Von: mk
Bozen – Am Freitag fand im medizinischen Ausbildungszentrum Claudiana in Bozen die zehnte Ausgabe des Südstern Health and Science Forums Südtirol statt. Dabei handelt es sich um ein renommiertes Event, welches vom Planeten Medizin innerhalb des Netzwerkes Südstern organisiert wird. Im Rahmen von acht verschiedenen Vorträgen zu unterschiedlichsten Themen brachten Expertinnen und Experten ihre Kollegen in wichtigen Teilbereichen der modernen Medizin und Naturwissenschaften auf den neuesten Stand, präsentierten aber auch völlig neue Theorien.
Das Südstern Health and Science Forum Südtirol bringt erfolgreiche Südtiroler Mediziner im Ausland mit in Südtirol tätigen Medizinern und Naturwissenschaftlern zusammen. Hierbei berichten Expertinnen und Experten über ihren Karriereweg, über ihre aktuellen Projekte und entwickeln dann einen regen Meinungsaustausch mit den Zuhörerinnen und Zuhörern, um eine erfolgreiche Gesundheitsversorgung sowie die Schaffung einer Forschungslandschaft und eines attraktiven Medizin-Standortes in Südtirol zu fördern. Auch am vergangenen Freitag fand das Netzwerk-Treffen in der Claudiana von Bozen großen Zuspruch. Geleitet und moderiert wurde sie von Sebastian Reinstalder, dem 2. stellvertretenden Klinikdirektor der Abteilung für Kardiologie an der Medizinischen Universtität Innsbruck.
Im Rahmen der vierstündigen Tagung versammelten sich Ärzte, Naturwissenschaftler, aber auch Studentinnen und Studenten der Claudiana im Auditorium A der medizinischen Fakultät von Bozen. Die acht verschiedenen Vorträge beinhalteten unterschiedlichste Themen wie etwa Möglichkeiten der minimal-invasiven Herzchirurgie oder einen Projektbericht der Apfeltherapie bei Birkenpollenalergie und oralem Allergiesyndrom. Nach Grußworten von Vertretern der Politik und der Sanitätsspitze, unter anderem Landesrat Hubert Messner und Generaldirektor Christian Kofler, machte Clemens Dlaska von der Medizinischen Universität in Innsbruck zu einem brandaktuellen und heiß diskutierten Thema den Anfang: eine einfache Erklärung zur künstlichen Intelligenz und ihrem Potential für die Medizin.
„Die künstliche Intelligenz kann und wird für die Medizin eine wichtige Rolle spielen. Sie wird irgendwann menschenmögliche Probleme schneller lösen können und auch Aufgaben bewältigen, die Menschen nicht lösen können“, ist Dlaska überzeugt und fügte hinzu: „Diese Technologie hat großes Potential als Unterstützung bei medizinischen Entscheidungen und bei der Diagnostik, noch gibt es aber viele Herausforderungen und Hürden zu bewältigen.“
Warum Biodiversität die Lebensqualität steigert
Es folgte ein Vortrag der Präsidentin der Freien Universität Bozen Ulrike Tappeiner vom Institut für Ökologie, über Biodiversität und ihrer Bedeutung für die Menschheit. „Die Welt bewegt sich dem sechsten großen Massenaussterben entgegen und Schuld ist der Mensch, da wir durch Landnutzung, Übernutzung, invasive Arten, Umweltverschmutzung und den Klimawandel derzeit einen großen Verlust an biologischer Vielfalt bewirken. Dabei ist Biodiversität entscheidet für unsere Lebensqualität, Artenvielfalt und eine Vielfalt an Ökosystemen auf der Welt wirken sich auch positiv auf unser Leben aus“, warnte Tappeiner das aufmerksame Publikum in der Claudiana.
In der Folge ging es zurück zur Medizin mit dem Vortrag „Möglichkeiten der minimal invasiven Herzchirurgie“ von Markus Kofler, einem Thorax- und Gefäßchirurg aus Lana, der am renommierten Deutschen Herzzentrum der Charitè Berlin, eine der besten Kliniken der Welt, tätig ist. „Mittlerweile führen wir 80 Prozent der Herzoperationen minimal invasiv aus, Tendenz steigend. Diese Vorgehensweise ist beliebter bei Patienten und hat viele Vorteile, vor allem in puncto Wundheilung, Ästhetik und einer schnelleren Rehabilitation.“ Seinen Vortrag unterstütze Kofler auch mit beeindruckenden Aufnahmen von Operationen an den Mitral- und den Aortaklappen.
Beim vierten Vortrag waren dann die Gastgeber an der Reihe, als Horand Meier vom Assessorat für Gesundheit der Autonomen Provinz Südtirol und Klaus Eisendle, Präsident des universitären Ausbildungszentrums für Gesundheitsberufe Claudiana die Vorteile und Notwendigkeit des Medizinstudiums in Südtirol an der Claudiuana detailliert vorstellten. Durch die bevorstehende Pensionierung der Babyboomer und der steigenden Lebenserwartung kommt es in den nächsten zehn bis 15 Jahren zu einer starken Zunahme der älteren Bevölkerung, welche deutlich mehr medizinische Personalressourcen benötigen wird. Durch die direkte Ausbildung in Südtirol kann die medizinische Qualität gesteigert und der steigende Bedarf abgefedert werden.
Von Herzmuskelentzündungen, Blasenkarzinomen, Allergie-Therapien und der Notwenigkeit einer neuen Einstufungs-Variante in der Ersten Hilfe
Nach einer knapp halbstündigen Pause folgte der Vortrag von der Bio-Medizinerin Giada Catellan vom Eurac-Insitut. Mit einem „Science Slam“ – einem wissenschaftlichen Vortrag der etwas humorvolleren Art und Weise – präsentierte sie die Fortschritte ihres Projekts zu iPSC (induzierte pluripotente Stammzellen) bei ARCV (Arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy). „Ein bestimmter Teil des Blutes wird mit einer elektronischen Ladung und mit unterschiedlichen Chemikalien kombiniert und dadurch zu einer beliebigen Art von Körperzellen“, erklärte sie. „Diese Stemmy, wie wir sie nennen, haben dadurch großes Potential in der Medizin und wir konzentrieren uns auf die Behandlung von Herzmuskelerkrankungen, die besonders unter Stress entstehen können.“
Beim sechsten Vortrag wurde die personalisierte Behandlung des Blasenkarzinoms unter die Lupe genommen, präsentiert von Renate Pichler, der leitenden Urologin von der Medizinischen Universität von Innsbruck. „70 bis 75 Prozent der Blasenkarzinome sind bei ihrer Entdeckung nicht-muskelinvasiv, 20 bis 25 Prozent sind muskelinvasiv und 5 bis 10 Prozent sind schon metastatisch. Das Blasenkarzinom zählt dabei zu den gefährlichsten Krebsarten, ähnlich wie beispielweise der Bauchspeicheldrüsenkrebs“, erklärte die Ärztin. „Mit der individuellen Behandlung können wir die Lebenserwartung eines jeden Patienten steigern, insbesondere der metastatischen Art, wo man die Lebenserwartung fast verdreifachen kann.“
Bettina Nothegger-Müller von der Allergieambulanz der Universitätsklinik Innsbruck und Stipendiatin des Südtiroler Bauernbundes und des Apfelkonsortiums stellte die erfolgreichen Ergebnisse der klinischen Studien zur Apfeltherapie bei Birkenpollenallergie und oralem Allergiesyndrom vor. Die Idee zum EU Interreg Projekt stammte von Klaus Eisendle, es wurde in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Laimburg, dem Institut für Organische Chemie Innsbruck und der Dermatologie Innsbruck und Bozen durchgeführt. „Die Birkenpollenallergie betrifft zahlreiche Menschen und wird oft von Kreuzallergien zu verschiedenen Früchten begleitet, vor allem zum Apfel. Die Apfeltherapie führt zu einer Toleranzentwicklung, Äpfel und anderes Obst werden wieder Vertragen. Zudem ist die Apfeltherapie bei der Birkenpollenallergie gleich gut wirksam wie die orale Desensibilisierungstherapie mit Tabletten. Man beginnt mit einer kleinen Menge einer hypoallergenen Apfelsorte und steigert dann langsam den regelmäßigen Konsum. „Wir hoffen durch diese Therapie vielen Menschen helfen zu können“, so Nothegger-Müller.
Zum Abschluss des Tages sprach Arian Zaboli ein besonders brisantes Thema an. Der Wissenschaftler vom Südtiroler Sanitätsbetrieb entwickelte mit Kollegen das TFC („triage frailty and comorbidity“), ein neues Einstufungs-Tool für die Erkennung von Notfällen in der Ersten Hilfe. „Nicht nur hier bei uns in Südtirol, sondern weltweit sorgen längere Wartezeiten in der Ersten Hilfe für Unmut. Das hat sich vor allem seit der Covid-19-Pandemie verstärkt, viele Menschen suchen bei Nicht-Notfällen die Erste Hilfe auf“, erklärte Zaboli. „Beim TFC wird die Wichtigkeit der nicht-dringenden Patienten je nach Alter, Vorerkrankungen und der Diagnose mit bestimmten Faktoren neu eingeschätzt und so erhalten wir einen weiteren Wert, wo man jene Patienten herausfiltert, die am gefährdetsten sind. Wir sind zwar noch in der Entwicklung, sind aber überzeugt, dass dieses Tool die Diagnostik in der Ersten Hilfe verbessern kann“, sagte der Forscher und schloss mit seinem Vortrag das 10. Südstern Health and Science Forum Südtirol ab.
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