Von: Ivd
Bozen – In einer kürzlich getätigten Aussage in den Medien hat Manfred Vallazza, Vizeobmann des Bauernbundes, behauptet, dass die Ausbringung von Gülle die Artenvielfalt fördert. Dem widerspricht die Vereinigung Südtiroler Biologen jedoch entschieden.
Die Behauptung sei wissenschaftlich unhaltbar und stehe im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Biologie und Ökologie, erklären die Biologen in einer Aussendung: „In diesem Zusammenhang bitten wir um die Offenlegung der von Herrn Vallazza zitierten Untersuchungsergebnisse des BRING, des Beratungsrings für Berglandwirtschaft, wonach mit Gülle behandelte Wiesen artenreicher seien als solche ohne Güllebehandlung.“
Fakt sei: Wo früher Himmelschlüssel, Arnika und Orchideen blühten, würden heute Löwenzahn, Sauerampfer und Fettgräser gedeihen. Anstelle der einstigen blumenreichen, alpinen Magerwiesen finde man auf den Almen immer häufiger Fettwiesen, wie sie für die Tallagen typisch seien.
Die Biologenvereinigung meint weiterhin: „Studien haben gezeigt, dass zuviel Gülle und vor allem die Art und Weise wie sie ausgebracht wird, zu einem Rückgang der Artenvielfalt und einem Verlust an ökologischer Widerstandskraft führt. Die daraus resultierenden Bestände sind zwar individuenreich, aber meist von wenigen Arten geprägt. Dies steht im krassen Gegensatz zu naturnahen Bergwiesen, die durch eine hohe Artenvielfalt gekennzeichnet sind und eine Vielzahl ökologischer Funktionen erfüllen. Genau diese Verarmung an Arten haben wir bei unseren botanischen Erhebungen auch auf den geschützten Armentara-Wiesen im Gadertal festgestellt.“
Es sei wichtig, dass wir die ökologischen Folgen unserer landwirtschaftlichen Praktiken genau verstehen und Maßnahmen ergreifen, um die Biodiversität zu schützen. „Das eigentliche Dilemma der Gülleausbringung, und da hat Dachverbands-Geschäftsführer Hanspeter Staffler absolut recht, liegt darin, dass unsere Berglandwirtschaft aufgrund des hohen Viehbesatzes gezwungen ist, energiereiches Kraftfutter zuzukaufen, weil das eigene Heu und Gras längst nicht mehr ausreicht“, so die Biologen.
Mit diesem problematischen Kraftfutterimport aus dem Ausland würden jedes Jahr Tonnen an Nährstoffen schlussendlich in Form von Stickstoff auf die Wiesen und in die Böden gelangen. Besonders brisant sei: Dieser Stickstoffüberschuss gelange langfristig ins Grundwasser und könne Trinkwasserquellen gefährden. „Einen geschlossenen Kreislauf, wie Herr Vallazza behauptet, gibt es in den intensiv betriebenen Milchbetrieben längst nicht mehr. Diese unselige Praxis des Futterzukaufs ist nicht nachhaltig, macht die Bauern zunehmend abhängig von Futtermittelimporten und erzeugt insgesamt auch mehr Treibhausgasemissionen.“
Die Umstellung auf Laufstallhaltung bringe es mit sich, dass im Stall kaum mehr Festmist, dafür aber Gülle anfalle. „Und hier liegt es an den Verantwortlichen im Bauernbund und in der Politik, die Gülleausbringung, bzw. die anderweitige Verwendung derselben endlich in den Griff zu bekommen.“
Umso erfreulicher sei es, wenn sich Milch- und Viehbauern für eine möglichst futtermittelunabhängige, nachhaltige und ökologische Betriebsführung entscheiden und somit aus der höchst problematischen Stickstoff-Spirale aussteigen, so die Vereinigung Südtiroler Biologen. „Wir fordern Politik und Bauernbund auf, endlich dafür sorgen, dass nur ökologisch angemessene Güllemengen auf den Wiesen landen und der überschüssige Stickstoff anderweitig (z.B. im Obst und Weinbau) sinnvoll eingesetzt werden kann. Das erfordert ein gut durchdachtes, praxistaugliches Konzept und ist, zugegeben, aufwändiger und kostenintensiver. Dafür müssen Molkereien und Konsumenten letztendlich aber auch bereit sein, einen angemessenen Milchpreis an die Bauern zu entrichten.“
Für die sensiblen Natura 2000-Wiesen, wie z.B. den Armentara-Wiesen fordern die Biologen hingegen ein Gülleverbot, nachdem bei Erhebungen dort ein signifikanter Rückgang der ursprünglichen Artenvielfalt festgestellt worden sei. „Die EU-Gesetzgebung spricht hier klare Worte: Es darf zu keiner ökologischen Verschlechterung auf diesen Flachen kommen“, meint die Biologenvereinigung abschließend.