Von: Ivd
Bozen – In einem Arbeitsmarkt, auf dem qualifizierte Fachkräfte ein knappes Gut sind, können zwei Aspekte über die Wettbewerbsfähigkeit einer Region entscheiden: zum einen ein bedarfsgerechtes Weiterbildungsangebot und zum anderen die Notwendigkeit, junge, ehrgeizige Arbeitskräfte anzuziehen und zu halten, wobei hier die gebotenen Karrieremöglichkeiten nicht zu unterschätzen sind.
Das gilt auch für Südtirol – die Umsetzung dieser Theorie in die Praxis ist aber nicht immer so einfach, wie heute der Arbeitspsychologe und AFI-Forscher Tobias Hölbling auf einer Pressekonferenz bei der Vorstellung des EWCS-Branchenberichtes aufzeigte.
Zwei Drittel der Südtiroler Arbeitnehmenden bilden sich weiter
Insgesamt betrachtet haben zwei Drittel der Arbeitnehmer in Südtirol in den zwölf Monaten vor der Befragung irgendeine Art von Weiterbildung absolviert: „Nur“ 34 Prozent der Befragten gaben an, keinerlei Weiterbildung gemacht zu haben. Von den 66 Prozent, die ein Aus- und Weiterbildungsangebot wahrgenommen haben, wurden 14 Prozent von externen Fachleuten geschult und 19 Prozent von Kollegen und Vorgesetzten am Arbeitsplatz. 33 Prozent hingegen kamen in den Genuss gleich beider Weiterbildungsarten.
Unterschiede zwischen den Branchen sind groß
Betrachtet man die einzelnen Branchen, so gibt es große Unterschiede im Ausmaß und in der Art der Weiterbildung, die von den jeweiligen Unternehmen und Organisationen angeboten worden ist.
Negativ stechen die Hotellerie und Gastronomie hervor: 54 Prozent der in dieser Branche Beschäftigten haben überhaupt keine Weiterbildung absolviert. Dieser hohe Wert, der wahrscheinlich auch durch die äußeren Umstände während des Befragungszeitraumes (noch während der laufenden Corona-Pandemie im Jahr 2021) beeinflusst ist, bestätigt dennoch dieses negative Merkmal für die Branche, welche selbst in „normalen“ Zeiten die niedrigsten Weiterbildungsquoten zu verzeichnen hatte (2015 hatten nur 38 Prozent der Mitarbeitenden an Weiterbildungen teilgenommen).
Die Branche Erziehung und Unterricht schneidet hingegen gut ab; hier haben nur 15 Prozent der Beschäftigten überhaupt keine Weiterbildung gemacht. Allgemein wird Weiterbildung im gesamten öffentlichen Sektor großgeschrieben, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass sie zu einem guten Teil verpflichtend ist.
Mehr Karrierechancen in der Privatwirtschaft
Der öffentliche Sektor punktet zwar bei der Weiterbildung, hat allerdings bei den Karrieremöglichkeiten noch Nachholbedarf. „Gerade dieser Aspekt ist allerdings bei der Anwerbung von jungem und motiviertem Personal mitentscheidend“, gibt Hölbling zu bedenken. Den Jobs im öffentlichen Bereich werden oft schlechte Aufstiegsmöglichkeiten nachgesagt: Nur etwas mehr als jeder vierte in der Branche Unterricht und Erziehung Beschäftigte (26 Prozent) ist der Meinung, dass Arbeitskräfte in den Kindergärten, Sozialarbeiter und Lehrpersonen sehr gute oder gute Aufstiegsmöglichkeiten haben, während 58 Prozent dies nicht oder überhaupt nicht so sehen. In der öffentlichen Verwaltung fallen die negativen Antworten zu den Karrieremöglichkeiten weniger dramatisch aus, aber auch hier geben 42 Prozent der Befragten an, wenig Aufstiegschancen zu haben.
In der Privatwirtschaft ist die Situation ganz anders: Im Baugewerbe beispielsweise sagen zwei von drei Beschäftigten, dass sie gute Karrierechancen haben. Das sehen auch 58 Prozent der Beschäftigten in der Hotellerie und Gastronomie sowie 52 Prozent der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe so.
Unterschiede in der Einschätzung der beruflichen Aufstiegschancen zeigen sich nicht nur aufgrund der Branchenzugehörigkeit, sondern auch aufgrund des Alters: „In den drei genannten Branchen sind die Arbeitnehmenden im Durchschnitt jünger und haben noch Ziele und Pläne, während das Durchschnittsalter im öffentlichen Sektor höher ist und daher viele der Befragten bereits den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht haben dürften“, so Hölbling abschließend.
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