Reisende könnten um noch nicht begonnene Reisen umfallen

Drittgrößter Reisekonzern Europas FTI meldet Insolvenz an

Montag, 03. Juni 2024 | 17:46 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters

Der Reisekonzern FTI ist pleite. Die FTI Touristik GmbH, Dachgesellschaft der FTI Group des drittgrößten europäischen Reiseveranstalters, stellte am Montag beim Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, teilte das Unternehmen mit. Noch nicht begonnene Reisen würden voraussichtlich ab morgen, Dienstag (4. Juni), nicht mehr oder nur teilweise durchgeführt werden können. Die Insolvenz trifft auch 70 Mitarbeiter und tausende Kunden in Österreich.

In Österreich hat der Konzern eine Zweigniederlassung in Linz und ist mit rund 70 Mitarbeitern vertreten. “Generell betroffen sind alle bei dem Reiseanbieter FTI Touristik GmbH gebuchten Leistungen. Dies beinhaltet die Marken FTI in Deutschland, Österreich und den Niederlanden, die Marke 5vorFlug in Deutschland, die BigXtra GmbH, sowie die Mietfahrzeugs-Marken DriveFTI und Cars and Camper”, heißt es auf der FTI-Homepage. FTI zählt in Österreich zu den führenden Reiseveranstaltern.

Gregor Kadanka, Obmann des WKÖ-Fachverbandes der Reisebüros, sagte im Gespräch mit der APA, er schätze, dass es in Österreich letztlich “eine niedrige fünfstellige Zahl” an Kunden betroffen ist, also 10.000 Menschen aufwärts. Zusätzliches Pech sei, dass die Zahlungsunfähigkeit von FTI diesmal unmittelbar zu Beginn der Reisesaison gekommen sei, was die Zahl der Betroffenen erhöhen könnte.

“Derzeit wird mit Hochdruck daran gearbeitet, dass die bereits angetretenen Reisen auch planmäßig beendet werden können”, hieß es vom Unternehmen. Vom Insolvenzantrag unmittelbar betroffen ist den Angaben zufolge zunächst nur die Veranstaltermarke FTI Touristik. In der Folge würden aber auch für weitere Konzerngesellschaften entsprechende Anträge gestellt.

Eigentlich schien die Zukunft des Unternehmens gesichert, das in der Coronakrise insgesamt 595 Millionen Euro staatliche Hilfe aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) bekommen hatte. Ein Konsortium unter Führung des US-Finanzinvestor Certares wollte die FTI Group für einen Euro übernehmen und 125 Mio. Euro frisches Kapital in das Unternehmen stecken. Die Wettbewerbshüter mussten dem Deal noch zustimmen.

Den Angaben zufolge sind jedoch die Buchungszahlen zuletzt deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. “Hinzu kam, dass zahlreiche Lieferanten auf Vorkasse bestanden haben. In der Folge kam es zu einem erhöhten Liquiditätsbedarf, welcher bis zum Closing des Investorenprozesses nicht mehr überbrückt werden konnte”, teilte FTI mit. Dem “Handelsblatt” zufolge soll sich bei FTI kurzfristig eine Deckungslücke in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages aufgetan haben.

Der deutsche Bund habe nach Verhandlungen am Wochenende weitere Hilfen für das Unternehmen abgelehnt. Nach Angaben von Finanz- und Wirtschaftsministerium habe man keine Chance mehr gesehen, eine Insolvenz des Reisekonzerns FTI durch einen erneuten Bundeszuschuss abzuwehren. “Es gibt unterschiedliche Gründe, haushälterische, rechtliche und wirtschaftliche Gründe, weshalb hier keine weiteren Hilfen über die sehr vielen großen Hilfen hinaus erfolgten”, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums. Man habe sich konstruktiv und offen an den Gesprächen beteiligt. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums verwies darauf, dass man am Ende zu diesem Urteil gekommen sei.

In Berliner Regierungskreisen wurde zugleich dementiert, dass es sich am Ende nur um einen zweistelligen Millionenbetrag gehandelt habe, den der Bund hätte aufbringen müssen. Der Bund habe an FTI bereits insgesamt 595 Millionen Euro vor allem aus dem Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds (WSF) gezahlt. “Es muss davon ausgegangen werden, dass nur geringe Rückflüsse aus den offenen Forderungen zu erwarten sind”, sagte der Sprecher des Wirtschaftsministeriums.

Jetzt ist der 2021 gestartete Deutsche Reisesicherungsfonds am Zug. Dieser habe zugesagt, keine Pauschalurlauber in Zielgebieten, die von der FTI-Insolvenz betroffen sind, im Regen stehenzulassen. Falls erforderlich, leisteten die Auslandsvertretungen selbstverständlich bei Bedarf konsularische Unterstützung, damit eine sichere Rückreise der Betroffenen möglich sei. Der Krisenstab komme am Nachmittag zusammen und erörtere, was die nächsten Schritte sein könnten.

Der von der deutschen Touristikwirtschaft organisierte und vom deutschen Justizministerium beaufsichtigte Fonds war nach der Insolvenz des Reisekonzerns Thomas Cook im September 2019 gegründet worden. Die Versicherung hatte damals wegen einer Haftungsbeschränkung nur einen Bruchteil der Kosten ersetzt, der Staat sprang mit Millionen ein.

Die Deutsche Reisesicherungsfonds GmbH greift auch bei Kundinnen und Kunden aus Österreich. Der Konsumentenschutz der Arbeiterkammer Oberösterreich hat allerdings in Erfahrung gebracht, dass für Buchungen bei FTI Österreich eine andere Insolvenzabsicherung gilt, nämlich jene bei der Swiss Re International SE Niederlassung Deutschland. Welche Absicherung greift, finden Betroffene in ihren Reiseunterlagen. Für Kunden, die bei FTI keine Pauschalreise, sondern nur eine individuelle Reiseleistung, also etwa nur ein Hotel oder nur einen Mietwagen gebucht haben, gilt der Insolvenzschutz nicht, wie VKI-Juristin Petra Leupold auf APA-Anfrage erklärte.

Vom Amtsgericht München wurde noch Montagnachmittag eine vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Damit solle das Schuldnervermögen vor nachteiligen Veränderungen geschützt werden. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte es den Münchner Rechtsanwalt Axel Bierbach.

Die FTI Group mit etwa 11.000 Beschäftigten war in der Pandemie, die die Branche in eine schwere Krise stürzte, in Bedrängnis geraten. Zuletzt sah sich der nach TUI und DER Touristik drittgrößte europäische Reisekonzern dank gestiegener Nachfrage wieder auf Kurs. Im vergangenen Geschäftsjahr 2022/23 verzeichnete das Unternehmen ein Umsatzplus von 10 Prozent auf 4,1 Mrd. Euro und erwirtschaftete einen Ertrag in zweistelliger Millionenhöhe. Nähere Details zum Ergebnis machte das Unternehmen nicht. Hauptgesellschafter war zuletzt die ägyptische Investoren-Familie Sawiris.