Von: mk
Genf – Eine Bank ohne Maske und Pistole zu überfallen, ist offenbar verblüffend einfach. Zwischen 2009 und 2012 verschwanden vom Konto eines Kunden bei der exklusiven Schweizer Privatbank Hottinger & Cie fast 7,3 Millionen Euro. Doch er ist nicht das einzige Opfer. Bei der Bank gingen insgesamt fast 80 Millionen Euro an Kundengeldern verloren, ohne dass jemand etwas bemerkt haben will. Der mutmaßliche Täter befindet sich auf freiem Fuß und lebt in einer Villa bei Cannes. Da die traditionsreiche Bank unter anderem wegen der Regressansprüche geprellter Kunden zu überschulden drohte, wird sie gerade von der Schweizer Finanzmarktaufsicht aufgelöst.
Rund 2,2 Millionen Euro eines betrogenen Kunden sollen dabei auf das Konto des Grödner Komponisten und Oscar-Preisträgers Giorgio Moroder gelandet sein. Neben der Staatsanwaltschaft von Genf ermitteln in dem Fall vier italienische Staatsanwaltschaften – darunter auch jene von Bozen. Dort heißt es Medienberichten zufolge, dass Moroder selbst nicht ins Ermittlungsregister eingetragen wurde. Vielmehr wurde er als Zeuge von der Genfer Staatsanwaltschaft vernommen.
Die 2,2 Millionen sollen auf Moroders Konten bei der Raiffeisenkasse in Kastelruth, bei der City National Bank in Beverly Hills und bei der Credit Suisse in Zürich gelandet sein. Moroder soll bei der Anhörung erklärt haben, er habe sich gedacht, bei den Zahlungen handle es sich um Erträge von Kapital, das ein Finanzberater für ihn angelegt hat.
Die Staatsanwaltschaft von Genf, Paris, Luxemburg, von Reggio Emilia und Bozen versuchen unterdessen genau zu rekonstruieren, wohin die 80 Millionen der Schweizer Bankkunden geflossen sind.
Kunden setzen sich zur Wehr
Handelt es sich hier um das perfekte Verbrechen? Nicht ganz, denn es wurden leichtsinnige Fehler gemacht, berichtet brandeins.de. Bei gefälschten Unterschriften wurden etwa Namen falsch geschrieben, während Zahlungen an Verwandte gegangen sein sollen. Außerdem setzten sich einige der geprellten Kunden zur Wehr. Dank Privatagenten, die fast 100.000 Seiten Akten ausgewertet haben, gibt es nun in einem der spektakulärsten Fälle von Finanzkriminalität in der Schweiz zumindest eine Spur. Bislang handelt es sich allerdings nur um einen Verdacht.
Zumindest einige Kunden der Schweizer Bank sollen sich an einen Berater gewandt haben, der mit seinem Partner an der Vermögensverwaltung Hottinger & Partners jeweils 30 Prozent der Anteile hielt, berichtet brandeins.de. Das Unternehmen hatte die gleiche Anschrift wie die Bank. E-Mails wurden von den Bank-Adressen verschickt, in der Signatur stand: „Hottinger and Partners S. A.; Member of the Hottinger Group, Bankers since 1786.“
Der Berater soll Anfang 2013 plötzlich nicht mehr zu erreichen gewesen sein. Eine Kollegin des Beraters soll schließlich einem geprellten Kunden erklärt haben, dass der Berater untergetaucht sei und schon seit Längerem in Schwierigkeiten stecke. Schließlich erfuhr der Kunde, dass die Kontoauszüge, die er bislang von Hottinger & Cie erhalten habe, gefälscht seien. Sein Konto war so gut wie leer.
Auf den echten Kontoauszügen konnte er sehen, wohin sein Geld tatsächlich floss. Neben einer Skulptur von Stéphane Cipre, die er nie gekauft hatte, tauchten unter anderem die Namen Asia Universal Trading, Entwise LCC und Etra Trading auf. Auch Hotelrechnungen und Barabhebungen kommen vor – und immer wieder stößt man auf den Namen des Weltstars Giorgio Moroder.
Die Verbindung ergibt sich dadurch, dass Moroder demselben Berater Geld anvertraut hat wie die Kunden der Schweizer Bank. Als Bankkunde den Berater mit dem Vorwurf des Betrugs konfrontierte, antwortete dessen Rechtsanwalt, sein Mandant wolle sich nicht äußern. Auch Giorgio Moroder hat inzwischen in Genf Strafanzeige gegen den Berater erstattet, weil er sich betrogen fühlt. Der 76-Jährige tourt derzeit als DJ um die Welt, im Juli tritt er in Paris auf.
Medienberichten zufolge könnte sich der Berater durch seine Machenschaften selbst und auch Verwandte bereichert haben. Die Staatsanwaltschaft von Genf ermittelt gegen ihn wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Geldwäsche.
In Rom Untersuchungsausschuss gefordert
In Rom fordern zwei Senatoren einen Untersuchungsausschuss, weil viele Italiener in den Fall verwickelt sind. Senator Mario Michele Giarrusso erklärt laut brandeins.de: „Der Fall ist bemerkenswert, weil es den Tätern gelang, die Komplexität des internationalen Finanzsystems auszunutzen und Millionen Euro durch mehrere Länder und Banken zu transferieren. Das Geld floss auch über Konten in Italien, und es ist zu vermuten, dass einige der Beteiligten – freiwillig oder um etwas zu verdienen – ihre Konten für diese Transaktionen zur Verfügung gestellt haben und damit gegen die Geldwäschegesetze in Italien verstoßen haben.“
Mutmaßlicher Täter lebt weiter in einer Villa
Der Berater hat das Geld weltweit verteilt. Eine knappe Million Dollar ging an die Firma eines Verwandten, rund 600.000 Euro flossen zu einer Beteiligungsfirma der Ehefrau. Etwa 300.000 Euro gingen an die Ehefrau eines ehemaligen Top-Managers von Silvio Berlusconis Firmenimperium. Warum diese Personen das Geld bekommen haben, ist unklar.
Auch Hottinger & Partners haben Anzeige erstattet. Obwohl der Berater in der Zwischenzeit vor Behörden in Paris und in Genf zugegeben hat, Kundengelder gestohlen zu haben, blieb er bislang unbehelligt, da er sich als mittellos erklärte. Das Geld sei weg, betonte er bei seinen Aussagen. Offiziell lebt er von der Unterstützung seiner Eltern.