Von: mk
Bozen – Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat Südtirol am 5. März zum Coronavirus-Risikogebiet erklärt. Der Präsident des Instituts Lothar Wieler begründete dies mit „der Anzahl der Infektionen und der Dynamik der Ausbreitung des Coronavirus in der norditalienischen Region“. Entscheidend für die neue Bewertung sei auch, „wie viele Infektionen aus dem Risikogebiet in andere Länder getragen worden seien“. „Diese Einstufung Südtirols als Risikogebiet entbehrt jeglicher Grundlage, wir fordern eine Neubewertung und haben bereits in diesem Sinne beim RKI interveniert“, informiert der Präsident der Handelskammer Bozen Michl Ebner.
Südtirol sei nicht mit Norditalien gleichzusetzen, es bedürfe einer geographischen Präzisierung. Die nördlichste Provinz Italiens ist von den roten Zonen in der Lombardei und im Veneto weit entfernt. Darüber hinaus zählt auch Italien Südtirol nicht zur roten Zone.
Südtirol hatte zum Zeitpunkt der Einstufung als Risikogebiet nur einen bestätigten Coronavirus-Fall, so die Angaben des Südtiroler Sanitätsbetriebs. Heute am 7. März gibt es neun Verdachtsfälle, wobei die bestätigenden Tests noch ausstehen. Wenn die Anzahl der Infektionen für das Robert-Koch-Institut ausschlaggebend ist, müsste dieses momentan Halb-Deutschland als Risikogebiet einstufen. Heute, am Samstag, den 7. März meldet das Robert-Koch-Institut 640 bestätigte Fälle in der Bundesrepublik. Die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung wird in Deutschland vom Institut jedoch nur als mäßig eingeschätzt.
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Infektionen nicht von Südtirol aus nach Deutschland getragen wurden, sondern die Personen sich bereits in Deutschland angesteckt haben, vor allem in NordRheinWestfalen, wo es derzeit mit 346 Fällen die meisten Infizierten gibt (Datenstand: 7.3.2020, 8.00 Uhr). Stark betroffen sind auch Baden-Württemberg mit 116 und Bayern mit 117 Fällen.
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler hat selbst in seiner Pressekonferenz am Donnerstag, den 5. März bestätigt, dass die meisten Coronavirus-Infektionen auf eine Ansteckung in Deutschland zurückzuführen sind.
Unverantwortlich sei es auch, dass das Auswärtige Amt aufgrund eines einzigen bestätigten Coronavirus-Falls in Südtirol eine Reisewarnung ausgesprochen hat. Gesundheit sei das wichtigste Gut im Leben, aber nichts desto trotz müsse eine bestimmte Verhältnismäßigkeit gegeben sein und dies sei im Falle der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts und des Auswärtigen Amtes nicht der Fall.
„Die Einstufung als Risikogebiet ist vor allem aufgrund der psychologischen Faktoren ein schwerer Schlag für die Südtiroler Wirtschaft. Wenn das Vertrauen unserer deutschen Gäste verloren geht, müssen Hotels schließen und es werden Menschen ihre Arbeit und ihr Einkommen verlieren. Betroffen sind auch der Handel, die Bauwirtschaft und die Landwirtschaft. Gemeinsam müssen wir an die Verantwortlichen in Deutschland appellieren, um eine Neubewertung der Situation in Südtirol zu erreichen“, ist Handelskammerpräsident Michl Ebner überzeugt.
Seit der Einstufung als Risikogebiet verzeichnet Südtirol täglich massenhaft Abreisen und Stornierungen deutscher Gäste. In München wurden gestern sogar in Schulen Selektionen durchgeführt, wobei jene Schülerinnen und Schüler, die einen Urlaub in Südtirol verbracht hatten, der Schule verwiesen wurden. „Dies ist unnütze Hysterie“, bringt es Ebner auf den Punkt.
Nicht vergessen werden darf, dass der erste Coronavirusfall Euopas im Jänner 2020 in Deutschland aufgetreten ist. Ein diesbezüglicher Brief der deutschen Ärzte, die den Fall entdeckt haben, wurde im New England Journal of Medicine veröffentlicht, berichtete gestern der Corriere della Sera in seiner Ausgabe vom 6. März 2020. „Sonderbar, dass die deutschen Ärzte nicht in Deutschland ihre Erkenntnisse veröffentlicht haben, sondern in Großbritannien. Dies erinnert an den leider verstorbenen chinesischen Arzt, der das Coronavirus in China entdeckt hatte“, heißt es vonseiten der Handelskammer.