Von: Ivd
Bozen – Die Herausforderungen in der Pflege von Demenzkranken wachsen europaweit. Das wurde bei einem jüngsten Treffen der sieben deutschsprachigen Alzheimergesellschaften im Rahmen des Erasmus+-Projekts zur Stärkung der Pflege von Betroffenen in Bozen deutlich. Besonders alarmierend: Die Zahl junger Demenzpatienten zwischen 40 und 50 Jahren steigt in ganz Europa. Allein in Südtirol gehen Experten von rund 300 neuen Fällen pro Jahr aus.
Personalmangel als drängendes Problem
Die Veranstaltung machte auch eines klar: Der Mangel an Pflegekräften ist nicht nur in Südtirol gravierend, sondern betrifft selbst wohlhabende Staaten wie Luxemburg, Liechtenstein und die Schweiz. Trotz deutlich höherer Löhne bleiben offene Stellen unbesetzt, was die Versorgung von Demenzkranken zunehmend erschwert.
ASAA-Präsident Ulrich Seitz betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit. Beim Treffen in Bozen tauschte er sich mit Vertretern aus Belgien, Deutschland, Frankreich und Österreich aus. Dabei wurde deutlich, dass innovative Ansätze aus anderen Ländern auch für Südtirol wertvolle Impulse liefern könnten. So könnte beispielsweise die Vereinfachung administrativer Hürden, wie sie in Deutschland diskutiert wird, auch in Südtirol für Entlastung sorgen. Denn gerade die langen Wartezeiten zwischen Diagnosestellung und Pflegeeinstufung stellen viele Familien vor enorme Herausforderungen.
Forderung nach einer einheitlichen Demenzstrategie
Die rund 11.000 Südtiroler Familien, die derzeit Demenzkranke zu Hause pflegen, brauchen dringend mehr Unterstützung. Seitz plädiert daher für eine von der Landesregierung verabschiedete Demenzstrategie, die nicht nur die Errichtung spezialisierter Kompetenzzentren, sondern auch höhere finanzielle Hilfen und klar geregelte Zeitpläne für Pflegende umfasst.
Personalisierte Medizin im Fokus
Ein besonderes Interesse der internationalen Delegation weckte das Gespräch mit dem Pharmakologen Markus Paulmichl und der Familie Waldner von der Melitta Klinik. Paulmichl, ein Experte mit weltweiter Erfahrung, machte darauf aufmerksam, dass mehr als die Hälfte aller Demenzpatienten eine Kombination aus mehreren Medikamenten einnimmt.
„Bei immer mehr Patienten kommt es jedoch zu unerwarteten Nebenwirkungen oder mangelnder Wirkung“, erklärte Paulmichl. „Deshalb ist es essenziell, nachvollziehbare Therapiepläne zu erstellen und Medikamente individuell anzupassen.“ Die pharmakogenetische Analyse, die er als „Schlüssel zur personalisierten Medizin“ bezeichnet, könnte in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen.
Nächste Schritte im Projekt
Das Erasmus+-Projekt zur Stärkung von Demenzpatienten und ihren Pflegenden wird in den kommenden Monaten mit praktischen Leitlinien fortgesetzt. Diese sollen in den beteiligten Ländern umgesetzt werden, um die Betreuungssituation langfristig zu verbessern.
Ob Südtirol von den europaweiten Erfahrungen profitiert, hängt nun maßgeblich von politischen Entscheidungen ab.
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