Von: mk
Pfatten – In diesem Jahr erfolgt der Austrieb der Rebe im Gegensatz zum Frostjahr 2017 ohne Zwischenfälle und aktuell ist die Rebblüte in vollem Gange. Die Phase der Rebblüte ist entscheidend für den späteren Ertrag. Der Duft der Rebblüte gibt Weinbau-Experten aber immer noch Rätsel auf.
In diesen Tagen ist die Rebblüte in vollem Gange. Während im Vorjahr viele Rebanlagen von Spätfrösten betroffen waren, verlief der Austrieb und der weitere Vegetationsverlauf 2018 ohne größere Schwierigkeiten. „Der zeitliche Unterschied der Vollblüte zwischen den Anlagen in den unterschiedlichen Höhenlagen war dieses Jahr gering und die Blüte vollzog sich in den von uns erhobenen Rebanlagen ohne größere Wetterkapriolen“, berichtet Arno Schmid von der Arbeitsgruppe „Physiologie und Anbautechnik“ am Versuchszentrum Laimburg. „Während sich beim Apfel eine Tendenz zu einer immer früheren Vollblüte abzeichnet, ist dies bei der Rebe bei Betrachtung der letzten 13 Jahre nicht so deutlich auszumachen, und die Jahrgangsschwankungen lassen bislang keine eindeutigen Tendenzen erkennen“, erläutert der Experte.
Die Blütephase – unscheinbar aber entscheidend
Während die Blüte der Apfelbäume kaum zu übersehen ist, vollzieht sich die Rebblüte wesentlich unscheinbarer und die Blüten selbst sind nur bei näherer Betrachtung der Blütenstände zu sehen. Was genau geschieht eigentlich während der Rebblüte im Weinberg? Auf diese Frage weiß Barbara Raifer Antwort, die am Versuchszentrum Laimburg den Fachbereich Weinbau leitet: „Die Blütezeit ist eigentlich die entscheidende Phase, denn hier wird die Grundlage für die Erntemenge gelegt“, erläutert die Expertin. Im Frühjahr sind an den Trieben der Rebe rispenartige Blütenstände zu erkennen, die kleinen grünen Kugeln ähneln und als „Gescheine“ bezeichnet werden. Jedes Geschein besitzt eine große Anzahl an Blütenansätzen, aus denen dann einzelne Blüten entstehen. Jede Blüte ist anfänglich noch von einer Schutzkappe bedeckt, die zur Beginn der Blüte abfällt und infolgedessen Stempel und Staubgefäße freilegt. Dadurch wird die Befruchtung ermöglicht. Die europäische Kulturrebe ist zwittrig, besitzt damit sowohl männliche als auch weibliche Fortpflanzungsorgane und kann sich dadurch eigenständig und ohne jegliches Zutun von Insekten bestäuben. Die Befruchtung erfolgt, wenn der männliche Samen mit der weiblichen Eizelle im Fruchtknoten der Pflanze verschmilzt. Während sich aus befruchteten Blüten nach der Blüte Fruchtansätze entwickeln, verkümmern unbefruchtete Blüten und werden vom Stielgerüst abgestoßen. Je nach Rebsorte entwickeln sich zwischen 30 und 60 Prozent der Blüten, Experten sprechen hier von der sogenannten „Durchblührate“. Die Entwicklung des Gescheins ist dabei stark klimaabhängig: Höhere Temperaturen können die Entwicklung beschleunigen, durch Regen oder plötzliche Hitzestöße kann es aber auch dazu kommen, dass im Zuge der sogenannten „Verrieselung“ kleinere Blüten und Beeren abgestoßen werden. Folglich ist das Klima während der Blütephase entscheidend für den späteren Ertrag.
Das Geheimnis der Aromastoffe
Für Weinbau-Experten und aufmerksame Genießer hat die Rebblüte darüber hinaus einen besonderen Charme. Die beim Aufblühen freiwerdenden Pollen der Rebblüten verströmen Aromasubstanzen, wodurch die Rebanlagen zurzeit von einem angenehmen Duft durchzogen sind. Bei den Duftstoffen handelt es sich um flüchtige Terpene, wie sie auch in Zitrus- und Lavendelblüten vorkommen und in sehr ähnlicher Form auch in den Weinen zu finden sind. Generell sollen die Duftstoffe von Blüten dazu dienen, Insekten für die Befruchtung anzulocken. Da es sich bei Reben jedoch wie oben beschrieben um Selbstbefruchter handelt, ist unklar, warum sie zur Blüte überhaupt Aromastoffe verströmen. Rebblüten werden vorwiegend mit dem Pollen der eigenen Blüte befruchtet. Ein Teil der Rebblüten wird sogar schon vor dem Ablösen der Blütenhaube, der sogenannten Kalyptra, bestäubt, also zu einem Zeitpunkt, an dem für uns die Blüten noch nicht sichtbar sind. Nur ein kleiner Teil der Rebblüten wird durch Pollen von angrenzenden Reben, der mit dem Wind verfrachtet wird, befruchtet. Insekten braucht die Rebe für die Bestäubung also nicht. Nektar, also Nahrung für die Insekten, produzieren die Rebblüten auch nicht. Wozu dient dann der Duft? Weinbau-Expertin Barbara Raifer hält zwei Erklärungen für dieses Phänomen plausibel: Zum einen könnte es sich um eine Täuschungsstrategie handeln, um in der kritischen Phase der Blüte die Schädlinge abzuwehren. Ähnlich wie ein Falke, der über einer Rebanlage seine Kreise zieht und andere Vögel davon abhält in die Anlage einzufliegen und sich an den Trauben gütlich zu tun, könnten die Aromastoffe zur Blüte den Schadinsekten signalisieren: Achtung hier sind Nutzinsekten unterwegs, also mögliche Feinde! Zum anderen könnte es sich aber auch um ein Relikt aus der Entwicklung der Rebsorten handeln. Denn bei einigen Wildsorten, so auch bei Vitis Muscadinia, scheint Insektenbestäubung eine gewisse Rolle zu spielen.
Wenn man in diesen Tagen also im Freien unterwegs ist und einen zarten Duft wahrnimmt, dann schaut euch um, vielleicht blüht eine Rebe in eurer Nähe. Dann habt ihr die Gelegenheit die unscheinbare Rebblüte ganz aus der Nähe zu betrachten.
Das Versuchszentrum Laimburg
Das Versuchszentrum Laimburg ist die Forschungsinstitution für die Landwirtschaft und Lebensmittelqualität in Südtirol. Das Versuchszentrum Laimburg betreibt vor allem angewandte Forschung mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit der Südtiroler Landwirtschaft zu steigern und die Qualität landwirtschaftlicher Produkte zu sichern. Über 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten jährlich an etwa 350 Forschungs- und Versuchsprojekten aus allen Bereichen der Südtiroler Landwirtschaft, vom Obst- und Weinbau bis hin zu Berglandwirtschaft und Lebensmitteltechnologie. Das Versuchszentrum Laimburg wurde 1975 gegründet.