Von: luk
Bozen – Aktuell leben 47.046 anerkannte Zivilinvaliden in Südtirol. Das sind 433 Personen mehr als im Vorjahr, bei denen eine allgemeine Arbeitsunfähigkeit von mindestens einem Drittel festgestellt wurde. Angesichts der 533.439 Einwohner in Südtirol macht das beinahe ein Zehntel der Gesamtbevölkerung aus. In einer aktuellen Statistik zeigt die Vereinigung der Zivilinvaliden (ANMIC Südtirol) die derzeitige Anzahl und Entwicklung der Südtiroler Zivilinvaliden.
„Wie jedes Jahr haben wir auch heuer einen Datenvergleich zum Vorjahr durchgeführt. Die vom Amt für Rechtsmedizin sowie Prävention, Gesundheitsförderung und öffentliche Gesundheit übermittelten Daten zeigen, wie vielen Personen welcher Invaliditätsgrad zuerkannt wurde und wie sich dieser im Jahresvergleich verändert hat. Die Statistik hilft den verschiedenen Interessensvertretungen und öffentlichen Institutionen die Gesamtsituation zu erkennen und zeigt, wie sich die Lage rund um die Zivilinvalidität entwickelt und welche Aspekte verbesserungsfähig sind“, erklärt Thomas Aichner, Präsident der ANMIC Südtirol.
Aktuell gibt es 0,9 Prozent mehr Zivilinvaliden als im Vorjahr. Mit einem Plus von 239 Personen bzw. 2,1 Prozent lässt sich der größte Zuwachs bei Zivilinvaliden mit einem Invaliditätsgrad von 74 bis 99 Prozent beobachten. Weitaus weniger Personen wurde hingegen das Begleitgeld zuerkannt: Hier ist die Zahl der Vollinvaliden (100%ige Invalidität), welche das Begleitgeld erhalten, um 95 Personen gesunken (-1,3 Prozent). Laut Thomas Aichner hängt dieser Rückgang mit einer weiteren finanziellen Leistung zusammen: „Im Unterschied zum Rest Italiens wird den Südtiroler Zivilinvaliden – je nach Gesundheitszustand – entweder das Begleitgeld oder das Pflegegeld ausbezahlt. Bei jenen Antragstellern, welchen das Pflegegeld zuerkannt wird, entfällt somit das Begleitgeld.“
Die aktuell deutlichste Veränderung konnte bei der Anerkennung um das Gesetz 104/92 verzeichnet werden: Mit einem Plus von 1.486 Personen (+12,9 Prozent) gibt es heute beinahe 13.000 Südtiroler, welche mit einer schweren Behinderung leben. Zivilinvaliden, denen die Schwere der Behinderung durch die Ärztekommission zuerkannt wird, erhalten eine Reihe von zusätzlichen Rechten wie beispielsweise die bezahlte Arbeitsenthaltung (entweder für die betroffene Person selbst oder für ein Familienmitglied) und diverse steuerrechtliche Begünstigungen.
Ab einem Invaliditätsgrad von 46 Prozent kann zudem um die sogenannte gezielte Arbeitseingliederung laut Gesetz 68/99 angesucht werden. Das bedeutet, dass der arbeitslose Betroffene in eine Arbeitslosenliste – die Liste der geschützten Kategorien – eingetragen wird, wodurch er mit Hilfe des zuständigen Arbeitsvermittlungszentrums leichter eine passende Arbeit finden kann. Im Vergleich zum Vorjahr gab es auch hier einen deutlichen Anstieg um 18,9 Prozent: Mit einem Plus von 864 Personen erfüllen nun 5.440 Arbeitssuchende die Voraussetzungen zur gezielten Arbeitseingliederung.
Was die Rekursanträge anbelangt, so wurden im Vorjahr 145 bzw. 32,7 Prozent der gestellten Anträge angekommen. „Betroffene können einen Rekurs gegen die Entscheidung der Ärztekommission einreichen, falls die Entscheidung als ungerecht empfunden wird. Wird der Rekurs angenommen und die Zivilinvalidität (prozentuell) erhöht, verbessert sich die Lebenssituation des Betroffenen, indem ihm mehr Rechte anerkannt werden“, erklärt Thomas Aichner. Vergleicht man die aktuellen Zahlen mit dem Vorjahr, so stellt man fest, dass mit 444 Anträgen (Vorjahr: 516) deutlich weniger Rekursanträge gestellt wurden. „Die Rekurskommission hat trotz dieses Rückgangs allerdings wesentlich mehr der gestellten Anträge angenommen, nämlich 145 von 444 im Vergleich zu 128 von 516. Das weist darauf hin, dass die Ärztekommissionen grundsätzlich eine gute Arbeit leisten, aber doch in etwa einem von drei an die Rekurskommission weitergeleiteten Fällen mit ihrer Einschätzung falsch lagen“, so Thomas Aichner.
„Mit einem Plus von knapp 20 Prozent erzielte die Beanspruchung des Dienstes zur Arbeitseingliederung den deutlichsten Anstieg im abgelaufenen Jahr. Dies lässt sich damit erklären, dass noch immer viele Zivilinvaliden und Menschen mit Behinderungen arbeitslos sind, obwohl sie arbeiten möchten. Besonders hier herrscht leider noch immer das Vorurteil, diese Menschen könnten nicht dieselben Leistungen erzielen wie ein Arbeitnehmer ohne Behinderung. Dies ist jedoch ein Irrglaube, wie zahlreiche Studien belegen. In Zusammenarbeit mit diversen Partnern setzen wir uns als größte Interessensvertretung für Zivilinvaliden auch weiterhin täglich dafür ein, alle Menschen vollständig in den sozialen und beruflichen Alltag zu integrieren“, so Thomas Aichner.
Wiederaufnahme des Dienstes der verschiedenen Ärztekommissionen des Landes
„Wie uns von Dr. Oliver Neeb, geschäftsführender Direktor des betrieblichen Dienstes für Rechtsmedizin des Südtiroler Sanitätsbetriebes, mitgeteilt wurde, nehmen die verschiedenen Ärztekommissionen des Landes ihre Tätigkeit nach mehrmonatiger Pause wieder auf“, erklärt Thomas Aichner. Dazu zählen die Ärztekommissionen zur Feststellung des Gesetzes 104/92, jene Ärztekommissionen zur Anerkennung der Zivilinvalidität, Blindheit und Taubheit sowie die Rekurskommission. „In Meran und Brixen erfolgt dies am 15. Juni, in Bruneck und Bozen finden die rechtsmedizinischen Visiten am 1. Juli wieder statt. Die Visiten für die gezielte Arbeitseingliederung laut Gesetz 68/99 beginnen bereits diese Woche.“
Die Vereinigung der Zivilinvaliden (ANMIC Südtirol) ist eine gemeinnützige Organisation ohne Gewinnabsichten (ONLUS), die auf Staats- und Landesebene seit 1965 bzw. 1994 anerkannt ist. Als die einzige rechtliche und gesetzliche Vertretung der Zivilinvaliden und ‑versehrten vertritt die ANMIC Südtirol diese bei öffentlichen Ämtern sowie in privaten Betrieben, damit die Südtiroler Zivilinvaliden und ‑versehrten vollständig in den sozialen sowie beruflichen Alltag integriert werden. Mit mehr als 6.000 Mitgliedern ist die ANMIC Südtirol die größte Interessensvertretung für Zivilinvaliden und ‑versehrte in Südtirol.