im Jahr 2019 und um 1,4 Prozent im Jahr 2020 aus.
Der Präsident der Handelskammer Bozen, Michl Ebner, betont die Notwendigkeit, die Wirtschaft zu unterstützen: „2019 war ein schwieriges Jahr für die internationale Wirtschaft. In mehreren Ländern führen die Regierungen expansive fiskalpolitische Maßnahmen ein, um Unternehmen und Konsumenten zu helfen. Auch in Südtirol muss die Politik aktiv werden und die Möglichkeiten der Autonomie zur Unterstützung von Konsum und Investitionen voll ausschöpfen.“