Von: apa
Die heimische B&C-Gruppe gibt ihre Mehrheit am oberösterreichischen Faserhersteller Lenzing ab. Der brasilianische Zellstoffkonzern Suzano übernimmt einen 15-Prozent-Anteil an Lenzing für 230 Mio. Euro und kann bis Ende 2028 einen weiteren 15 Prozent-Anteil erwerben. B&C reduziert seine Beteiligung an Lenzing vorerst von 52,25 auf 37,25 Prozent. Die Lenzing-Aktie kletterte im Handelsverlauf um bis zu 14 Prozent nach oben.
Die zuständigen Aufsichtsbehörden müssen dem Anteilsverkauf aber noch zustimmen, das Closing des Deals soll im Herbst erfolgen. B&C und Suzano bilden nach Abschluss der Transaktion ein langfristiges Lenzing-Aktionärssyndikat und B&C wird die Kontrolle in dem Syndikat ausüben. Suzano soll zwei Aufsitzratssitze im fünfzehnköpfigen Lenzing-Aufsichtsrat erhalten. Der Syndikatsvertrag läuft sieben Jahre und kann dann verlängert werden. Die börsennotierte Suzano ist mit einem umgerechneten Umsatz von über 7 Mrd. Euro der weltgrößte Zellstoffproduzent und gilt mit einem bereinigten operativen Gewinn (EBITDA) von 3,4 Mrd. Euro als höchstprofitabel. Suzano bewirtschaftet in Brasilien Plantagenholz auf einer Fläche von rund 26.000 Quadratkilometern.
Suzano war laut B&C-Aufsichtsratschef Wolfgang Hofer seit Jahren an einer Lenzing-Beteiligung interessiert. Seit vergangenem Jahr gab es Gespräche, die sich in den vergangenen Monaten konkretisiert haben. “Wir haben immer davon geträumt, einer der Anteilseigner von Lenzing zu sein”, sagte Suzano-Chef Walter Schalka am Mittwoch bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Wien. Man könne einen “wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Lenzing-Geschäftsmodells leisten”. Sollte Suzano in den nächsten Jahren den Lenzing-Anteil von 15 auf 30 Prozent aufstocken, dann muss der brasilianische Konzern ein Pflichtangebot an alle Aktionäre legen. “Es ist nicht unser Ziel, die Mehrheit zu erreichen”, sagte der Suzano-CEO.
Der brasilianische Konzern bezahlt 39,70 Euro je Lenzing-Aktie und damit einen höheren Preis als der aktuelle Börsenkurs. Die Lenzing-Aktie schoss nach Bekanntgabe des Suzano-Einstiegs am Mittwoch um bis zu 14 Prozent auf 36,70 Euro nach oben, die Marktkapitalisierung belief sich auf rund 1,4 Mrd. Euro. Über 40 Prozent der Aktien des Faserherstellers befinden sich in Streubesitz, Goldman Sachs hält sieben Prozent. Zum Vergleich: Die Suzano-Marktkapitalisierung betrug zuletzt 11 Mrd. Euro.
Der Aktienkurs der Lenzing lag Anfang 2022 noch bei 110 Euro. Der Kurs des Faserherstellers brach seitdem aufgrund des kriselnden Textilmarkts, hohen Millionen-Verlusten und Abschreibungen stark ein. B&C-Aufsichtsratschef Wolfgang Hofer verteidigte auf Journalistennachfrage das Timing des Anteilsverkaufs. “Der Zeitpunkt bestimmt sich aus den Interessen der Lenzing, nicht aus den Interessen der B&C.” Man habe mit Suzano “einen finanzstarken Kernaktionär für Lenzing gewinnen können, der über umfangreiche Expertise und Reputation auf den internationalen Finanzmärkten verfügt”. Hofer verwies auf erfolgreiche Unternehmen in Österreich mit ausländischen Partnern, etwa bei KTM und Miteigentümern aus Indien, bei Red Bull mit dem Mehrheitseigentümer aus Thailand. “So was schwebt uns mit Lenzing und Suzano auch vor.” Mit den riesigen Rohstoffreserven des neuen brasilianischer Partners könne Lenzing besser gegen die harte Konkurrenz aus Indien und China bestehen, so der B&C-Aufsichtsratschef.
Ein zwischen B&C und Suzano vereinbartes “Österreich-Paket” soll den Standort Lenzing absichern. Man habe eine langfristige Sicherung des Firmensitzes, Stammwerks und F&E-Aktivitäten in Oberösterreich vereinbart, hieß es am Mittwoch. Ebenfalls vereinbart wurde die weitere Notierung der Lenzing Aktiengesellschaft an der Wiener Börse.
Die B&C-Gruppe hatte Mitte April bereits angekündigt, strategische Partner für ihre Kernbeteiligungen an Lenzing, Semperit und AMAG zu suchen und dafür ein Absinken ihrer Beteiligungen unter die 50-Prozent-Schwelle in Kauf zu nehmen. Die Industrieholding will langfristig aber Kernaktionär der Lenzing bleiben. Alle drei Unternehmen, insbesondere AMAG und Lenzing, hätten Investitionen zu stemmen, “die aus den Unternehmen nicht immer finanziert werden können”, hieß es damals. Im Jahr 2000 wurde die B&C Privatstiftung von der Bank Austria und Creditanstalt errichtet. Ab 2000 erwarb die Beteiligungsholding der Privatstiftung eine Reihe wesentlicher bankgeschäftsfremder Industrie-Beteiligungen der beiden Stifterinnen.
Das Lenzing-Management begrüßte in einer schriftlichen Stellungnahme die angestrebte Transaktion. “Lenzing und Suzano sind zwei Unternehmen, die sich in den vergangenen Jahren als relevante Player auf dem internationalen Zellstoffmarkt kennen und schätzen gelernt haben”, sagte Lenzing-Chef Stephan Sielaff. Auf Basis der Suzano-Kernkompetenzen im Bereich Zellstoffproduktion und Operational Excellence könne der brasilianische Konzern “einen wertvollen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung” der Lenzing-Strategie leisten. “Für uns ist die Konstellation von den nun zwei starken Kernaktionären B&C Gruppe und Suzano S/A jedenfalls ein Gewinn”, so der Lenzing-CEO.
Auch Kleinaktionärsvertreter Florian Beckermann vom Interessenverband für Anleger (IVA) sieht den Einstieg des brasilianischen Zellstoffkonzerns bei Lenzing positiv. “Aufgrund der Zyklizität des Geschäfts macht dafür ein strategischer Partner mit Rohstoffzugang und tiefer Branchenkenntnis grundsätzlich mehr Sinn, als ein purer Finanzinvestor wie zum Beispiel die ÖBAG”, so Beckermann gegenüber der APA. “Das strategische B&C-Suzano-Syndikat ist ein wichtiger Schritt zur Krisenbewältigung von Lenzing und B&C.” Nach einer Anteilsaufstockung durch den brasilianischen Konzern wäre die B&C-Gruppe aber “nur noch Juniorpartner im Syndikat”.