Von: mk
Innbsruck – Kaum ein Markt ist so attraktiv für Spekulationen wie der Immobilienbereich. Das ist nicht erst seit dem spektakulären Platzen der „Immobilienblase“ in den Jahren 2008/09 bekannt. Aber warum entsteht die Blase eigentlich? Die Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch, Universität Innsbruck, und Sebastian Botzem, Universität Bremen, zeichnen entlang eines Fallbeispiels diesen komplexen Weg nach. Besonderes in die Pflicht nehmen die Wissenschaftler die Kreditvergabepraktiken der Banken und identifizieren sie als Treiber der Blasenbildung.
Egal ob Hausbau oder Wohnungskauf: Bei der Finanzierung sind so gut wie immer Kredite im Spiel, für die verschiedene Gebühren anfallen. „Überspitzt formuliert ist es für mich als Privatperson zunächst einmal nicht wichtig, in welchem Verhältnis sich diese Gebühren aus Kosten für die Krediterrichtung oder Zinsen genau zusammensetzen, sondern eher die Frage: Was kostet mich diese Finanzierung effektiv?“, sagt Prof. Leonhard Dobusch vom Institut für Organisation und Lernen der Universität Innsbruck. Ganz anders sieht diese Situation aus Sicht der Banken sowie anderer Finanzmarktdienstleister und in größeren Maßstäben aus: Krediterrichtungsgebühren spielen am Immobilienmarkt eine zentrale Rolle. Gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Sebastian Botzem vom Institut für Interkulturelle und Internationale Studien der Universität Bremen untersuchte der Wirtschaftswissenschaftler die Mechanismen hinter Kreditvergaben im Immobilienbereich. Die Studie erschien kürzlich im renommierten sozialwissenschaftlichen Journal „Accounting, Organizations and Society“ und legt den Fokus auf Vorgänge in Immobiliengeschäften, bevor es zu einer Spekulationsblase kommt bzw. die dazu führen können. Dazu haben die Wissenschaftler am Beispiel eines europaweit agierenden, deutschen Immobilienunternehmens dargestellt, welche Mechanismen im Immobilienmarkt die Gefahr einer sich selbst nährenden Blase befördern.
Vergabe vs. Rückzahlung
„Immobilienmärkte sind sehr blasengefährdet“, hält Leonhard Dobusch fest. Um die Gründe dafür nachvollziehbar zu machen, analysieren die Wissenschaftler in ihrer Studie das Zusammenwirken von Immobilienunternehmen und professionellen Dienstleistern wie Banken, Maklern oder Wirtschaftsprüfern. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie von steigenden Preisen am Immobilienmarkt profitieren und vermehrt basierend auf Finanzmarktlogiken in Form von „finanzialisierten Geschäftsmodellen“ agieren. „Nachhaltigkeit steht bei diesen nicht im Vordergrund, sondern schnelle Gewinne, die weitere Investitionen ermöglichen. Von Anfang an ist das Ziel nicht die nachhaltige Bewirtschaftung von Immobilien, sondern der Aufbau eines möglichst großen Immobilienportfolios“, so Dobusch. Diesen „strategisch finanzialisierten Geschäftsmodellen“ liegt üblicherweise folgender Ablauf zu Grunde: Beim initialen Einstieg in das Immobiliengeschäft in großen Maßstäben – in der anonymisierten Fallstudie der Publikation handelt sich beispielsweise um den Kauf von Plattenbau-Komplexen in Ostdeutschland – vergibt die hauptfinanzierende Bank zunächst den „senior loan“, also den Hauptkredit. Dieser deckt üblicherweise etwa 80 bis 85 Prozent der Gesamtsumme, 15 bis 20 Prozent müssen aus anderer Quelle finanziert werden. „Man könnte meinen, dass es sich dabei um Eigenkapital handelt, aber auch das ist meistens nicht der Fall. Für die ‚fehlende’ Summe erhalten die Immobilienunternehmen Hochrisikokredite, also sehr hoch verzinste Kredite.“ Ab diesem Moment verfolgen die Akteure im Immobilienbereich das eigentliche Ziel: die Refinanzierung der Kredite. Steigende Preise vorausgesetzt, wird die Immobilie nach wenigen Jahren neu bewertet und mit einem entsprechend höheren Kredit neu finanziert. Ein Verkauf findet dabei nicht statt, der Refinanzierungskredit spült zusätzliches Geld in die Kassen, das wiederum für weitere Ankäufe verwendet werden kann.
Gebühren als Treiber
Profitabel sind Refinanzierungen in dieser Form für beide Seiten, für Finanzdienstleister aber ganz besonders, sagt Dobusch: „Immobilienunternehmen können die Differenzen aus den höheren Krediten für die Eigenkapitallücke – die genannten 15 bis 20 Prozent – beim nächsten Immobilienkauf nutzen. Banken wiederum behalten bei jeder neuen Kreditvergabe Gebühren ein, deren Höhe sich prozentuell im gesamten Transaktionsvolumen niederschlägt und als sofortige Einnahme verbucht werden kann. Diese Tatsache macht die Krediterrichtungsgebühren so attraktiv, dass sie so hoch wie möglich geschraubt werden.“ Interessant sind somit weniger die Zinsen, sondern vor allem die sofort anfallenden Gebühren: In ihrer Fallstudie beziffern die Wirtschaftswissenschaftler die Höhe dieser an die verschiedenen Akteure ausgeschütteten Gebühren mit bis zu 10 Prozent des Gesamtvolumens des Kredites; sowohl die Bank als auch zahlreiche andere Stakeholder wie Notare, Makler usw. profitieren unmittelbar. „Damit wird für Banken und andere (Finanz-)Dienstleister die Kreditvergabe wichtiger als die Zins- und Kreditrückzahlung über die Laufzeit hinweg. Zudem sprechen wir hier von einem komplett fremdfinanzierten System, das nur bei steigenden Immobilienpreisen funktionieren kann. Diese Eigenschaft macht sie aber gleichzeitig sehr riskant“, ergänzt Leonhard Dobusch. „Die Kreditrückzahlungen sind marginal, die Laufzeit sehr kurz angesetzt, weil davon ausgegangen wird, dass ohnehin spätestens am Ende der Laufzeit eine Refinanzierung erfolgen wird.“
Anreize
Langfristige Verbindlichkeiten kurzfristig handelbar machen und Gebühren, die es erlauben, (vermeintlich) zukünftige Gewinne vorzuziehen: Das sehen Dobusch und Botzem als Einladung zur Spekulation auf verschiedenen Ebenen und als eine zentrale Ursache für das Entstehen von Immobilienblasen. „Die direkte Gewinnerhöhung durch Kreditvergaben steuert natürlich das Verhalten der einzelnen Akteure, da sich Gewinne auch unmittelbar auf die Höhe der Boni im aktuellen Geschäftsjahr auswirken“, erklärt Dobusch.
Um diesen riskanten Praktiken in der Immobilienbranche entgegenzuwirken, fordert der Wirtschaftswissenschaftler neue und vor allem andere Anreize: „Der Gesetzgeber muss dieser kurzfristigen Denkweise die Attraktivität nehmen, in dem er mehr Anreize für langfristiges Handeln setzt und das gezielt fördert. Ein stärkerer Fokus auf die Gebühren wäre dazu nötig, ‚follow the fees’ sollte daher die Devise lauten: Die Höhe der Kreditvergabegebühren muss meiner Ansicht nach eine Deckelung erfahren und im Vergleich zu Zinsen und Rückzahlungen wieder viel geringer werden.“ Auch die gerade im Immobilienbereich gelebte Praxis des Verschiebens von Profiten – wieder über Gebühren und Verrechungspreise – in Steueroasen sieht Dobusch als großes Problem, bei dem der Gesetzgeber in der Verantwortung ist. „Diese Mechanismen gibt es nach wie vor und sie sind immer noch legal, die Lehren aus den Jahren 2008/09 halten sich in Grenzen“, sagt Dobusch.