Von: mk
Bozen – Wie Medien vor einigen Tagen berichtet haben, hat eine Kundin der Südtiroler Volksbank vor dem Schiedsgericht für Finanzstreitigkeiten eine sehr wichtige Entscheidung in Bezug auf den Erwerb bankeigener Aktien erwirken können: Die Bank wurde vom Schiedsgericht dazu verurteilt, der Kundin 16.251,48 Euro zu erstatten.
„Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist bahnbrechend“, zeigt sich VZS-Geschäftsführer Walther Andreaus erfreut. Jenseits des Einzelfalls könnte diese Entscheidung laut Andreaus für die Bank weitreichende Folgen nach sich ziehen. „Wir haben viele der Fälle untersucht, und obschon nicht alle Fälle in das Muster hineinfallen, sind wir der Meinung, dass viele Kundinnen und Kunden ebenfalls Anrecht auf Schadersatz haben könnten, da das Schiedsgericht verschiedene Fehler und auch schwerwiegende Unterlassungen des Bankinstituts festgestellt hat. Dabei ist hervorzuheben, dass dieses Schiedsgericht aus Experten des Finanzsektors besteht, und seine Entscheidungen Gewicht haben.“
Was können nun die Aktionäre tun?
Wer in den letzten zehn Jahren Aktien der Volksbank erworben hat, kann laut VZS eine Beschwerde bei der Bank einreichen, und dann den Fall vor das Schiedsgericht bringen, welches über das Anrecht auf Schadenersatz befinden wird.
Hierfür ist es notwendig, die Dokumentation des Aktienkaufs vorzulegen. Wer diese Dokumentation nicht hat, kann Sie (per Einschreiben oder PEC) bei der zuständigen Bankfiliale anfordern (Musterschreiben siehe www.verbraucherzentrale.it). Diese Dokumentation kann dann den Experten der VZS vorgelegt werden; sollten die Voraussetzungen bestehen, können die Aktionäre vorab eine detaillierte Beschwerde an die Bank schicken. Sollte diese negativ beschieden oder nicht beantwortet werden, kann man sich in einem zweiten Schritt an das Schiedsgericht wenden. Dieses fällt innerhalb einiger Monate eine Entscheidung (im bereits entschiedenen Fall teilte die Volksbank mit, sich das Recht vorzubehalten, gegen die vom Schiedsgericht gefällte Entscheidung gerichtlich vorzugehen).
Der bereits entschiedene Fall
Die Kundin hatte im Jahr 2013 , sowie anlässlich der Kapitalerhöhung von 2015 insgesamt 1.242 Aktien der Südtiroler Volksbank erworben, für einen Gegenwert von 23.786,40 Euro; der von ihr bezahlte Durchschnittspreis pro Aktie betrug daher 19,15 Euro. Die Aktien haben in den letzten Jahren stetig an Wert verloren, und waren auch unverkäuflich (illiquide). Die Kundin hatte 2018 Beschwerde bei der Bank eingereicht, und die Art, wie der Verkauf abgewickelt wurde, beanstandet. Die Kundin beklagte in erster Linie, dass die Bank bei der Erstellung ihres Anlegerinnen-Profil nicht korrekt vorgegangen war, da die Angaben über ihre Erfahrungen und Kenntnisse im Finanzbereich nicht präzise erfasst wurden. Daraus ergab sich eine nicht korrekte Bewertung der Angemessenheit der Geldanlage im Verhältnis zum Risikoprofil. Die Kundin beklagte des weiteren auch die irreführenden Angaben in der Dokumentation, welche die Bank über das Produkt (also die Aktien) zur Verfügung gestellt hatte. Im Produktinformationsblatt stand nämlich zu lesen: „Das Preislimit darf nicht unter den Ausgabepreis der Aktien sinken“.
Das Risiko der Unverkäuflichkeit der Aktien wurde nicht dargestellt; auch wurden weitere Informationspflichten, welche die Börsenaufsicht den Emittenten von Wertpapieren auferlegt, nicht befolgt.
Die Entscheidung des Schiedsgerichts
Das Schiedsgericht hat die Beschwerden der Dame als für annehmenswert befunden, und dem Rekurs stattgegeben. Dabei ist laut VZS vor allem diese Passage aus dem Schiedsspruch wichtig: „Das Kollegium kann sich in der Tat nicht davon enthalten, hervorzuheben, dass das vom Beklagten (also der Bank, AdR) erstellte Produktinformationsblatt sich objektiv äußerst wenig klar und unter gewissen Aspekten irreführend präsentiert – in Bezug auf den Grad der Liquidierbarkeit der Aktien.“ Dieser Absatz mache deutlich, dass sich die Bank bei der Information an die Kunden nicht korrekt verhalten habe, als die Aktien öffentlich verkauft wurden, so die VZS.
Das Schiedsgericht fügt hinzu: „Im untersuchten Fall muss man nämlich annehmen, unter Befolgung des Prinzips der relativen Wahrscheinlichkeit (principio del ‚più probabile che non‘), dass bei einer korrekten Erfüllung der Pflichten des Beklagten, die Rekursstellerin davon abgesehen hätte, die beanstande Geldanlage durchzuführen.“
Der Schaden und seine Bemessung
Wichtig erscheint laut VZS auch die Bewertung, welche das Schiedsgericht in Bezug auf das Ausmaß des Schadens vorgenommen hat – auch in Bezug auf den derzeitigen Wert der Aktie. Obschon die Bankaktien heute über die multilaterale Handelsplattform Hi-Mtf gehandelt würden, so das ACF, kann deren Wert nicht einfach im dort angegebenen Preis (11,90 Euro) festgestellt werden, sondern müsse angesichts des geringen Handelsvolumens und der Möglichkeit, die Wertpapiere zu liquidieren, um 50 Prozent verringert werden. Mit anderen Worten: Die von der Kundin besessenen 1.242 Aktien sind insgesamt 7.389,90 Euro wert, was einem Preis pro Aktie von 5,95 Euro entspricht. Der Kundin wurde ein Schadenersatz von 15.731,16 zugesprochen, zu welchem noch 520,32 Euro Geldentwertung kommen – sowie die Zinsen ab dem Datum der Beschwerdeeinreichung bis zur Zahlung. Die Aktien verbleiben dabei im Besitz der Kundin, welche nun theoretisch auch versuchen könnte, diese auf der Hi-Mtf-Plattform zu verkaufen.
Für Information und Beratung steht die Verbraucherzentrale Südtirol unter Tel. 0471-975597 oder info@verbraucherzentrale.it zur Verfügung.