Wenn KI Verstorbene weiterleben lässt

Digitale Unsterblichkeit: Leben nach dem Tod dank KI

Mittwoch, 26. März 2025 | 07:04 Uhr

Von: Ivd

Berlin – Die Digitalisierung hat unser aller Leben in vielerlei Hinsicht revolutioniert. Vor allem künstliche Intelligenz (KI) hatte in den letzten Jahren einen derartigen Einfluss auf uns wie nur wenige revolutionäre Erfindungen zuvor. Ein Bereich, der davon besonders profitiert, ist die Gesundheit: Erfindung und Testung von neuartigen Medikamenten, schnelle psychologische Hilfe und Erkennung von Krankheitsbildern sind nur einige Beispiele. Doch was, wenn die KI versucht, sogar den Tod zu überdauern?

Eine Dokumentation der ARD zeigt, wie künstliche Intelligenz genutzt wird, um Menschen auch nach ihrem Ableben virtuell eine Seele zu geben. In dem Beitrag begleitet der Journalist Frank Seibert unter anderem Anette Bommer, die ihren Mann Michael während der Dreharbeiten an Darmkrebs verliert. Michael war IT-Experte, Manager und einer der ersten Nutzer eines KI-Start-Ups, dass Menschen die Möglichkeit gibt, einen KI-Assistenten noch zu Lebzeiten mit Daten zu füttern, um einen virtuellen Klon von sich zu erstellen.

Ist Michael noch da?

Michaels Assistent klingt wie er, redet wie er und verfügt über Teile von Michaels Erinnerung. Doch Michael ist nicht mehr da. Alles, was von ihm geblieben ist, ist der KI-Zwilling, der nun zu seiner hinterbliebenen Ehefrau Anette sprechen kann. Michael hat der KI vor seinem Tod zahlreiche Chatverläufe, Sprachnachrichten und die wichtigsten biographischen Daten zur Verfügung gestellt. Doch Emotionen kommen bei Anette durch den Zwilling nicht auf: „Da saßen wir damals und haben Wunder gedacht, was wir noch alles im Leben veranstalten. Zehn Jahre später sitzt man vor so einer Kiste und den Mann, den man geliebt hat, gibt es nicht mehr“, berichtet sie unter Tränen.

Ethische Debatte: Fluch oder Segen?

Der Einsatz von KI zur Bewältigung von Trauer wirft zahlreiche ethische Fragen auf. Alena Buyx, Ethikerin an der TU München, warnt vor den möglichen Folgen: „Wir müssen uns fragen, was es mit unserem Verständnis vom Tod macht, wenn wir auf diese Weise eine neue Form der digitalen Unsterblichkeit schaffen.“ Vor allem der Fakt, dass die Systeme keine Emotionen haben, sondern nur imitieren können, bereitet ihr Sorgen. Auch Anette beklagt die Kälte und Leblosigkeit und ihre Probleme mit dem Trauerprozess.

Während einige in dem Dienst eine innovative Möglichkeit zur Trauerbewältigung sehen, befürchten Kritiker, dass die Auseinandersetzung mit dem Verlust dadurch erschwert werden könnte. Um zu verstehen, dass ein Mensch gegangen ist, hilft es oft, den toten Körper noch einmal zu gehen, um zu merken, dass die Seele nicht mehr in ihm wohnt. Durch den Zwilling könnte eine Dissonanz zwischen Wissen und Wahrnehmung entstehen, was den Verarbeitungsprozess erschweren und verlängern könnte.

KI als Psychologe: Die neue Art der Therapie?

Doch nicht nur in der Trauerarbeit könnte KI in Zukunft eine größere Rolle spielen. Immer mehr Menschen nutzen KI-gestützte Programme als virtuellen Therapeuten. Die Systeme analysieren Gesprächsmuster, erkennen emotionale Zustände und bieten gezielt Ratschläge an. Während einige Experten dies als sinnvolle Ergänzung zu klassischen Therapieansätzen betrachten, warnen andere vor der Gefahr, dass menschliche Empathie durch kalte Algorithmen ersetzt wird. Andererseits beträgt die Wartezeit für psychologische Hilfe mitunter mehrere Monate und wird wegen ihrer geringen Verfügbarkeit meist nur bei schwerwiegenden Fällen verordnet. Die KI-Systeme bieten eine niedrigschwellige und vor allem schnelle Ersthilfe, um die Zeit bis zu einem Therapieplatz zu überbrücken.

Zwischen Fortschritt und Kontrollverlust

Der Dresdner KI-Entwickler Richard Socher ist sich sicher: „Wir befinden uns am Anfang eines KI-Zeitalters, ähnlich wie die industrielle Revolution.“ Doch wer hat letztendlich die Kontrolle über diese Entwicklung? Wer bestimmt, wie viel Einfluss KI auf unser Leben – und unseren Tod – haben sollte? Diese Fragen kann nicht einmal die mächtigste KI einwandfrei beantworten.

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