Die Dosis macht das Gift

Digitalstress: AFI diskutiert Lösungen für die „neue Volkskrankheit“

Mittwoch, 11. Dezember 2024 | 16:14 Uhr

Von: mk

Bozen – Ständige Erreichbarkeit, Reizüberflutung und digitale Abhängigkeit: Technostress wird zunehmend zu einem Problem sowohl im Beruf als auch im privaten Alltag und ist mittlerweile zu einer der Hauptursachen von Burnout geworden. In einem Webinar am 11. Dezember hat das AFI die Ursachen beleuchtet und Lösungsansätze aufgezeigt – mit führenden Experten und interaktiver Diskussion.

Nach einem ersten Webinar über den „Gemeinde-Mindestlohn“ hat das AFI | Arbeitsförderungsinstitut im Rahmen seiner Reihe „AFI im Dialog…“ heute ein weiteres Thema vertieft: „Digitalstress“. Konkret ging es darum, dieses noch relativ unbekannte Phänomen von mehreren Perspektiven zu beleuchten und mit wissenschaftlichen Daten zu untermauern.

Phänomen Digitalstress: Keiner kennt’s, jeder hat‘s

Beim sogenannten „Digitalstress“ – oder synonym auch „Technostress“ genannt – handelt es sich um ein noch relativ unerforschtes und wenig bekanntes Phänomen. Technostress bezeichnet den Stress, der durch den Umgang mit digitalen Technologien entsteht und zu Symptomen wie Überforderung, Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen und einem erhöhten Risiko für Burnout führen kann. Die Ursachen sind unter anderem ständige Erreichbarkeit, Informationsüberflutung, die schnelle Entwicklung neuer Technologien, Probleme mit deren Umgang und der Druck, andauernd online zu sein. Digitalstress entsteht auch durch die zunehmende Verwischung zwischen Berufs- und Privatleben: Oft können die neuen Technologien zu einer Ablenkung während der Arbeit, beispielsweise durch die private Nutzung von Sozialen Medien, oder zu einer Verwässerung der Freizeit, zum Beispiel durch die Beantwortung von beruflichen Mails außerhalb der Arbeitszeiten, führen.

AFI

Von diesem Problem sind mehr Menschen betroffen, als man zunächst annehmen würde. Das AFI hat zum Beispiel in seinem kürzlich erschienenen AFI-Barometer erhoben, dass 54 Prozent der Befragten die digitalen Technologien als eine Stressquelle empfinden (Summe der Antwortanteile „sehr“ und  „ziemlich“).

Die „Big Five“ des Technostress

Als erster Experte referierte Prof. Dr. Tim Weitzel der Otto-Friedrich-Universität Bamberg über Digitalstress am Arbeitsplatz und stellte seine Forschungsergebnisse vor.

Weitzel konnte in Verbindung mit den digitalen Technologien fünf große Stressfaktoren ausmachen, die sich negativ auf unsere Psyche, Leistungsfähigkeit und den Körper auswirken können: erstens die Überforderung durch eine höhere Arbeitslast und Geschwindigkeit, zweitens das Gefühl ständiger Erreichbarkeit und der Verwischung der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben, drittens eine wachsende Komplexität der Technologien, viertens die Angst vor Jobverlust durch technologischen Wandel und fünftens die Ungewissheit durch eine konstante Anpassung an neue Technologien. „Auch wenn die Auslöser von Technostress immer besser verstanden werden, bleiben Ansätze zur Vermeidung oder Verbesserung eine ernsthafte Herausforderung für Unternehmen, und viele gutgemeinte Maßnahmen verursachen sogar mehr Probleme als sie lösen“, mahnt Weitzel.

Digital bis ins Privatleben: Die Dosis macht das Gift

Manuel Oberkalmsteiner, Experte für die Themen Social Media und Digitalwelten von der Südtiroler Einrichtung Forum Prävention, beleuchtete die Auswirkungen der digitalen Technologien auf unser Privatleben. Die Kernbotschaft: Auch hier kann es durch die ausufernde Verwendung der Technologien zu einer Entwicklung von Technostress kommen. Vor allem die digitalen Medien bieten eine willkommene Ablenkung von Langeweile und negativen Gefühlen. Doch ihr übermäßiger Gebrauch kann andererseits auch wertvolle Zeit für Aktivitäten verdrängen, die essenziell für die psychische Gesundheit sind.

„Wir alle müssen einen bewussten Umgang mit digitalen Medien finden, da wir täglich einer Flut von Reizen, Ablenkungen und Informationen ausgesetzt sind. Die Herausforderung besteht darin, immer wieder innezuhalten und zu erkennen, was uns guttut und was uns belastet“, fordert Oberkalmsteiner. Bewegung, soziale Kontakte und erfüllende Tätigkeiten wie kreative Hobbys oder das Verfolgen persönlicher Ziele stärken das Wohlbefinden und fördern die mentale Balance. Umso wichtiger ist es, laut dem Experten, im Alltag bewusst Raum für diese Elemente zu schaffen und die Nutzung digitaler Medien achtsam zu gestalten.

„Wir haben bereits in der Herbstausgabe des AFI-Barometers gesehen, dass sich sehr viele von den digitalen Technologien gestresst fühlen. Heute haben wir dazu auch die Expertenmeinung erhalten, die vor allem unterstreicht, dass Technostress uns sowohl im Beruf als auch im Privatleben betreffen kann. Wir müssen mit dem Thema bewusster umgehen, denn nur so können wir von den Vorteilen der digitalen Arbeits- und Lebenswelt profitieren, ohne unsere Gesundheit zu gefährden“, erklärt AFI-Präsident Andreas Dorigoni.

Bezirk: Bozen

Kommentare

Aktuell sind 0 Kommentare vorhanden

Kommentare anzeigen