Von: bba
Bozen – Arbeitsmarkt-News nimmt “freiwillige” Kündigungen unter die Lupe. In Südtirol bedeutet die mutterschaftsbedingte Kündigung nicht für alle einen dauerhafter Abschied vom Arbeitsmarkt, doch erst nach drei Jahren gehen 60 Prozent der Frauen wieder einer Erwerbsarbeit nach.
In Südtirol kündigen sechs- bis siebenhundert Frauen jährlich während der Schwangerschaft oder im ersten Lebensjahr des Kindes “freiwillig” ihren Arbeitsplatz – die Tendenz ist steigend. Die von der Arbeitsmarktbeobachtungsstelle der Landesabteilung Arbeit analysierten Daten des Zeitraumes 2015 bis 2017 zeigen, dass drei Jahre nach der Kündigung nur sechs von zehn Frauen wieder erwerbstätig sind. Dies ist der höchste bisher erhobene Wert. Über die Kündigungsgründe die Arbeitnehmerinnen anführen, über den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt und über Änderungen, die sie dabei erwarten, informiert die jüngste Ausgabe des Informationsblatts “Arbeitsmarkt-News”.
Abschied vom Arbeitsmarkt nicht dauerhaft
In Südtirol bedeutet die mutterschaftsbedingte Kündigung keinen dauerhaften Abschied vom Arbeitsmarkt: Von den etwas mehr als 1500 Frauen, die im Zeitraum 2015 bis 2017 gekündigt haben, sind Ende 2019 60 Prozent wieder erwerbstätig.
“Das ist der höchste Wert seit Beginn der entsprechenden Analysen”, bestätigt der Direktor der Landesabteilung Arbeit, Stefan Luther, und erläutert: “Die Daten zeigen, dass vor allem Akademikerinnen früher in das Erwerbsleben zurückkehren. Bereits nach einem Jahr sind 40 Prozent erneut abhängig beschäftigt. Bei den Maturantinnen, den Absolventinnen einer Berufsschule und den Frauen mit Mittelschulabschluss liegen die Werte hingegen nur zwischen 20 und 30 Prozent. Drei Jahre nach der Kündigung gleicht sich die Situation zwar an, allerdings mit einer gewichtigen Ausnahme: Die niedrigste Wiedereinstiegsquote haben mit knapp 53 Prozent Frauen mit Mittelschulabschluss”.
Die aufgearbeiteten Daten zeigen, dass neun von zehn der im Zeitraum 2015 bis 2017 kündigenden Frauen einen unbefristeten Vertrag hatten; zudem überwogen die Vollzeitstellen. Der Blick auf die Sektoren verdeutlicht, dass über die Hälfte der Frauen im Handels- und Dienstleistungssektor tätig waren. Offensichtlich wirkt auch eine längere Fahrzeit entmutigend: Zwei Drittel der betroffenen Frauen waren zum Zeitpunkt der Kündigung nicht in ihrer Wohnsitzgemeinde beschäftigt.
Hauptkündigungsgrund: Fehlende “helfende” Familienangehörige
Das Arbeitsinspektorat erhebt die Gründe der “freiwilligen” Kündigung. Demnach gaben im Zeitraum 2016-19 41 Prozent der Mütter an, keine “helfenden” Familienangehörigen zu haben und sich deshalb ausschließlich der Kindererziehung, der sogenannten unbezahlten Care-Arbeit, zu widmen. Weitere 21 Prozent geben die Nichtgewährung einer Teilzeitstelle oder flexibler Arbeitszeiten als Kündigungsgrund an. Das Fehlen oder die hohen Kosten von Betreuungseinrichtungen (neun Prozent) und eine zu große Entfernung des Arbeitsortes beziehungsweise der Wechsel des Wohnortes (sechs Prozent) spielen eine weniger wichtige Rolle. Für akademisch gebildete Frauen ist der Wechsel in einen anderen Betrieb deutlich häufiger Kündigungsgrund als für Frauen ohne akademischen Abschluss.
Wiedereinstieg – häufig mit Veränderungen verbunden
“Die Rückkehr in den Arbeitsmarkt ist für die Frauen durchaus mit bemerkenswerten Änderungen verbunden”, zeigt Abteilungsdirektor Luther anhand folgender Beispiele auf: Etwa die Hälfte findet in einem neuen Sektor Arbeit, wovon vor allem das Gastgewerbe und der öffentliche Sektor profitieren. Erwartbar steigt die Teilzeitquote (auf 86 Prozent) und die Wohnortnähe des Arbeitsplatzes. Luther weist darauf hin, dass der Wiedereinstieg auch zum Anstieg befristeter Verträge führt: “Vor der ‘freiwilligen’ Kündigung waren elf Prozent mit einer solchen Vertragsform beschäftigt, nach dem Wiedereinstieg sind es 41 Prozent. Dies hängt auch damit zusammen, dass das Gastgewerbe und der öffentliche Sektor Branchen sind, in denen es vergleichsweise viele befristete Beschäftigungsverhältnisse gibt.”
Übrigens: In den Jahren von 2016 bis 2019 haben etwa 580 Männer freiwillig gekündigt. Bereits zwei Monate nach der Kündigung ist über die Hälfte dieser Männer bereits wieder erwerbstätig – bei den Frauen dauert es drei Jahre, bis dieser Wert erreicht ist. Entmutigende Zahlen.
Wiedereinstieg von Frauen verbessern
Die im aktuellen Arbeitsmarkt-News aufgearbeiteten Daten nimmt Arbeitslandesrat Achammer zum Anlass, die Verbesserung des Wiedereinstieges von Frauen als wesentlichen arbeitsmarktpolitischen Schwerpunkt zu bestimmen. “Gerade die gegenwärtige Ausnahmesituation verdeutlicht, wie wichtig Vereinbarkeitsmöglichkeiten sind. Ein verbesserter Wiedereinstieg von Frauen trägt wesentlich dazu bei, dass Frauen durch Mutterschaft und Kindererziehung in ihrer beruflichen Entwicklung keine Nachteile erfahren. Hierfür werden wir in den kommenden Jahren verstärkt Frauen und Betriebe informieren und beraten. Auch innerhalb der Betriebe und Wirtschaftsbranchen gibt es Handlungsmöglichkeiten im Bereich der Vereinbarkeit, die genutzt werden können.”
Fazit: Solange Frauen vorwiegend die unbezahlte Erziehungsarbeit alleine übernehmen und nicht die Verantwortung des Partners und staatliche Unterstützung einfordern, wird die finanzielle Unabhängigkeit und Pensionsvorsorge von Frauen noch lange ein dunkles Kapitel bleiben. Erziehungsarbeit sollte nicht auf den Schultern der Frauen ausgetragen werden. Frauen hingegen sollten für ihre Rechte kämpfen, denn die kurz- und langfristigen Nachteile eines fehlenden eigenen Einkommens und befristeter Arbeitsverträge schaden ihnen in erster Linie selbst.