Blick auf den Bahnhof Spittal-Millsstättersee

Bahn-Sozialpartner sorgen sich um Direktvergaben

Mittwoch, 27. Dezember 2023 | 11:00 Uhr

Von: apa

In Österreich verstärken Bahnvertreter von der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite ihren Widerstand gegen einen georteten “Privatisierungswahn” der EU-Kommission bei den Eisenbahnen. Grund ist eine eigentlich rechtsunverbindliche Leitlinie der EU-Behörde zu Vergaben im gemeinwirtschaftlichen Bahnbereich, die besagt, Ausschreibungen seien Direktvergaben vorzuziehen. Dabei sind Direktvergaben rechtlich gedeckt und sicherten den Bahnverkehr in Österreich, so die Sozialpartner.

Nun bekommen politisch Verantwortliche von der Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) abwärts zwischen den Feiertagen Post von den Sozialpartnern der Schienenbahnen. Das Schreiben, das der APA vorliegt, macht auf das Anliegen der Beibehaltung der Direktvergaben und die Nicht-Notwendigkeit von Ausschreibungen aufmerksam. Es ist mit zwei Gutachten untermauert, die die Rechtmäßigkeit der Direktvergaben bei “Dienstleistungen von allgemeinem Interesse” bestätigen.

Die Verordnung sehe Direktvergaben eindeutig vor. Doch die Auslegungsleitlinie zur Verordnung, stelle das in Zweifel und solle Ausschreibungen fördern, lautet die Kritik. Es sei nur vorgesehen, dass Ausschreibungen ebenso möglich seien – aber eben nicht den Direktvergaben vorzuziehen. Direktvergaben stünden im Sinne der Daseinsvorsorge.

“Die Politik soll nun alle Stakeholder darauf aufmerksam machen, dass die Auslegungsleitlinie zur entsprechenden Verordnung nicht anzuwenden ist”, fordern WKÖ-Spartenobmann Thomas Scheiber von den Innsbrucker Verkehrsbetrieben und Gerhard Tauchner von der Gewerkschaft vida im Gespräch mit der APA. Denn die Direktvergaben sicherten den Schienenverkehr erst ab. Ausschreibungen erfolgten hingegen oft erst, wenn es einen Bedarf gebe, dauerten extrem lange, böten Unsicherheiten. So gebe es viel zu wenige Unternehmen die sich überhaupt bewerben könnten.

“Wir orten den Versuch durch die Hintertür, das funktionierende System zu verändern”, so Scheiber und Tauchner, die in diesem Zusammenhang vor allem die EU-Kommission und speziell EU-Transportkommissarin Adina Valean kritisieren. Die Frage nach dem wieso, könne man sich gar nicht erklären.

“Ob Strecken im Schienenpersonenverkehr ausgeschrieben oder direkt vergeben werden, sollen die Geldgeber selbst entscheiden”, so Scheiber. “Wir sind gegen eine verpflichtende Ausschreibung und schlichtweg für die jeweils beste Lösung für jede einzelne Strecke im Schienenpersonenverkehr.” Also es soll bleiben wie es ist: Bund, Länder, Städte und Gemeinden sollen die Wahlfreiheit haben, ob sie ihre Strecken ausschreiben oder direkt vergeben.

Eisenbahnverkehre könnten in den weitesten Teilen Europas nicht nur dann vergeben werden, wenn sie sowohl zweck- als auch verhältnismäßig seien, so die Sozialpartner. Diesem Kommissionsvorschlag hätten sowohl die EU-Mitgliedsstaaten als auch das -Parlament eine Absage erteilt. Denn dann “würden in weiten Teilen Europas auch praktisch keine Züge mehr fahren”, so Tauchner und Scheiber.

Manche Kritiker sollen bei der Kommission fruchtende Lobbyingarbeit von Autokonzernen vermuten. Das ist freilich nicht belegt.

“Verwundert” über die Sozialpartner gab sich die mehrheitlich private Westbahn, die in Österreich auf der verhältnismäßig lukrativen Weststrecke verkehrt. “Die Sinnhaftigkeit von Ausschreibungen im Bahnverkehr in Frage zu stellen bedeutet gleichzeitig, das betriebswirtschaftliche Prinzip des Wettbewerbs des besten Angebots zu hinterfragen”, so Geschäftsführer Florian Kazalek in einem schriftlichen Statement gegenüber der APA. “Das beste Angebot im Schienenverkehr lässt sich nicht durch ein Entweder-Oder zwischen Direktvergaben und Ausschreibungen feststellen.” Es brauche einen Paradigmenwechsel. Es müsse einen günstigen Zugang zu Infrastruktur im heimischen Schienenverkehr geben. Mehr Wettbewerb sorge auch fürs beste Angebot, so Kazalek. Die Westbahn gehört zu 49,9 Prozent der Haselsteiner-Familien-Privatstiftung des Industriellen Hans Peter Haselsteiner, zu 32,7 Prozent der Augusta Holding aus der Schweiz und zu 17,4 Prozent der französischen Staatsbahn SNCF.

In Österreich wenden primär der Bund, die Länder und die Verkehrsverbünde die Regelungen der Direktvergabe im Rahmen der zugrunde liegenden Verordnung (PSO-VO) an, erläutern Tauchner und Scheiber. Die Direktvergaben ermöglichten erst einen flächendeckenden Schienenverkehr in Österreich. Es wurde auch die Kampagne “Unsere Bahnen – Zukunft auf Schiene” gestartet – www.unsere-bahnen.at.

“Die bewusst geschaffenen Möglichkeiten der Direktvergabe werden in zahlreichen Mitgliedstaaten erfolgreich genutzt”, so die Sozialpartner unisono in ihrem Schreiben, das auch an die Verkehrssprecher im Nationalrat, die Austro-EU-Abgeordneten, Verkehrskommissarin Valean und relevante Verbände ergeht. “Am Beispiel des Eisenbahnbereichs ist auffallend, dass jene Staaten, die sich für den Weg der Direktvergabe entschieden haben, eine Vorreiterrolle gemessen an Pünktlichkeit, Kundenzufriedenheit oder gefahrenen Bahnkilometern pro Einwohner einnehmen.”

Beide Rechtsgutachten, die die Sozialpartner und Gewerkschaften ins Treffen führen, kommen unabhängig voneinander zu folgenden zentralen Ergebnissen: Die Auslegungsleitlinien schränken die Möglichkeit zur Direktvergabe ein und widersprechen daher dem Verordnungstext. Damit stehen sie im Widerspruch zum Willen des Verordnungsgebers. Zudem hätten die Auslegungsleitlinien keinen rechtsverbindlichen Charakter. Es obliege den Mitgliedstaaten, bei Dienstleistungen, die im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse stehen, eigene Ziele für Mindestanforderungen (z.B. Umweltschutz, Mobilität für Personen mit Einschränkungen oder Verbraucherschutz) festzulegen. Die von der Europäischen Kommission formulierte ex-ante Bedarfsprüfung lässt sich nicht aus der PSO-VO entnehmen. Der Bestimmung, wonach Art 5 Abs 4a PSO-VO restriktiv auszulegen wäre, ist nicht Folge zu leisten.