Die Inflation ist in der EU stärker als erwartet gesunken

EU-Kommission erwartet schwächeres Wirtschaftswachstum

Montag, 11. September 2023 | 14:55 Uhr

Von: apa

Die Wachstumsdynamik in EU und Euroraum lässt nach: Laut der am Montag von der EU-Kommission in Brüssel veröffentlichten Sommer-Wirtschaftsprognose soll die EU-Wirtschaft in diesem Jahr um 0,8 Prozent und 2024 um 1,4 Prozent wachsen. Im Frühjahr waren mit 1,0 bzw. 1,7 Prozent noch leicht höhere Raten erwartet worden. EU-Wirtschaftskommissar Gentiloni betonte, das “Klimarisiko” habe immer mehr Auswirkungen auch für die Wirtschaft.

Im Euroraum wird das BIP-Wachstum der Interimsprognose zufolge auf 0,8 Prozent heuer (von 1,1 Prozent) und auf 1,3 Prozent im Jahr 2024 (von 1,6 Prozent) herabkorrigiert. Es wird eine Inflationsrate von 5,6 Prozent im Jahr 2023 (gegenüber 5,8 Prozent) und 2,9 Prozent im Jahr 2024 (gegenüber 2,8 Prozent) vorhergesagt. Die Inflationsrate in der EU soll mit 6,5 Prozent heuer und 3,2 Prozent 2024 stärker zurückgehen als erwartet. Neben den Gesamtwerten für EU und Euroraum umfasst die Zwischenprognose auch die sechs größten EU-Volkswirtschaften. Die nächsten Daten für alle Mitgliedstaaten und damit auch für Österreich werden in der Winterprognose Anfang November veröffentlicht.

Die deutsche Wirtschaft dürfte 2023 um 0,4 Prozent schrumpfen, bevor sie 2024 mit 1,1 Prozent auf einen leichten Wachstumspfad zurückfindet. “Wir wissen, dass es sich um eine starke Volkswirtschaft handelt, die die Werkzeuge und die Möglichkeit zur Erholung hat”, betonte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni bei der Präsentation der Prognose am Montag in Brüssel. Die deutsche Wirtschaft ist drei Quartale in Folge nicht mehr gewachsen. Eine Trendwende ist nach Ansicht vieler Ökonomen vorerst nicht zu erwarten.

Noch nicht berücksichtigt sind in den Berechnungen alle wirtschaftlichen Auswirkungen der außergewöhnlichen Wetterereignisse in diesem Sommer. Diese hätten eine ganze Reihe von europäischen Ländern betroffen, betonte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni bei der Präsentation der Prognose am Montag in Brüssel: “Das Klimarisiko könnte ein makroökonomisches Risiko für die europäische Wirtschaft werden, das müssen wir sehr ernst nehmen. Dass Problem besteht und wird immer schlimmer. Das ist eine Herausforderung für uns.” Es entstünden große Kosten, weil ganze Gebiete wieder aufgebaut werden müssten. Weiters gebe es indirekte Auswirkungen.

Laut EU-Kommission führten die hohen und weiter steigenden Verbraucherpreise für die meisten Waren und Dienstleistungen in den letzten Monaten zu einer schwächeren Binnennachfrage als in der Frühjahrsprognose angenommen. Die Umfrageindikatoren deuteten nun auf eine Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit in den kommenden Monaten hin. Die Weltwirtschaft habe sich etwas besser entwickelt als im Vorjahr. Die schwächere Inflation wird mit sinkenden Energiepreisen und nachlassendem Inflationsdruck bei Nahrungsmitteln und Industriegütern begründet. Für den Rest des Jahres 2023 ist ein weiterer Rückgang der Energiepreise zu erwarten, der sich jedoch verlangsamen wird. Im Jahr 2024 werden die Preise voraussichtlich wieder leicht ansteigen, was laut Einschätzung der EU-Kommission auf höhere Ölpreise zurückzuführen ist.

Vor dieser Ausgangslage wird die Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag in Frankfurt mit Spannung erwartet. Derzeit ist noch offen, ob der Rat eine weitere Anhebung der Zinsen beschließt. Die EZB hat seit Sommer 2022 die Zinsen bereits neunmal in Folge angehoben, zuletzt im Juli um 0,25 Prozentpunkte. Derzeit wird am Finanzmarkt eher damit gerechnet, dass die EZB eine Zinspause einlegen wird. Gabriel Felbermayr, Direktor des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitutes Wifo, hält eine Rezession im Herbst für möglich und erwartet deswegen eine weitere Zinserhöhung, sagte er in der ORF-Sendung “Im Zentrum” Sonntagabend.

Gentiloni betonte, die EZB entscheide autonom über die Leitzinsen. Seine Aufgabe sei es, Prognosen zu erläutern und keine Empfehlungen zu geben: “Doch basierend auf den kurzfristigen Zinsprojektionen schätzen wir, dass wir in jedem Fall nahe am Zinsgipfel in der EU sind.”