Von: apa
Die Chefinnen lassen auf sich warten. In mittelständischen Unternehmen hat der Frauenanteil in Führungspositionen in den vergangenen beiden Jahrzehnten weltweit von 19,4 auf 33,5 Prozent zugelegt, wie eine internationale Erhebung des Beratungsunternehmens Grant Thornton zeigt. Das Plus von lediglich 1,1 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr sei aber “ernüchternd”. Außerdem brach der Anteil weiblicher CEO in den 20 Jahren bis 2023 von 28 auf 19 Prozent ein.
Die Führungsetagen betreten die Frauen nur zögerlich, ganz oben verschwinden sie sogar wieder. “Bei der aktuellen Wachstumsrate wird eine Geschlechterparität im Senior Management frühestens im Jahr 2053 erwartet – sofern nicht eine weitere Verlangsamung eintritt”, teilte das Consulting- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen unter Verweis auf seine Studie “Women in Business” am Donnerstag mit.
Volksanwältin Gaby Schwarz forderte im Vorfeld des morgigen Weltfrauentags mehr Frauen in Führungspositionen. “Wir können es uns nicht leisten, auf das Potenzial von Frauen zu verzichten”, hielt Schwarz am Donnerstag in einer Aussendung fest. Sie forderte mehr Engagement von der Wirtschaft und appellierte für halbe-halbe in Führungspositionen. Frauen rief sie dazu auf, sich das auch zu trauen. “Während Männer eine Chance sofort wahrnehmen, überlegen Frauen, ob sie ausreichend Qualifikationen haben”, bedauert Schwarz. Das sei ein anerzogenes Problem, das wir als Gesellschaft ändern müssten. Die Potenziale der Frauen würden nur unzureichend genutzt. “Immer mehr Frauen sind besser ausgebildet als je zuvor. Trotzdem sind sie in Führungspositionen noch immer seltener vertreten als Männer – das muss sich ändern”, so die Volksanwältin.
Der herben Rückgang des Frauenanteils ganz oben an der Unternehmensspitze der Mittelständler ist laut Grant Thornton “besorgniserregend”. Wesentliche Gründe für das Ausscheiden von Konzernchefinnen sind der Erhebung zufolge öffentlicher Druck, Betreuungsaufgaben und das Gefühl, sich in diesen Rollen mehr wie Männer verhalten zu müssen.
In den Hierarchiestufen darunter gibt es aber auch positive Entwicklungen: Die Personalleitung liege bei 46 Prozent der mittelständischen Unternehmen in weiblicher Hand – das sei um gut ein Drittel (35 Prozentpunkte) mehr als 2012. Ähnliche Zuwächse gibt es den Angaben zufolge bei den Finanzvorständinnen, deren Anteil im selben Zeitraum um 27 Prozentpunkte auf 39 Prozent zugelegt habe. In der Vertriebsleitung war 2023 weltweit jede mehr als ein Viertel (26 Prozent) der Führungskräfte eine Frau (plus 22 Prozentpunkte). Verantwortung, Strategie und Flexibilität.
Um den Status quo weiter zu verbessern schlägt das Consultingunternehmen unter anderem eine fixe Verankerung der Verantwortung für Diversity, Equity & Inclusion (DE&I) innerhalb einer Organisation durch Mitglieder der Führungsetage vor. Firmen sollten eine klare DE&I-Strategie verfolgen und konkrete Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils im Senior Management haben. Die Tatsache, dass Frauen weniger als Männer verdienen, bleibe eine Herausforderung. Ein wirksamer Hebel zur Steigerung des Frauenanteils in leitenden Positionen seien flexible Arbeitsregelungen. “In den letzten 12 Monaten ist jedoch eine dramatische Verschiebung zurück zur Büroarbeit zu beobachten”, kritisierte Grant Thornton.
Der “Women in Business Report” ist Teil des “International Business Reports” (IBR) und untersucht seit 20 Jahren die Entwicklung des Frauenanteils in Führungspositionen mittelständischer Unternehmen der wichtigsten Industrienationen weltweit. Im Rahmen des IBR werden mehr als 10.000 mittelständische Unternehmen aus allen Branchen zu wirtschaftlichen Entwicklungen und Trends im Mittelstand befragt.
Grant Thornton Austria beschäftigt mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Standorten Wien, Wiener Neustadt und Klagenfurt. Sie beraten Betriebe jeder Größe – Start-ups ebenso wie börsennotierte Unternehmen. International umfasst das Netzwerk des Consulters laut Eigenangaben mehr als 73.000 Beschäftigte in über 150 Ländern.