Von: mk
Bozen – Dem „Black Friday“ auszuweichen ist fast so unmöglich geworden wie Wölfe, die vor Schafen fliehen. Doch der Black Friday ist erfahrungsgemäß erst der Auftakt. Gerade die kommenden Wochenenden arten für viele Menschen in wahre Shopping-Exzesse aus. Mit Einkaufstüten vollbepackte Massen kaufen fast bis zum Umfallen. Ein Zustand der den Aktivisten und Künstler Ted Dave in Vancouver 1992 auf die Idee brachte, als Gegenveranstaltung den „Buy Nothing Day“, den Kauf-nix-Tag ins Leben zu rufen. Darauf weist der Verbraucherschutzverein Robin aus Margreid in einer Aussendung hin.
Einen Tag nichts kaufen?
Verschiebt man damit nicht einfach nur seine Einkäufe um 24 Stunden und dann wird weiter wie bisher konsumiert? Vielleicht. Doch zunächst einmal ist der „Kauf-nichts-Tag“ ein guter Anlass, das eigene Konsumverhalten bewusst zu hinterfragen – und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem es oft schwer ist, sich dem Konsumtrubel zu entziehen: kurz vor Weihnachten.
Hinter der Idee des „Kauf-nix-Tag“ verbirgt sich auch ein gesellschaftspolitischer Aspekt: Er will ein Zeichen gegen umweltschädliche, unmenschliche Herstellungsbedingungen setzen und auf den zerstörerischen Einfluss der Konsumgesellschaft aufmerksam machen. Denn: Wie gehen wir mit den Ressourcen der Erde um?
Das Gehirn verhandelt über das Kaufen
Wie können wir unser Gehirn vor scheinbar irrationalen Käufen abhalten? Wenn es nach den Neurowissenschaften und Perspective Daily geht, ist Kaufen weder eine rein emotionale noch eine rationale Entscheidung. Ob wir etwas kaufen oder nicht, verhandeln mehrere Bereiche unseres Gehirns. Im Belohnungszentrum wird der Wert eines Produkts abgeschätzt, die Inselrinde rechnet, welche Opfer wir für den Kauf bringen müssten. Die Entscheidung fällt dann im präfrontalen Cortex. Eine Kaufentscheidung wird umso wahrscheinlicher, je höher der Konsumwert für den Einzelnen ist. Zum Konsumwert zählen der funktionale Nutzen, der emotionale Wert, die Freude am Neuen, der soziale und der situative Wert. Wenn es gerade regnet, dann kaufe ich leichter einen neuen Regenschirm, obwohl zu Hause einige herumliegen. Den Konsumwert eines Produkts schätzt unser Gehirn oft unbewusst und reflexhaft ein. Neben den positiven Aspekten wägt es auch negative Punkte ab, etwa den finanziellen Verlust, den Preisschmerz, den der Kauf verursacht. Aber auch die Umweltbelastung, die von dem Produkt ausgeht, kann es unattraktiv für uns machen – sofern uns dieser Aspekt wichtig ist.
Unter Stress kann unser Gehirn nicht richtig arbeiten – das nutzen Unternehmen aus
Wenn wir konzentriert sind, wägen wir besser ab, ob wir etwas kaufen wollen oder nicht. Doch unser Gehirn lässt sich leicht aus dem Konzept bringen – und zu Handlungen verleiten, die wir eigentlich nicht geplant hatten. Die Musik beispielsweise, die wir in vielen Läden hören, bindet unbewusst unsere Verarbeitungskapazität. Ebenso beanspruchen Dekorationen oder besondere Warenpräsentationen unsere Aufmerksamkeit. Die Teile des Gehirns, die für die Impulskontrolle benötigt werden, sind dann durch die Verarbeitung dieser Reize so beansprucht, dass die eine oder andere Entscheidung durchrutscht. Die Kunden kaufen also etwas, was sie in einer ruhigeren, reizärmeren Umgebung vielleicht nicht gekauft hätten.
Auch Schnäppchen und Zeitdruck bringen uns aus der Ruhe. Wenn wir uns schnell entscheiden müssen, weil wir das Gefühl haben, sonst ein gutes Angebot zu verpassen, kann das unsere Entscheidung beeinflussen.
Fünf Tipps, um Kaufimpulsen zu widerstehen
1. Wenn-Dann-Regeln aufstellen
Eine grundlegende Strategie, die auch die Basis für alle folgenden Vorschläge sein kann, ist das Einführen von „Wenn-Dann-Regeln“ oder fachsprachlich „Implementationsintentionen“. So könnte man, wenn im Geschäft plötzlich ein nicht geplanter Kauf ansteht, einfach der Laden verlassen, oder wer online shoppt, einfach vom Internet aussteigen und sich ein Glas Wasser oder sonst was gönnen. Dieses Vorgehen lässt sich gut trainieren und ist eine wirksame Verhaltensintervention.
2. Einen zeitlichen Abstand zwischen Kaufimpuls und Entscheidung bringen
Die Zeit zwischen Impuls und Entscheidung hilft unserem Gehirn dabei, besser abzuwägen und sich nicht von zu vielen Reizen überlisten zu lassen. Früher nannte sich dies „Eine Nacht drüber schlafen“ bevor man einen Kauf oder einen Vertrag abschließt. Als Wenn-Dann-Regel könnten wir dies über einem bestimmten Wert anwenden, z.B. bei Werten von über 80 Euro.
3. Fragen stellen und dem Gehirn helfen
Eine Liste von Fragen kann dabei helfen, Zeit zu gewinnen und Vor- und Nachteile des Kaufes bewusst gegeneinander aufzuwiegen. Fragen könntest du zum Beispiel Folgendes: Brauche ich das? Habe ich das schon oder etwas sehr Ähnliches? Wie oft werde ich es benutzen? Wie lang wird es halten? Kann ich es auch ausleihen? Was mache ich damit, wenn ich es nicht mehr brauche? Wie und wo wurde es produziert? Wie lang wird es mich glücklich machen?
4. Preise langfristig im Auge behalten, nicht auf Preis- und Zeitdruck hereinfallen
Aktuell ist vieles, auch durch die Inflation beträchtlich teurer. Da ist es nachvollziehbar, dass Menschen nach günstigen Preisen Ausschau halten – und manchmal kann das durchaus sinnvoll sein. Doch nicht überall, wo Schnäppchen dransteht, ist auch wirklich eines drin. Aktionstage wie der Black Friday oder Schlussverkäufe verleiten uns dazu, unüberlegt zuzuschlagen.
Zeitlich begrenzte Aktionen hebeln bewusst die Strategie aus, Zeit zwischen Kaufimpuls und Entscheidung zu bringen. Es hilft deshalb, sich auf solche Tage bewusst vorzubereiten. Wer sich vorher überlegt, was genau er kaufen will (Einkaufsliste), kann etwa die langfristige Preisentwicklung im Auge behalten. Dabei helfen verschiedene Preisvergleichsportale. Es gibt auch Tools, womit sich Preisentwicklungen einzelner Produkte tracken lassen. Man könnte die Regel einführen, drei verschiedene Preise zu vergleichen, bevor man etwas kauft.
5. Bewusst machen: Wie viel Geld gebe ich hier aus?
Gerade bei Onlinekäufen oder wenn wir mit Karte bezahlen, ist der Wert des Geldes, das wir ausgeben, sehr abstrakt. Ein häufiger Tipp, um unüberlegte Ausgaben im Offlinehandel zu verhindern, lautet deshalb: Lieber mit Bargeld bezahlen.
Beim Online-Shopping klappt das allerdings nicht. Dann hilft ein anderer Trick: Sich bewusst machen, was die Ausgabe bedeutet, und das Geld zum Beispiel in Arbeitsstunden umrechnen. Das hilft unserem Hirn dabei, den Preis bewusster zu verarbeiten.
Die Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft zeigen aber auch: Wenn wir die Sache mit dem Einkaufen richtig angehen und unseren Kauf später nicht bereuen, kann ein gutes Schnäppchen auch richtig Spaß machen.