Von: apa
Ein massiver, unbearbeiteter Granitblock aus dem Steinbruch des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen auf dem “Hitler-Balkon”: Einer von drei künstlerischen Entwürfen für ein fiktives Denkmal auf dem Altan der Neuen Hofburg, auf dem Adolf Hitler am 15. März 1938 seine “Anschlussrede” gehalten hat. Das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) will im Gedenkjahr “80 Jahre Zweite Republik” Diskussionsanstöße liefern, wie man mit solch belasteten Orten umgehen könnte.
Die Begeisterung, die am Heldenplatz während der Ansprache des Diktators herrschte, und die Radikalisierung gegenüber jüdischen Mitbürgern wurde nach 1945 verdrängt, erinnerte hdgö-Direktorin Monika Sommer am Dienstag bei einem Medientermin: “Der Balkon wurde zugesperrt, er ist zumindest von außen unkommentiert.” Dass der Staatsvertrag am 15. Mai 1955 nicht in der Hofburg, sondern im Belvedere unterzeichnet und er von Leopold Figl dort auf einem Balkon präsentiert wurde, habe die andere Balkonszene überlagert. Der Altan blieb unverändert – “und damit von allen politischen Seiten vereinnehmbar” (Sommer) – und ein unzugänglicher, symbolisch aufgeladener Ort.
Glasdecke gegen Selbsterhöhung
In Kooperation mit der Kunstuniversität Linz wurden Künstlerinnen und Künstler eingeladen, die Leerstelle am Altan aufzugreifen. Drei Modelle von Entwürfen sind nun bis 23. November im Foyer des hdgö ausgestellt. Ganz bewusst waren die Arbeiten nicht durch Budget, Statik oder Denkmalschutz eingeschränkt. Sie sollen zur Auseinandersetzung bewegen, neue Impulse für den Umgang mit diesem Ort anregen und frische Perspektiven auf Erinnerungskultur im öffentlichen Raum eröffnen.
Die Entwürfe unterscheiden sich grundlegend im Material und im künstlerischen Ansatz. Ramesch Daha, Fabian Antosch und Philipp Oberthaler schlagen mit “Altan, verdacht” eine räumliche Intervention vor: Eine gläserne Decke, in 80 Zentimeter Höhe eingezogen, versperrt die Möglichkeit, den Ort als Bühne der Macht und Selbsterhöhung zu nützen.
“Und tschüss” für den Altan
Das Modell von Gabriele Edlbauer trägt den Titel “Good Riddance”, laut Karin Harrasser, Professorin der Kunstuniversität Linz, am besten mit “Und tschüss” zu übersetzen. Es sieht vor, den Altan ins Innere der Hofburg zu kehren. “Er wird damit nicht zum Verschwinden gebracht, sondern musealisiert”, erklärte Harrasser. Das Alma Rosé Plateau würde durch die Verdrehung auf den Heldenplatz geschoben und als Ort des Andenkens an die im KZ umgekommene aus Wien stammende jüdische Geigerin fungieren.
Die rohe Steinmasse in Franz Wassermanns Idee “Mahnwache” verkörpert die Politik des Todes des Nationalsozialismus: die Ermordeten und Geschundenen des Lagersystems. Der Block vertritt “die bald nicht mehr unter uns befindlichen Zeitzeugen”, so die Professorin.
Das hdgö beschäftigt sich seit seiner Gründung intensiv mit der Geschichte und Gegenwart des Altans – unter anderem in Form von digitalen Ausstellungen, interaktiven Vermittlungsformaten und Debatten zur staatlichen Geschichtspolitik. “Wir sind überzeugt, dass es in einer Zeit, in der Demokratien immer mehr unter Beschuss geraten, ein Zeichen braucht”, sagte Sommer.
(S E R V I C E – “Denkmal 1945/2025: Künstlerische Entwürfe für die Zweite Republik” im hdgö, Neue Hofburg, Wien 1, Heldenplatz, 22.4. bis 23.11., Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr; https://hdgoe.at)
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