Von: bba
Bozen/Vigiljoch – Europas Bauern sind, dem Südtiroler Bauernbund zufolge, gegenüber den Handelsketten oft in einer schwachen Verhandlungsposition. Was man dagegen tun könne, war eines der Themen bei der traditionellen Europawanderung heuer am Vigiljoch, an der Bauernvertreter aus dem deutschsprachigen Alpenraum teilgenommen haben.
Jedes Jahr lädt der Südtiroler Bauernbund im August Bauernvertreter und Agrarpolitiker aus dem Alpenraum zu einer Wanderung nach Südtirol ein. Das Ziel: Wandernd die grenzübergreifende Freundschaft pflegen, die Zusammenarbeit vertiefen und über die Zukunft der Landwirtschaft im Alpenraum diskutieren.
Auf dem Vigiljoch begrüßten Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler, Lanas Bürgermeister Harald Stauder und Bauernbund-Ortsobmann Norbert Esser nicht nur Vertreter der Bauernverbände aus Bayern, Vorarlberg, Tirol und Salzburg, sondern auch Joachim Rukwied, als Präsident des Europäischen Bauernverbandes COPA sozusagen der “wichtigste Bauer Europas”.
Ein Thema beim Treffen waren die Märkte für landwirtschaftliche Produkte. Die europäische Landwirtschaft sei ein Erfolgsmodell, da sie die eigene Bevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmitteln versorge. Zudem seien ihre Produkte überall auf der Welt gefragt. Dennoch würden die Landwirtschaftsbetriebe mit niedrigen Preisen kämpfen. Die zunehmende Auflagenwut der Handelsketten zwinge sie außerdem immer stärker in die Defensive. Joachim Rukwied machte deutlich: „Eine Herausforderung ist die Sicherung des Einkommens, und die hängt oft von den Verträgen mit dem Lebensmittelhandel ab.“ Die Konzentration am Markt sei erschreckend: „In Deutschland beherrschen vier große Unternehmen 85 Prozent des gesamten Lebensmitteleinzelhandels.“ Auch der aus Salzburg stammende Nationalratsabgeordnete Franz Eßl beklagte, „dass die Handelsketten oft nicht nur den Preis diktieren, sondern auch immer öfter, wie wir Bauern Landwirtschaft zu betreiben haben.“ Die Bauernvertreter seien sich einig gewesen, dass die Position der europäischen Bauern den Handelsketten gegenüber wieder gestärkt werden müsse.
Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sei die EU-Richtlinie über bessere Vertragsbedingungen. Südtirols Europaparlamentarier Herbert Dorfmann sei zuversichtlich, dass das EU-Parlament noch in dieser Amtsperiode – also bis spätestens April 2019 – darüber entscheiden wird: „Diese Richtlinie wird zwar nicht alle Probleme in der Beziehung zwischen Bauern und Handelsketten lösen, aber sie wird die Position der Bauern sicher verbessern.“ Das strenge italienische Gesetz sei hier ein Vorbild und zeige, dass die Politik durchaus steuernd eingreifen kann, zum Beispiel durch verpflichtende Zahlungsfristen.
Bald über EU-Agrarpolitik entscheiden
Ein weiteres Thema war die EU-Agrarpolitik. Die Bauernvertreter würden hoffen, dass die Entscheidungen über die zukünftige Agrarpolitik noch vor den Europaparlamentswahlen im Mai 2019 fallen. Rukwied warnte: „Alles, was danach kommt, wird schlechter sein!“ Besonders die Auswirkungen durch den Brexit seien derzeit noch nicht abzuschätzen.
GAP: Zweite Säule sichern
Einig seien sich die Vertreter der Bauern im Alpenraum gewesen, dass die sogenannte Zweite Säule der Agrarpolitik – das heißt die Zahlungen an die Bauern für ihre Leistungen für Umweltschutz, Landschaftspflege und so weiter – äußerst wichtig und zu bewahren seien. Im Zuge der GAP-Verhandlungen habe EU-Agrarkommissar Phil Hogan nämlich vorgeschlagen, genau diesen Bereich überproportional zu kürzen. „Damit würden erstmals seit vielen Jahrzehnten wieder die benachteiligten Gebiete und die Berggebiete gegenüber den Gunstlagen bestraft“, sagte Dorfmann.
Deutlich machten die Vertreter aus Bayern, Vorarlberg, Salzburg, Tirol und Südtirol auch ihre Haltung zu Wolf und Bär: „Wir brauchen vor allem wolfsfreie Räume“, sagte Walter Heidl aus Bayern.
Familienbetriebe statt Fremdkapital
Dorfmann, der im EU-Parlament den Bericht über die Zukunft der Landwirtschaft verfasst hatte, mahnte, dass sich Europa einer Grundsatzfrage zur Landwirtschaft stellen müsse. Europas Landwirtschaft arbeite nämlich deshalb erfolgreich, weil sie zum allergrößten Teil von bäuerlichen Familien betrieben werde. Leider sei derzeit ein anderer Trend zu beobachten: „Zunehmend haben Investoren mit viel Fremdkapital landwirtschaftliche Gründe und Betriebe in Visier, die aber nur dem Profitgewinn dienen.“ Das Wesen der Landwirtschaft drohe dadurch verloren zu gehen, konkret der Bezug zu Grund, Umwelt, Landschaft und Tieren. Dorfmann forderte: „Die Politik muss Antworten darauf geben. Sie muss den bäuerlichen Familien ermöglichen, sich innovativ weiterzuentwickeln.“ Allerdings – das betonte auch Rukwied – stehe diese Diskussion erst noch an: „Es ist ungewiss, ob die Politik die richtigen Antworten finden wird.“
Bürokratie nicht vom Schreibtisch aus
Auch die Bürokratie war ein Thema auf dem Vigiljoch. „Kommissar Hogan hat anfänglich von einer Vereinfachung gesprochen. Leider ist davon nun keine Rede mehr. Wir werden ihn daran erinnern“, versprach Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler. Zudem sollten bei Regeln über Naturschutz beziehungsweise bei ausgewiesenen Naturschutzgebieten nicht die Beamten über die Bauern entscheiden. Eßl forderte deutlich: „Vertragsnaturschutz statt hoheitlicher Naturschutz vom Schreibtisch aus.“