Von: Ivd
Karneid – Mit einem prall gefüllten Saal und einem Thema, das den Nerv der Zeit trifft, startete die Gemeinde Karneid laut eigenen Aussagen eine Vortragsreihe rund um die Frage: „Wer bin ich?“ Der Psychologe Oskar Außerer brachte die Bedeutung dieses Themas auf den Punkt: „Die Suche nach dem eigenen Ich begleitet uns ein Leben lang.“ Er verdeutlichte, dass es dabei nicht um Egoismus gehe, sondern um achtsamen Umgang mit Körper, Geist und Seele. Denn wer zu sich selbst findet, stärkt auch die Gemeinschaft. „Wir sind alle ein Ich und zusammen ein Wir“, erklärte Außerer, der die Zuhörer dazu ermutigte, auch einmal „Nein“ zu sagen, um sich selbst treu zu bleiben.
Inspirierende Lebenswege und beeindruckende Einblicke
Der Abend war bestimmt von persönlichen Geschichten und Einblicken. So erzählte der Extremsportler Jens Kramer, wie er trotz aller Hürden seine Träume verfolgt. Kramer, der bereits den Marathon des Sables in der Sahara bewältigt hat, sprach von seiner Leidenschaft: „Ich kann einfach nicht aufhören.“ Die Energie, die er aus seiner Zielstrebigkeit schöpft, begeisterte das Publikum.
Juliane Gasser Pellegrini, die mit einer unheilbaren Krankheit lebt, gab ebenfalls tiefe Einblicke in ihre Lebenseinstellung. „Wenn es eng wird, frage ich mich: Wo ist vorne? Das gibt mir Orientierung,“ so die ehemalige Direktorin der Landwirtschaftsschule Salern. „Es gibt viele Salatschnecken im Leben, aber auch viele tolle Menschen.“ Ihre Dankbarkeit für das Leben und die Menschen um sie herum ließ die Zuhörer nachdenklich werden.
Silvia Moser, Telefonseelsorgerin, sprach über die Kraft des Zuhörens. Für sie liegt in einem ehrlichen „Wie geht es dir?“ mehr Potenzial, als viele ahnen. Besonders wichtig sei es, auch den Menschen in Dienstleistungsberufen Anerkennung zu schenken. „Das Zuhören ist ein Schatz, der vieles verändern kann,“ erklärte Moser.
Ein Plädoyer für Authentizität und Mut
Besonders bewegend war das Gespräch mit Tobias Stampfer, der sich trotz aller Hürden für eine Geschlechtsangleichung entschied. Er sprach offen über die inneren Konflikte und darüber, wie er die Erwartungen seiner Familie hinter sich lassen musste, um zu sich selbst zu finden. „Ich durfte nicht das machen, was Papa sagt, wenn ich meinen Weg gehen will,“ sagte er. Sein Mut, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu treten, wurde mit ehrfürchtigem Applaus belohnt.
Auch Landesrat Hubert Messner brachte eine wichtige Botschaft mit: „Unzufriedenheit ist der Beginn des Unglücks.“ Er riet dem Publikum, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen und Verantwortung für das eigene Glück zu übernehmen. Die Erfahrung in Grönlands Eiswüsten habe ihm die Balance zwischen persönlichem Ehrgeiz und innerer Zufriedenheit verdeutlicht.
Eine mutige Initiative für Südtirol
Abschließend betonte Landeshauptmann Arno Kompatscher, wie außergewöhnlich es sei, dass in Südtirol offen über psychische Gesundheit gesprochen werde. Er lobte den Mut der Menschen, die an diesem Abend ihre persönlichen Geschichten teilten, und unterstrich die Bedeutung eines respektvollen Umgangs: „Hinter jedem Menschen steckt eine Geschichte – wenn wir das verstehen, schaffen wir enorm viel.“
Mit dem Auftakt ist die Vortragsreihe in Karneid erst am Anfang: Am 21. November folgt ein Abend zur „Pubertät – zwischen Aufbruch, Chaos und Chancen“ mit der Psychologin Angelika Pezzi. Ein inspirierender Abend, der eine Gesellschaft stärkt, die achtsam mit sich und anderen umgeht – und das Publikum gespannt auf die kommenden Veranstaltungen zurückließ.
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