Von: mk
Bozen – Dank der Europäischen Union sind reisende Verbraucher gut geschützt: Passagiere, die in der EU mit Flugzeug, Zug, Bus und Schiff unterwegs sind, haben Rechte, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Ab 1. Juli 2018 werden zudem neue Rechte für Reisende eingeführt, die eine Pauschalreise buchen. Nichtsdestotrotz gibt es auch einige Schattenseiten und Verbraucher und Verbraucherschützer müssen sich mit immer neuen Stolpersteinen konfrontieren.
Das Europäische Verbraucherzentrum Italien – Büro Bozen hat heute seinen Reiseservice im Rahmen einer Pressekonferenz im Parkhotel Laurin in Bozen vorgestellt. „Die Rechte der Reisenden gehen, auch dank der Europäischen Union, niemals in Urlaub“, erklärt Walther Andreaus, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale (VZS), Trägerorganisation des EVZ. „Und dennoch braucht es fachkundige Informationen und eine konkrete Hilfe zur Durchsetzung der Rechte: Einen solchen Dienst bieten wir seit zwei Jahrzehnten; mittlerweile haben wir uns auf lokaler, aber auch auf nationaler Ebene als wahre Reiserechtsexperten etabliert“.
Monika Nardo ist Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) in Bozen und beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit Beschwerden im Bereich Tourismus und Reisen. „In den letzten Jahren wurden die Rechte der Reisenden in der EU gestärkt und unsere Statistiken bestätigen auch, dass die Verbraucher ihre Rechte immer besser kennen und geltend machen“, erklärt die Juristin. „Trotzdem gibt es immer wieder Fälle, die für Verbraucher nicht positiv gelöst werden, so zum Beispiel wenn ein Reisebüro in Konkurs geht“, erzählt die Beraterin aus ihrer Erfahrung. In diesen Fällen gibt es zwar eine obligatorische Versicherung, die alle Reisebüros und Veranstalter abschließen müssen, in der Praxis müssen Verbraucher aber allzu oft erfahren, dass die Dienstleister eine solche Pflichtversicherung nicht abgeschlossen hatten.
„Dies muss sich mit 1. Juli aber ändern“, erklärt Barbara Klotzner vom EVZ, wenn die neue europäische Regelung zu den Pauschalreisen in Kraft tritt. Reisebüros- und Veranstalter sind dann verpflichtet, Reisende durch ein standardisiertes Informationsblatt über die wesentlichen Inhalte des Pauschalreisevertrages aufzuklären. Diese Vorabinformationen müssen nun u.a. auch die Daten der obligatorischen Versicherung gegen Insolvenz und Konkurs enthalten. Die Pauschalreise-Richtlinie schützt in naher Zukunft auch Reisende, die zwar einzelne Buchungen durchführen, welche aber miteinander verbunden sind, so z.B. wenn man auf der Seite der Fluggesellschaft ein Ticket kauft und kurz danach dem Angebot der Fluggesellschaft folgt, und für die selbe Reise einen Mietwagen bucht“, erläutert die Reiseexpertin, denn vor allem durch die vermehrten Möglichkeiten, die das Internet bietet, stellten Verbraucher oft ihre Reise selbst zusammen.
„Nirgendwo anders auf der Welt gibt es für Reisende, die mit Flugzeug, Schiff, Zug oder Bus unterwegs sind so weitreichende Rechte wie in der EU“, weiß Milena Favretto und fährt fort: „Für die Insolvenz dieser Dienstleister gibt es aber noch keinen Schutz für Verbraucher. Letztere würden in solchen Fällen durch die Finger schauen, wie es bei den zahlreichen Insolvenzen europäischer Fluggesellschaften 2017 der Fall war. Deshalb kann es sich lohnen, touristischen Dienstleistungen mit Kreditkarte zu bezahlen: Einige Kreditkartenunternehmen erstatten in solchen Fällen den Preis durch ein sogenanntes Chargeback.“
Reklamationen rund um Flugverspätungen und -annullierungen sind solche, die die Beraterinnen im EVZ am meisten beschäftigen, auch weil die Verbraucher mittlerweile ihre Rechte besser kennen und diese geltend machen. Der Markt hat einerseits auf dieses Bewusstsein reagiert, aber v.a. auf das mühsame und langwierige Einfordern der eigenen Rechte. Im Zuge dessen sind sogenannte „claim agencies“ entstanden, also gewinnorientierte Agenturen, welche dem Passagier anbieten, in dessen Auftrag eine Entschädigung bei der Fluggesellschaft einzufordern; als Gegenleistung halten diese ca. 25% dieser Entschädigung ein. „Diesbezüglich möchten wir betonen, dass das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren diesen Dienst kostenlos bietet und es in der EU kostenlose Schlichtungsstellen für Passagierrechte gibt“, schließt Milena Favretto ab.
Auch Autoverleihfirmen bereiten Verbrauchern und dem EVZ viel Kopfzerbrechen. In diesem Bereich gibt es nämlich keine vereinheitlichte europäische Gesetzgebung zum Schutze der Verbraucher und Autoverleihfirmen haben großen Spielraum, ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen festzulegen. „In der Vergangenheit haben diese Firmen oft gar nicht auf die Reklamationen der Kunden reagiert“, berichtet Rebecca Berto vom EVZ. „Wir sind aber hartnäckig und inzwischen sind wir in der Lage, viele dieser Reklamationen positiv zu lösen“, fährt die Expertin fort, „auch dank außergerichtlicher Streitbeilegungsmechanismen. Einen guten Dienst bietet dazu die kostenlose Schlichtungsstelle Onlineschlichter.it.“