Neue Einblicke in die Mensch-Computer-Interaktion

Erster Online-PhD-Abschluss an der unibz

Freitag, 03. April 2020 | 21:44 Uhr

Von: bba

Bozen – In Zeiten von #Covid19 geht ein Digitalisierungsruck durch alle Universitäten: nach Vorlesungen, Abschlüssen der Bachelor- und Masterprogammen organisiert die unibz nun auch ihre erste Doktorats-Abschlussprüfung online. Ludovik Coba wird als erster PhD-Absolvent der Fakultät für Informatik seine Arbeit online diskutieren – er selbst wird am Montag in Albanien sitzen, seine Prüfer in Bozen, Eindhoven und Madrid, seine teilnehmenden Freunde in Finnland und den Niederlanden.

Auch für den wissenschaftlichen Betreuer von Ludovik Coba, Prof. Markus Zanker, stellt diese Form des Abschlusses ein Novum dar: „Ich habe Ludovik in den vergangenen drei Jahren bei seiner Arbeit über Recommender Systems, also Empfehlungssysteme wie wir sie alle von elektronischen Buchungsplattformen und Online-Händlern mittlerweile kennen, betreut, und idealerweise erfolgt eine Abschlussdiskussion mit Freunden und Familie gemeinsam an der Heimuniversität. Aber auch wir stellen uns in diesen Corona-Zeiten um, damit unsere Studierende ohne Zeitverzögerung ins Arbeitsleben einsteigen können.“

Der 32-jährige Doktorand hat in seinem Studium den Fokus auf die Wirkung von Vorschlägen und Bewertungen auf die Entscheidungsprozesse der Nutzer gelegt und untersucht, wie die Vorschläge dieser Systeme besser erklärt und verstanden werden können (Originaltitel: Ratings in Recommender Systems: Decision Biases and Explainability). Das heißt, wie erhalten Nutzer mehr Klarheit darüber, wie solche Empfehlungen zustande kommen? Empfehlungssysteme bauen auf Techniken der künstlichen Intelligenz, die das Verhalten der Nutzer in der Vergangenheit analysieren um darauf aufbauend Vorhersagen über ihre Interessen treffen. Demzufolge werden dem Nutzer verschiedene Produkte oder Dienstleistungen vorgeschlagen, die ihnen zusätzlich gefallen könnten. Als Nutzer akzeptieren wir dann zumeist Vorschläge für ein Produkt, wenn eine bestimmte Anzahl an Bewertungen vorliegt und das Durchschnittsrating keine großen Ausreißer anzeigt.

In den letzten zwei Jahrzehnten wurden Empfehlungssysteme deutlich verbessert, doch eher mit Blick auf den Verkäufer als den Käufer. Coba hingegen ist tiefer in die Wahrnehmung der Bewertungen mit Blick auf den Nutzer eingedrungen. „Wir haben einen neuen Algorithmus entwickelt und erläutern dabei, wie Empfehlungen zustande kommen. In einem zweiten Schritt messen wir die Auswirkungen der angezeigten Ratings einer Empfehlung auf den Nutzer/Entscheider. Gelungen ist uns dies, indem wir das Marktanalyse-Instrument „conjoint analysis“ verwendet haben. Dabei habe ich mich auf jene Menschen konzentriert, die fast obsessiv stets nach der allerbesten Option für sich suchen. Demgegenüber stehen so genannte “satisfiers”, also Menschen, die nach einer “guten“ Lösung ihres Problems suchen. Dafür habe ich mit einer Kohorte von 300+ Teilnehmern gearbeitet (Freunde, Kollegen und Studierende der unibz), bei denen wir zum Teil ein Tracking der Augenbewegungen vornahmen. Diese zwei Gruppen (beste Lösung versus gute Lösung) zeigten verschiedene Befindlichkeiten und wandten verschiedene Entscheidungsstrategien an. Hinzu kam ein Experiment mit Kollegen der TU Delft mit wiederum 300+ Teilnehmern, bei denen auf einer ad hoc Plattform ein Empfehlungssysteme für Filme kreiert wurde. Bei beiden Experimenten zeigte sich, dass, obwohl die Teilnehmer andere Suchinstrumente zur Verfügung hatten, die Empfehlungssysteme diesen Maximierungseffekt nivellierten.“

Die Ergebnisse seiner Doktorarbeit sollen idealerweise anderen Forschern dazu dienen, noch tiefer in die Mensch-Computer-Interaktion einzutauchen, da Coba neue interdisziplinäre Experimente und Algorithmen angewandt hat. Auch für die Industrie könnten die Ergebnisse für Anwendungen interessant sein, um nachvollziehbare Empfehlungssysteme aufzubauen gemäß dem Recht jedes einzelnen, informiert zu werden (Right to be Informed in the General Data Protection Regulation – GDPR). „Meine Anwendung könnte auch dazu dienen, eine adaptive Benutzeroberfläche aufzubauen, die den Benutzern hilft, mit dem Stress einer zu großen Auswahl fertig zu werden“, so Ludovik Coba. Seiner Begeisterung für die Wissenschaft folgend arbeitet Coba derzeit in Bozen an der Fakultät für Informatik der Freien Universität Bozen als Forschungsassistent (AR).

 

Bezirk: Bozen