Neues Nachtquartier für 25 obdachlose Menschen

Bozens Zivilgesellschaft sperrt dormizil 2 auf

Mittwoch, 04. Oktober 2023 | 17:15 Uhr

Von: luk

Bozen – Es ist jedes Jahr dasselbe: Mit dem Winter kommt die Kälte und für wohnungs- und obdachlose Frauen und Männer in Bozen stehen erneut keine menschenwürdigen Unterkünfte bereit. Mehr als 100 Menschen ohne Dach über dem Kopf gehen in der Landeshauptstadt wieder einem eisigen Winter auf Parkbänken, unter Brücken, in Abbruchhäusern und Zelten am Rand der Flüsse entgegen.

Da das Gebäude des dormizil 1 in der Rittner Straße in Bozen demnächst in kleine Mietwohnungen für obdachlose Menschen umgebaut wird, haben die Verantwortlichen des Vereins „housing first bozen EO“ ein neues Gebäude im Stadtzentrum gesucht. Sie sind in der Vintler Straße 9 fündig geworden, haben das dreistöckige Gebäude angemietet, ausgeräumt, geputzt und eingerichtet und sperren es am 17. Oktober für 25 obdachlose Frauen und Männer auf. Es ist dem Verein wichtig, dass obdachlose Menschen in kleinen Einheiten würdevoll untergebracht werden, wo ihre Privacy gewährleistet ist, sie ihre persönlichen Dinge hinterlegen, sich waschen und frühstücken können und von rund 100 Freiwilligen begleitet werden. Um die Kosten abzudecken, haben die Vereinsverantwortlichen Spendenpakete geschnürt: Nachtpaket: neun Euro, Wochenpaket: 63 Euro, Mietpaket: 190 Euro, Wärmepaket: 495 Euro. Wer Nacht- oder Frühstücksdienste leisten möchte, erhält weitere Infos unter www.dormizil.org.

Seit Wochen melden sich bei den Verantwortlichen des dormizil täglich Sozialdienste, Vereine und Privatpersonen, die um Aufnahme obdachloser Menschen im dormizil 2 bitten. “Die Wohnsituation in Bozen ist mehr als prekär. Und wieder ist es die Zivilgesellschaft, die einspringt. In den vergangenen beiden Wintern haben jeweils mehr als 100 Freiwillige aus ganz Südtirol obdachlosen Menschen im dormizil 1 in Bozen ein warmes Bett im kalten Winter geschenkt. Weil nach wie vor der politische Wille fehlt, für obdachlose Menschen im Stadtzentrum von Bozen kleine und würdige Unterkünfte zu schaffen, hat der Verein „housing first bozen EO“ in der Vintlerstraße 9 in Bozen ein Gebäude angemietet, in dem Menschen ohne Dach über dem Kopf auch im kommenden Winter einen sicheren Schlafplatz haben. Dutzende Freiwillige haben in den vergangenen Wochen das Haus ausgeräumt, geputzt, gemalt, eingerichtet und die Betten bezogen”, heißt es in einer Aussendung.

“Politik und Verwaltung haben es auch heuer wieder verabsäumt, für den Winter ausreichend menschenwürdige Schlafplätze bereitzustellen.” Es dürfe nicht sein, dass Jahr für Jahr von Notschlafstätten geredet werde ohne ein klares Konzept vorzulegen, sagen die Vereinsmitglieder. “In Bozen darf kein Mensch mehr erfrieren”, so der Verein. Das kleine Nachtquartier dormizil 2 ist im Stadtzentrum angesiedelt. Es öffnet am 17. Oktober anlässlich des Welttags zur Beseitigung der Armut seine Tore und bleibt bis 15. April 2023 jede Nacht geöffnet. Die obdachlosen Menschen können in Zwei-, Drei- und Vierbettzimmern schlafen. Das Nachtquartier wird von Freiwilligen in jeweils zweiköpfig besetzten Turnussen geführt. Sie schenken ein offenes Ohr und Begegnung auf Augenhöhe. Abends sperren sie dormizil 2 um 19.00 Uhr auf und stellen den obdachlosen Menschen Tee, Kekse und eine Mikrowelle zum Aufwärmen ihrer Speisen bereit. Ab 22.00 Uhr ist Nachtruhe. Am Morgen werden die Freiwilligen vom Frühstücksteam abgelöst, damit sie ihrer Arbeit nachgehen können. Die Bewohner und Bewohnerinnen können zwischen 7.30 und 8.00 Uhr frühstücken und verlassen das Haus spätestens um 8.30 Uhr.

Die Vereinsmitglieder von „housing first bozen EO“ Magdalena Amonn, Christian Anderlan, Verena von Aufschnaiter, Wolfgang Aumer, Sigrid Bracchetti, Birgit Bragagna Spornberger, Erich Innerbichler, Norbert Pescosta, Martina Schullian und Paul Tschigg wollen Wohnungs- und Obdachlosigkeit in der Landeshauptstadt nachhaltig bekämpfen, neue Lösungsansätze nach Südtirol bringen und die Gesellschaft zum herausfordernden Thema Obdachlosigkeit sensibilisieren.

Im vergangenen Winter haben 129 Freiwillige aus ganz Südtirol obdachlosen Menschen in Bozen fast sechs Monate lang ein warmes Bett im kalten Winter geschenkt. 35 wohnungs- und obdachlose Menschen haben dort gelebt. Manche waren vom ersten Öffnungstag an dort, andere haben Arbeit und Unterkunft gefunden und sind aus-, manche in andere Städte weitergezogen. Die Freiwilligen haben im dormizil insgesamt 183 Nacht- und Frühstücksdienste geleistet. 4.500 Nächtigungen wurden insgesamt gezählt. Viele Freiwillige haben sich bereiterklärt, auch heuer wieder mitzuarbeiten. Dennoch werden weitere Freiwillige gesucht. Sie können sich über volunteers@dormizil.org melden.

Die Führungskosten des Hauses werden ausschließlich durch Spenden finanziert. Die Vereinsmitglieder haben Spendenpakete für jede Dicke von Brieftasche geschnürt: So kosten Strukturerhalt und Frühstück für eine Übernachtung im dormizil neun Euro (Nachtpaket). Das Wochenpaket – 7 Nächste – ist um 63 Euro erhältlich. Ein Mietpaket – die Tagesmiete für das Gebäude – kostet 190 Euro. Wer die Strukturerhaltungskosten wie Heizung, Strom, Reinigung der Bettwäsche und Müll für einen Monat tragen möchte, ist eingeladen, das Wärmepaket um 495 Euro zu übernehmen. Auch jede andere Spende ist willkommen. Die Spendenpakete und Einzelspenden können über die Webseite www.dormizil.org abgewickelt werden. Einzahlungen sind per Banküberweisung, paypal oder Kreditkarte möglich. Wer Angehörigen, Freund*innen oder Mitarbeiter*innen ein Spendenpaket schenken möchte, bekommt vom Verein Spenden-Geschenkgutscheine zugemailt. Weitere Informationen: www.dormizil.org

Obdachlos und wohnungslos

Obdachlos zu sein bedeutet, gänzlich auf der Straße zu leben.

Wohnungslosigkeit – ungenügendes und ungesichertes Wohnen – betrifft alle Wohnformen, die keine rechtlich gesicherte langfristige Perspektive bieten: von Couch zu Couch, vorübergehend bei Freund*innen, in notdürftigen Unterkünften, Autos und Zelten. Wohnungslosigkeit hat viele Gesichter und schleicht sich zunehmend in die Mitte unserer Gesellschaft. Wohnungslose Menschen werden immer jünger, sind zum Teil gut gebildet und trotz Wohnungslosigkeit erwerbstätig. Wohnungslosigkeit trifft Männer, Frauen und Kinder.

Spenden

Verein housing first bozen EO, IBAN: IT22I0808111601000301004930, Raiffeisenkasse Bozen

Jede Spende ist willkommen, unabhängig von der Höhe der Spende. Spenderinnen und Spender sind eingeladen, Name, Wohnort, Steuernummer und Mailadresse anzugeben, damit der Verein die Spendenbestätigung per Mail zusenden kann.

Spendenpakete

Nachtpaket, neun Euro, eine Nacht für einen obdachlosen Menschen (Kosten für Strukturerhalt und Frühstück pro Bett und Nacht)

Wochenpaket, 63 Euro, sieben Nächte für einen obdachlosen Menschen (Kosten für Strukturerhalt und Frühstück pro Bett und Woche)

Mietpaket, 190 Euro, eine Tagesmiete für das gesamte Gebäude

Wärmepaket, 495 Euro, ein Monat Strukturerhalt (Kosten für alle in einem Monat anfallenden Kosten für Heizung, Strom, Wasser, Reinigung der Bettwäsche und Abfall)

Weitere Infos: www.dormizil.org

Bezirk: Bozen