Von: luk
Bozen – 24 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen geben an, in ihrer Arbeit viel selber gestalten zu können. Auf dem EWCS-Index für Gestaltungsspielraum im Job erreicht Südtirols Arbeitnehmerschaft insgesamt 57 Punkte. Damit liegt Südtirol gleichauf mit der Schweiz und Österreich. In Deutschland und Italien liegt der entsprechende Wert nur bei 51 bzw. 53 Punkten.
Das AFI | Arbeitsförderungsinstitut hat für Südtirol die Daten zum Ausmaß der Gestaltungsspielräume im Job erhoben, die sich dank der Einbettung in den EWCS auch mit anderen europäischen Ländern vergleichen lassen. Insgesamt schneiden dabei die Südtiroler Arbeitnehmer und vor allem leitende Angestellte besonders gut ab, stellt der Arbeitspsychologe und AFI-Forschungsmitarbeiter Tobias Hölbling fest.
Südtiroler Arbeitnehmer reden mit
Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer (55 Prozent) gibt an, dass sie vom Chef nicht einfach Ziele aufs Auge gedrückt bekommen, sondern schon bei der Planung mit eingebunden werden. Dieser sehr gute Wert hebt sich deutlich von den großen Industriestaaten wie Deutschland (33 Prozent) und Italien (37 Prozent) ab und ist mit dem hiesigen Branchenmix zu erklären (wenig Verarbeitendes Gewerbe, viele Dienstleistungen). Südtiroler Chefs lassen mit sich reden, wenn es um die Arbeitsorganisation geht: 50 Prozent der Arbeitnehmer sagen, dass sie an der Verbesserung von Arbeitsabläufen beteiligt sind – ein auch im gesamteuropäischen Vergleich gemeinsam mit der Schweiz (49 Prozent) guter Wert.
Entscheidungsspielraum und Arbeitstempo
Drei von vier Südtiroler Arbeitnehmern (74 Prozent) geben an, dass sie die Reihenfolge der Arbeitsaufgaben auswählen oder ändern können. Auch hier teilt sich Südtirol gemeinsam mit Österreich (70 Prozent) den höchsten Wert in der Vergleichsgruppe. Bei der Wahl der Arbeitsweise hingegen sieht es anders aus: Nur 60 Prozent der hiesigen Arbeitnehmer können das Arbeitstempo oder die Menge an Arbeit selbst bestimmen. Das gelingt nicht nur in Italien deutlich mehr Arbeitnehmern (73 Prozent), sondern auch in Deutschland (67 Prozent) und der Schweiz (68 Prozent).
Spielräume unten klein, oben groß
Schlüsselt man diese guten allgemeinen Ergebnisse jedoch nach Berufsgruppen und Branchen auf, so zeigt sich, dass bei weitem nicht alle Südtiroler Arbeitnehmer dieselben Spielräume haben. AFI Forscher Tobias Hölbling, Autor der EWCS-Studie: „Überspitzt gesagt hat ein Hilfsarbeiter weniger Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten auf seine Arbeit als eine Führungskraft. Mehr Gestaltungsspielraum im Job bieten außerdem ein möglichst hoher Bildungsabschluss und die Arbeit mit Menschen statt mit Maschinen oder am Fließband“. Mitarbeiter mit angemessenen Entscheidungsmöglichkeiten sind gesünder und haben weniger Fehlzeiten. Gerade deshalb sollte versucht werden, die Gestaltungsspielräume aller Mitarbeiter möglichst zu vergrößern, und das auch aus Kostengründen. Wenn aber – wie in Südtirol der Fall – möglichst viel möglichst schnell erledigt werden muss, und das nicht nur ab und zu, sondern ständig, dann kommen die Gestaltungsspielräume abhanden und es kann zu schädlichen Folgewirkungen kommen, so Hölbling.
Stellungnahme von AFI-Präsident Dieter Mayr
“In Südtirol ist der Arbeitsdruck im Vergleich zu den Nachbarländern deutlich höher, was die für Leistung und Gesundheit der Arbeitenden so wichtigen Gestaltungsspielräume stark einschränkt. In diesem Punkt dürfen sich die Südtiroler nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen.“