Von: luk
Bozen – Das Thema Gewaltprävention ist sehr aktuell. Bei den letzten Landtagswahlen hat es große Aufmerksamkeit erhalten und auch im kürzlich beschlossenen Koalitionsprogramm Platz gefunden.
Das Forum Prävention betreibt seit 2009 einen eigenen Fachbereich Gewaltprävention. „Wir möchten darauf hinweisen dass Gewaltprävention auf vielen Ebenen ansetzen muss, um erfolgreich zu sein. Es ist wichtig, dass in der kommenden Legislaturperiode Maßnahmen in vielen Bereichen Beachtung und Umsetzung finden“, sagt Peter Koler, Direktor des Forum Prävention und listet mehrere Punkte auf:
Bildung
Bildung und Aufklärung über Gewalt sowie deren Ursachen und Auswirkungen tragen dazu bei, das Bewusstsein für das Problem zu schärfen und regen dazu an, gewalttätiges Verhalten zu hinterfragen und abzulehnen.
Sexuelle Bildung: Es ist wissenschaftlich belegt, dass sexuelle Bildung bei Kindern und Jugendlichen ein entscheidender Schutzfaktor ist, damit junge Menschen nicht zum Opfer bzw. zu Täter:innen werden.
Medienkompetenz und politische Bildung: Die Verbreitung von Fake-News und Hate-Speech im Netz sowie extremistische Bewegungen erleben in den letzten Jahren einen starken Aufschwung. Angebote, die die Medienkompetenz fördern und die Möglichkeit sich an politischen Entscheidungsprozessen beteiligen zu können, sind ein starker Schutzfaktor, wenn es um das Thema Extremismus geht.
Unterstützung
Die Etablierung und der Ausbau von Unterstützungssystemen, insbesondere für gefährdete Bevölkerungsgruppen, kann die Ursachen von Gewalt reduzieren. Der Zugang zur psychosozialen Gesundheitsversorgung ist entscheidend, um diese Menschen zu unterstützen.
Frühe Unterstützung von Familien: Die Identifizierung von Risikofaktoren und die frühzeitige Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in belasteten Familiensituationen können die Wahrscheinlichkeit von gewalttätigem Verhalten verringern. Angebote wie Frühen Hilfen oder sozialpädagogische Unterstützungsleistungen in Kindergarten und Schule müssen ausgebaut werden.
Opferschutz
Opfer von Gewalt benötigen viel mehr Unterstützung und schnelle Hilfe, um das Erlebte zu verarbeiten und sich vor weiterer Gewalt zu schützen. Es ist wichtig, Ressourcen und Dienstleistungen für Opfer zur Verfügung zu stellen.
Soziale Gerechtigkeit
Strukturelle Ungleichheiten und soziale Ungerechtigkeiten sind oft mit Gewalt verbunden. Deshalb sind die Förderung, Stärkung sowie Erweiterung von Maßnahmen und Projekten notwendig, welche allen Bürger:innen einen sicheren Lebensort und Beteiligungsmöglichkeiten am gesellschaftlichen Geschehen ermöglichen.
Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung: Die Beseitigung von Geschlechterungleichheit und die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit sind wichtige Schritte zur Reduzierung von Gewalt, insbesondere von häuslicher, ökonomischer und sexualisierter Gewalt.
Integration von geflüchteten, immigrierten und von Ausgrenzung betroffenen Menschen: Wenn Menschen sich als Teil einer Gemeinschaft fühlen, ein Zugehörigkeits- und Sicherheitsgefühl entwickeln, kann Gewalt vorgebeugt werden. Deshalb ist es wichtig, die Integration von geflüchteten, immigrierten und von Ausgrenzung betroffenen Menschen durch Eingliederung auf den Arbeitsmarkt und durch angemessene Sprachförderungsangebote voranzutreiben.
Housing-First Projekte erzielen sehr gute Erfolge bei der Integration von obdachlosen und ausgegrenzten Menschen.
Gesetze – Strukturelle Maßnahmen
Die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen zur Gewaltprävention im Rahmen der autonomiepolitischen Möglichkeiten und auf gesamtstaatlicher Ebene zur Eindämmung verschiedener Gewaltphänomene sind von großer Bedeutung.
Schutzkonzepte: Eine wichtige strukturelle Präventionsmaßnahme ist die Etablierung von Schutzkonzepten (Schutz vor sexualisierter, physischer, psychischer und struktureller Gewalt) in den Strukturen und Institutionen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.
Forschung
Es braucht eine verstärkte Förderung von Datenerhebung, Forschungsprojekten und Monitoring zur wissenschaftlichen Erfassung von Gewaltphänomenen. Wenn wir über das Thema Gewalt in Südtirol sprechen, dann fehlen häufig genaue Zahlen und ein Wissen über Entstehungshintergründe, um sich einen Überblick über die tatsächliche Situation zu verschaffen.
Strukturelle und institutionelle Diskriminierung: Um dem Thema Diskriminierung in Südtirol entschlossen entgegentreten zu können, braucht es vor allem zur Erforschung von Diskriminierung in Südtirol finanzielle Mittel.
Auch der Ausbau der Antidiskriminierungsstelle mit personellen und finanziellen Ressourcen muss forciert werden.
„Die gelisteten Maßnahmen sind sowohl personenorientiert als auch auf das gesellschaftliche System gerichtet. Sie sind evidenzbasiert und brauchen für die Umsetzung ausreichend Mittel und ressortübergreifende Kooperationen. Das bestehende Netzwerk Gewaltprävention kann dabei als Bindeglied funktionieren,“ sagt Lukas Schwienbacher, Koordinator des Fachbereichs Gewaltprävention.