Von: mk
Bozen – Strom, den Konzessionäre großer Wasserableitungen dem Land entweder abtreten oder vergelten müssen, kann mit Jahresbeginn 2018 kostenlos an bestimmte Verbrauchergruppen weitergegeben werden. Ein Vorhaben, das zwar die relative Mehrheit, aber lange nicht alle Arbeitnehmer in Südtirol überzeugt. Das aktuelle AFI-Barometer zeigt: 50 Prozent der Befragten meinen, das Land sollte seinen Stromanteil einfordern und gratis weitergeben, 41 Prozent befürworten die Abgeltung zugunsten des Landeshaushaltes wie bisher, neun Prozent haben keine Präferenz. „Auffallend schwach ist der Informationsstand der Arbeitnehmer, denn 46 Prozent haben noch nie vom Gratisstrom gehört“, stellt AFI-Direktor Stefan Perini fest.
In der aktuellen Ausgabe des AFI-Barometers geht das Arbeitsförderungsinstitut der Frage nach, was Südtirols Arbeitnehmer vom „Gratisstrom“ halten. Lediglich 54 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmerschaft hat vom Vorhaben der Landesregierung gehört, anstelle der Abgeltung, die das Land von den Konzessionären der großer Wasserableitungen erhält, künftig seinen Stromanteil einzufordern und diesen gratis verteilen zu wollen.
Leichte Präferenz für Gratisstrom
“Die Idee von Gratisstrom gefällt den Arbeitnehmern, aber es wäre falsch, von einem eindeutigen Ergebnis zu sprechen”, schickt AFI-Forscher Friedl Brancalion voraus. Konkret ist exakt die Hälfte der Antwortenden der Meinung, dass das Land am Vorhaben „Gratisstrom“ festhalten sollte, gegenüber 41 Prozent, die sich für die Fortführung der finanziellen Abgeltung aussprechen. Neun Prozent der Arbeitnehmer sehen keinen Unterschied in den beiden Varianten.
Bürger sollen profitieren
Was die Festlegung der Verbrauchergruppen anbelangt, die vom Gratisstrom profitieren sollen, haben die Arbeitnehmer schon wesentlich klarere Vorstellungen. Die Idee, dass „alle Südtiroler Einwohner gleichermaßen“ profitieren sollten, gefällt 48 Prozent der Befragten. Hohen Zuspruch erfährt die Option, dass der Gratisstrom ausschließlich den „unteren Einkommensklassen“ zugutekommen soll (44 Prozent). Deutlich weniger Konsens finden die anderen Varianten, wie die öffentlichen Einrichtungen (25 Prozent), die Rentner (20 Prozent) oder gemeinnützige Vereine und Genossenschaften ohne Gewinnabsicht (19 Prozent).
Elemente der Skepsis: der Umweltaspekt, der Bilanzausgleich, die Bürokratie
Von den Argumenten, die häufig gegen den Gratisstrom ins Feld geführt werden, findet der ökologische Aspekt den stärksten Zuspruch (63 Prozent). Für die Befragten im AFI-Barometer ist es nachvollziehbar, dass der Gratisstrom nicht gerade zum Stromsparen erzieht. 61 Prozent der Arbeitnehmer finden, dass das Geld der Konzessionäre als Teil des Landeshaushalts vielseitiger einsetzbar sei als Gratisstrom. Andere wiederum befürchten, dass das Gratisstrom-Loch im Landeshaushalt mit anderen Steuereinnahmen aufgefüllt werden müsste (54 Prozent) oder dass der bürokratische Mehraufwand den Nutzen von Gratisstrom übersteigt (48 Prozent).
„Interessant festzustellen ist, dass es in all diesen Fragestellungen keine signifikanten Abweichungen hinsichtlich informierter oder uninformierter Befragter gibt, wohl aber hinsichtlich ihrer Sprachzugehörigkeit“, hat AFI-Praktikantin Anna Tagliabue bei diesem AFI-Barometer beobachtet. In den auf Italienisch geführten Interviews geben 70 Prozent der Befragten an, vom Gratisstrom des Landes nicht gehört zu haben – in den auf Deutsch geführten sind es nur 42 Prozent.
Die Überlegungen des AFI
Die Verteilung von Gratisstrom kann nicht pauschal gutgeheißen werden. Zuvor muss die technische und die gesetzliche Machbarkeit geprüft und der bürokratische Aufwand absolut in Grenzen gehalten werden. Zu beachten sind die Wettbewerbsregeln der EU und jene der italienischen Aufsichtsbehörde, weiters die Modalitäten und die Unentgeltlichkeit der Verteilung (das Gesetz spricht von Tarifen) und nicht zuletzt Aspekte der sozialen Gerechtigkeit. Wichtig ist zu definieren, wer in den Genuss von Gratisstrom kommen soll. Hier favorisiert das AFI die Variante, dass die Begünstigungen den unteren Einkommen zugutekommen. Diese Maßnahme würde nicht nur die wirtschaftliche Ungleichheit und die relative Armut in Südtirol eindämmen helfen, sondern sie wäre auch relativ leicht umsetzbar, vorausgesetzt sie baut auf bestehende Transferleistungen auf, die schon durch die EEVE (Einheitliche Einkommens- und Vermögenserklärung) gesteuert werden. Eine weitere Anmerkung: Es liegt auf der Hand, dass diese Operation nur dann einen Transfereffekt erzeugt, wenn der Gratisstrom zusätzlich, und nicht als Ersatz anderer Wohlfahrtsleistungen wie finanzielle Sozialhilfe, Familiengeld oder Mietbeitrag wirken kann.