Von: luk
Bozen – In einer Umfrage ging der Wirtschaftsverband Handwerk und Dienstleister der Frage auf den Grund, welche Faktoren vor, während und nach der Lehre ausschlaggebend für eine erfolgreiche Ausbildung sind. Heute wurden die Ergebnisse im NOI Techpark präsentiert.
Die duale Ausbildung hat im deutschsprachigen Raum eine langjährige Tradition. Das praxisorientierte System stellt nach wie vor ein Erfolgsmodell dar, das theoretische Wissen mit praktischem Erproben bestens verbindet. „Durch den starken Einfluss der Digitalisierung verändert und modernisiert sich allerdings das Konzept Ausbildung und die einzelnen Berufsbilder“, erklärte lvh-Präsident Martin Haller in seiner Begrüßung. Entsprechend gelte es auf diese Veränderungen zu reagieren, aber auch auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Unternehmen und der Auszubildenden einzugehen. Eine kurze Einführung in die Ausbildungsbetriebe und deren Bedürfnisse gab der Schweizer Rémy Müller. Welches die Gelingesfaktoren aus der Sicht eines Ausbildungsleiters sind, stellte der Lichtensteiner Remo Kluser vor.
Sechs Hypothesen unter der Lupe
Im Rahmen des Erasmus+ Projektes „Gelingensfaktoren in der Berufsausbildung“ hat der lvh zusammen mit drei Partnern aus Österreich, Liechtenstein und der Schweiz eine Befragungsstudie ausgearbeitet. Ziel der Initiative war es, diese Erfolgsfaktoren grenzüberschreitend zu erörtern und die duale Ausbildung durch die Kooperation zu stärken. „Für das Projekt wurden je zwei Hypothesen für vor der Lehre, während der Lehre und nach der Lehre aufgestellt. Zielgruppe der Befragung waren Ausbildner, Jugendliche und Eltern. Ziel war es zu verstehen, ob die jeweiligen Thesen bestätigt oder widerlegt werden können“, erklärte Mirko Cutrì, Projektleiter der Befragung für Südtirol und Mitarbeiter im lvh.
Hypothese Nummer Eins stellte die Frage, ob die Anstellung einem strukturierten Selektionsprozess des Ausbildungsbetriebs folge. Diese These konnte laut Umfrageergebnissen mehrheitlich bestätigt werden. Großen Wert legen die Ausbildner auf ein persönliches Kennenlernen der Jugendlichen.
Die zweite These vor der Lehre, welche die Unterstützung bei der Auswahl von Lernenden betrifft, trifft in Südtirol nur teilweise zu. Nur ein Teil der befragten Unternehmen nehmen bei der Rekrutierung von Lehrlingen externe Hilfe in Form von Rekrutierungs-Profis in Anspruch, die eine Vorselektion für potentielle Kandidaten vornehmen.
Was die Hypothesen während der Lehre angeht, konnte folgendes festgestellt werden: Auch in Südtirol erhöht die Unterstützung in schulischen Belangen einerseits die Ausbildungsbereitschaft der KMU und lässt andererseits die Erfolgschancen der Jugendlichen steigen. So teilten einige Unternehmen mit, dass vor allem im Bereich Rechnen, Berufskunde aber auch Allgemeinbildung durchaus Unterstützung erforderlich sei. Die zweite These bezieht sich auf die notwendige Unterstützung einer externen Person, im Falle der Auflösung eines Lehrverhältnisses. Grundsätzlich hängt der Ausbildungserfolg eines Lehrlings von seiner Motivation und dem Lernwillen ab. Das Thema „Eingliederung von Lehrlingen in das Team“ ist bei den Unternehmen jedoch ein großes Anliegen. Insofern konnten auch die Hypothesen während der Lehre bestätigt werden.
Die zwei Hypothesen nach der Lehre betreffen die Schulung der Auftrittskompetenz und Kommunikation sowie das Interesse der Betriebe an einer Weiteranstellung. „Auch diese Thesen konnten beide bestätigt werden, da das Thema Ausbildung vom Großteil der Betriebe als Investition und als Maßnahme für den Fachkräftemangel gesehen wird“, unterstrich Cutrì.
Das Image der Lehre
Im Rahmen der Befragung wurden Eltern und Jugendlichen auch Fragen zum eigenen Orientierungsbedarf und zum Thema Berufsbildung und Zukunftsperspektiven in Südtirol gestellt. Ziel dieser Befragung war die Ermittlung von Faktoren, die die Ausbildungsauswahl nach der Mittelschule beeinflussen. „Dabei sollte bewertet werden, inwiefern eine praktische Ausbildung über den berufsbildenden Weg für Eltern und ihre Kinder in Frage kommt und welche Stärken und Interessen die Jugendlichen dabei mitbringen“, erklärte Verbandspräsident Martin Haller.
Interessant an den Ergebnissen der Studie ist vor allem die Tatsache, dass Eltern und Kinder dazu nicht immer eine einheitliche Meinung vertreten. Jugendliche scheinen zum Thema „praktisches Erlernen eines Berufes“ einen durchaus unbekümmerten Ansatz zu haben. Wo die berufsbildenden Ausbildungen immer noch das Nachsehen haben, ist in der Wahrnehmung ihrer wahren Wertigkeit und im Image.
Das Fazit des Verbandspräsidenten Haller zur Veranstaltung: „Wenn es uns gelingt, die Berufsbildung auch grenzüberschreitend zu stärken sowie die Betriebe bei der Einstellung und Ausbildung von Lehrlingen zu unterstützen, ist der Nutzen für alle groß: KMU erhalten Fachkräfte und Jugendliche eine vielversprechende Perspektive.“
Im Bild (von links): Ivo Müller, Ivan Schurte (Wirtschaftskammer Liechtenstein), Remy Müller (BildungsNetz Zug Schweiz), Mirko Cutrì (lvh), Constanze Hellmann (Die chance Agentur gGmbH Salzburg), Remo Kluser (Leiter Berufsausbildung bei der Hilti Aktiengesellschaft), Tina Widmann (Die chance Agentur gGmbH Salzburg) und Jean-Pierre Dällenbach