Das Transitforum sieht keine Grundlage für Italiens Klage

Gurgiser: Salvini ruft zu “Amtsmissbrauch” auf

Donnerstag, 21. September 2023 | 12:34 Uhr

Von: apa

Das Transitforum Austria-Tirol hat nach der Klagsankündigung Italiens gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen scharfe Kritik geübt. Verkehrsminister Matteo Salvini befinde sich auf “Transit-Irrfahrt” und fordere die Republik und Tirol de facto zum “Amtsmissbrauch” auf, sagte Obmann Fritz Gurgiser am Donnerstag zur APA. Er räumte der Klage, deren Ankündigung “längst stinklangweilig und fad” sei, keine Erfolgschancen ein.

Das “IG-Luft”-Paket sei mit der EU paktiert, Bund und Land seien zur Umsetzung verpflichtet. Salvini, auch Vizepremier Italiens, wolle durch seine Klagsankündigung mit Druck erreichen, dass Österreich bzw. Tirol das Paket aufhebe. Das wiederum würde Amtsmissbrauch gleichkommen, erläuterte Gurgiser seine Einschätzung. Die Maßnahmen des Pakets – Lkw-Euroklassen-Fahrverbot, Lkw-sektorales Fahrverbot, Lkw-Nachtfahrverbot und Tempo 100 für Pkw – seien indes erfolgreich, die Grenzwerte noch nicht unterschritten, unterstrich der Transitforum-Obmann.

Der italienische Verkehrsminister wolle mit der Klage beim EuGH freie Transitfahrt über den Brenner auch für die “Billig- und Dumpingkonkurrenten seiner italienischen Frächter” erzwingen, mutmaßte Gurgiser. Statt “fader Drohungen” sei Salvini besser beraten, sich mit dem italienischen Anteil des Rahmengebietes vom Brenner bis Verona zu befassen. Der Klage fehle jedenfalls die Grundlage, so das Transitforum. Die Republik Österreich und das Land Tirol sollten sich nicht beirren lassen.

Indes forderte das Transitforum Austria-Tirol einmal mehr eine rasche Novellierung des Immissionsschutzgesetz-Luft. Seit 2022 lägen von der EU-Kommission neue Grenzwerte zum Schutz der Gesundheit vor, mehrheitlich sei der Vorschlag auch vom EU-Parlament angenommen worden. Österreich solle dies in das bestehende IG-Luft einarbeiten. Die Bundesregierung bekenne sich zur Beschränkung des Lkw-Transitverkehrs, zur Verlagerung des Transits auf die Eisenbahn und zum Klimaschutz. Deshalb müssten Ankündigungen nun Taten folgen, forderte das Transitforum.

Salvini hatte am Mittwoch vor dem Parlament in Rom angekündigt, seine Drohungen wahr zu machen und wegen der Anti-Transitmaßnahmen Österreichs vor den EuGH zu ziehen. Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte gegenüber der APA scharf reagiert: “Die Situation der Menschen in der gesamten Region Tirol ist ihm offenbar egal.” “Solange seine Frächterlobby Gewinn macht”, ergänzte die Umweltministerin.

Laut Artikel 259 kann jeder EU-Mitgliedstaat den EuGH anrufen, wenn er der Auffassung ist, dass ein anderes Mitglied gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat, wie Salvini vergangene Woche betont hatte.

Bevor ein Mitgliedstaat wegen einer angeblichen Verletzung der Verpflichtungen aus den Verträgen gegen einen anderen Staat Klage erhebt, muss allerdings die EU-Kommission damit befasst werden. Die EU-Kommission erlässt eine mit Gründen versehene Stellungnahme und gibt den beteiligten Staaten zuvor Gelegenheit zu schriftlicher und mündlicher Äußerung in einem kontradiktorischen Verfahren. Gibt die Kommission binnen drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem ein entsprechender Antrag gestellt wurde, keine Stellungnahme ab, so kann ungeachtet des Fehlens der Stellungnahme vor dem Gerichtshof geklagt werden.