Schwelle gegen Lohndumping

Florenz setzt Maßstäbe: Hat Südtirol den Mut für Gemeinde-Mindestlohn?

Freitag, 11. Oktober 2024 | 16:51 Uhr
Münze Euro

Von: mk

Bozen – Florenz macht’s vor: Kein Auftrag ohne Mindestlohn-Garantie! Jetzt steht Südtirol im Fokus – doch fehlt hier der Mut zum Handeln? Während Florenz mit neun Euro pro Stunde als Mindestlohnschwelle gegen Lohndumping vorgeht, verharren Südtirols Gemeinden in Zurückhaltung. AFI-Direktor Perini fordert: „Schluss mit der Aufschiebe-Taktik!“

Das AFI | Arbeitsförderungsinstitut belebt sein in den Jahren 2020-2021 erfolgreiches Format „AFI im Dialog“ wieder. Im heutigen Webinar stand der „Gemeinde-Mindestlohn“ im Mittelpunkt – konkret die Frage, ob dieses Modell, das in Florenz und etwa 20 weiteren italienischen Gemeinden umgesetzt wurde, auch für Südtirol eine Option darstellen könnte.

AFI

Der Mindestlohn in den italienischen Gemeinden

Der Hintergrund: Noch 2023 verpflichteten sich einige italienische Gemeinden, darunter La Spezia und Livorno, öffentliche Aufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die den repräsentativsten nationalen Kollektivvertrag der Branche und auf jedem Fall einen Mindestlohn von neun Euro pro Stunde gewährleisten. Im Frühjahr 2024 folgte Florenz als prominenter Unterstützer dieser Initiative.

Das „Modell Florenz“

Zunächst zur Definition: Der Gemeinde-Mindestlohn ist weder ein kommunales Gesetz noch ein Kollektivvertrag. Es handelt sich um eine Selbstverpflichtung der Stadt Florenz, bei öffentlichen Aufträgen von Zuschlagsempfängern die Einhaltung von Mindeststandards einzufordern.

Arbeits-Stadtrat Dario Danti erklärt: „Florenz ist die erste Stadt, die den Mindestlohn in allen öffentlichen Ausschreibungen anwendet. Es handelt sich um eine Maßnahme zur Sicherung der Menschenwürde: Nie wieder wird ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin, die in städtischen Diensten arbeitet, z.B. im Sozialwesen, in Schulen oder städtischen Museen, weniger als neun Euro pro Stunde verdienen. In der Ausschreibung wird der vorteilhafteste Bereichs-Kollektivvertrag zugrunde gelegt. Mit diesem Beschluss garantiert die Stadt Florenz, dass keine ‚Piratenverträge‘ angewandt werden. Bei den Ausschreibungen werden wir die Anwendung jener nationalen Kollektivverträge vorschreiben, die von den repräsentativsten Gewerkschaften unterzeichnet worden sind.“

Die Stadt verpflichtet sich weiters, alle ab 2022 abgeschlossenen Verträge zu überprüfen und halbjährlich einen Bericht zur Einhaltung der Vertragsbedingungen zu erstellen. Auch Gewerkschaftstreffen sollen sicherstellen, dass das Modell in der Praxis greift.

Unternehmen, die einen von der Ausschreibung abweichenden Kollektivvertrag anwenden möchten, müssen dessen Gleichwertigkeit in einer sogenannten „Äquivalenzkontrolle“ nachweisen. Hierbei wird geprüft, ob die wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen, insbesondere der Mindestlohn von neun Euro, erfüllt werden. Diese Kontrolle orientiert sich an den Kriterien der nationalen Antikorruptionsbehörde ANAC und des nationalen Arbeitsinspektorats.

Die „Fälle“ Brixen und Meran

Angeregt durch die Beispiele in der Toskana und in Kampanien, brachten auch die Gemeinderatsmitglieder Verena Stenico (Brixen) und Andrea Rossi (Meran) Anträge zur Einführung eines Gemeinde-Mindestlohns ein. „Wir wollten ein Zeichen gegen unterbezahlte Arbeit setzen“, erklären Stenico und Rossi. In beiden Städten wurden die Anträge jedoch abgelehnt – in Meran allerdings nur knapp. Gegenargumente waren etwa, dass die Gemeinde hier keine Zuständigkeiten habe, dass man Rekurse vermeiden wolle und dass ein Stundenlohn von neun Euro in Südtirol ohnehin nicht unterschritten werde. Die Initiatoren halten allerdings dagegen: „Uns sind Fälle von öffentlichen Aufträgen bekannt, in denen den Mitarbeitenden sehr wohl weniger als neun Euro bezahlt wird.“ Sie sprechen von einer verpassten Chance, faire Arbeit zu fördern.

Bezirk: Bozen

Kommentare

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12 Kommentare auf "Florenz setzt Maßstäbe: Hat Südtirol den Mut für Gemeinde-Mindestlohn?"


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schwarzes Schaf
schwarzes Schaf
Universalgelehrter
1 Monat 10 Tage

Wo ist das Problem wie sind ja schon lang über 9 euro in gastgewerbe

N. G.
N. G.
Kinig
1 Monat 10 Tage

Na, dann denk mal nach… Wieviel bekommt z. B. ne Putzkraft bei einer Reinigungsfirma die Im Landtag putzt? Wieviel ein Hilfsarbeiter beim Bau, der in einem Sup Sup Supunternehen eingestellt ist?
Werden Arbeiten im Gastgewerbe vom Land öffentlich ausgeschrieben? Ne, red von Dingen bei denen du Ahnung hast.

elvira
elvira
Universalgelehrter
1 Monat 9 Tage

aha und die welt besteht nur aus gastgewerbe??? in südtirol verdient man im gastgewerbe generell gut im vergleich zum restlichen land. aber es gibt genug sparten die sicherlich keine 9 euro erhalten

raunzer
raunzer
Universalgelehrter
1 Monat 10 Tage

9 Euro bei 220 Stunden im Monat ergibt knapp 2000 Euro, dann reichts auch mal für eine Pizza.

Chrys
Chrys
Universalgelehrter
1 Monat 10 Tage

Ob die € 9,00 nicht brutto sind? 220 Stunden sind doch ein wenig viel verlangt. In der Regel arbeitet man im Monat 172 Stunden.

N. G.
N. G.
Kinig
1 Monat 10 Tage

Super Idee! Ein Anfang für Gerechtigkeit!
In kürzester Zeit würde man alle schwarzen Schafe der jeweiligen Branchen aussortieren.

der echte Aaron
der echte Aaron
Universalgelehrter
1 Monat 10 Tage

Wenn ja angeblich eh schon 9€ bezahlt werde, was ich nicht glaube, kann man wohl für so ein Gesetz stimmen oder wird doch nicht 9€ gezahlt? Zahlen die Politiker, die dagegen gestimmt haben, ihrer Putzfrau weniger?….und in Südtirol müsste es mindestens 12€ sein, weil ist ja brutto nicht netto

Pasta Madre
Pasta Madre
Universalgelehrter
1 Monat 10 Tage

Und ich hoffe fas es 9€ netto sind.
Bravo der Stadt Florenz, hoffe das es anhält.

So ist das
1 Monat 9 Tage

…verharren Südtirols Gemeinden in Zurückhaltung…

Die Wirtschaftslobby hat wohl zuviel Einfluss 🤔

bern
bern
Universalgelehrter
1 Monat 9 Tage

Um das umzusetzen braucht es keinen “Mut”, sondern Dummheit. Wir haben schon viel zu viel Bürokratie. Muss in Zukunft jede Firma bei Aufträgen nachweisen, dass sich der Chef und alle Mitarbeiterinnen regelmäßig die Hände waschen?

sixtus
sixtus
Tratscher
1 Monat 9 Tage

Ich verstehe das Problem nicht. Einfach den Stundenlohn im Kollektivvertrag erhöhen und das Problem ist gelöst ohne weiterer Bürokratie für Gemeinde und Unternehmen.

Babba
Babba
Tratscher
1 Monat 9 Tage

Super Initiative! Ba ins waret der erste Schritt, dass die Gemeinden überhaupt amol kontrollieren, ob die Bedingungen in die Ausschreibungen eingholtn werdn… Und nit ollm lai in die billigsten Anbieter die Aufträge geben, sondern in einheimische und zuverlässige Firmen, so fongs schon amol on

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