AFI-Barometer

Inflation frisst Südtirolern zwei Mrd. Euro an Sparvermögen weg

Freitag, 27. Januar 2023 | 10:54 Uhr

Von: luk

Boozen – Mini-Wachstum: Das sind die Perspektiven nicht nur für den Euro-Raum, sondern auch für Italien im Jahr 2023. Die Inflation bleibt auch in diesem Jahr ständiger Begleiter, allerdings nur mehr mit „halber Kraft“: Experten rechnen für Italien mit einer Rate von fünf bis sieben Prozent im Jahresschnitt. Vor dem Hintergrund der schwächelnden europäischen Konjunktur bleibt die Stimmung der Südtiroler Arbeitnehmer verhalten. Die Aussichten für die Entwicklung der Südtiroler Wirtschaft deuten auf eine „Stagnation mit negativem Vorzeichen“ und die Situation am Arbeitsmarkt dürfte sich von hohem Niveau aus leicht eintrüben. Dazu AFI-Direktor Stefan Perini: „Das Hauptproblem bleibt die unverhältnismäßig hohe Inflation in Bozen, die sowohl Löhne als auch die Sparvermögen massiv anknabbern.“

“Laut aktuellem Wissensstand kündigt sich für die Wirtschaftsentwicklung im Jahr 2023 ein Mini-Wachstum an. Die Prognosen tendieren zwischen 0 und +0,5 Prozent, sowohl für den Euro-Raum als auch für Italien. Zwar ist die Corona-Pandemie weitgehend überwunden und die Lieferkettenprobleme dürften sich schrittweise auflösen, doch die Inflationsrate im zweistelligen Bereich belastet die Familienhaushalte schwer”, so das AFI.

Im laufenden Jahr dürfte sich die Inflation, im Gleichschritt mit den Energiepreisen, nach und nach zurückbilden und nur noch mit „halber Kraft“ fortfahren (für Italien rechnet man im Jahresschnitt 2023 mit einer Inflationsrate zwischen fünf und sieben Prozent). Sorgen bereiten zum einen die ansteigenden Zinsen – diese sind in nur fünf Monaten in Europa um 2,5 Prozentpunkte angestiegen und dürften die Investitionen, insbesondere im Baugewerbe, deutlich einbremsen – zum anderen der Kaufkraftverlust der Familien als Folge der hohen Inflation, mit deutlichen Auswirkungen auf den privaten Konsum.

VORLÄUFIGE ENDBILANZ 2022: Schwungvolle Erholung der Südtiroler Wirtschaft

Südtirols Wirtschaft hat 2022 das Vorkrisenniveau von 2019 in vielen Fällen sogar getoppt. Die Zahl lohnabhängig Beschäftigter nahm 2022 um 4,9 Prozent zum Vorjahr zu und liegt nun 1,9 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Die amtliche Arbeitslosenrate sinkt weiter auf 1,7 Prozent ab. Südtirols Außenhandel entwickelte sich ist in den ersten neun Jahresmonaten dynamisch (Exporte +16,1 Prozent, Importe +35,3 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres). Der Tourismus sprang wieder raketenartig an (+67,6 Prozent an Nächtigungen zum Vergleichszeitraum des Vorjahres bzw. +1,8 Prozent zu 2019). Die Kreditnachfrage bleibt solide (+6,0 Prozent). Negativ hervor sticht 2022 die Inflation, die im Jahresverlauf von 6,2 Prozent im Januar auf 12,5 Prozent kletterte, was im Jahresmittel 9,7 Prozent ergibt.

 DIE STIMMUNG: Südtirols Arbeitnehmer äußern sich für 2023 zurückhaltend

Die Stimmung der Südtiroler Arbeitnehmer/Innen bleibt verhalten. Der Indikator, der die Erwartungen der Arbeitnehmer betreffend die wirtschaftliche Entwicklung Südtirols in den nächsten 12 Monaten abbildet, steigt an (auf –3 von vormals -14), bleibt aber leicht im negativen Bericht. Erwartet wird weiters, dass die Zahl der Arbeitslosen in Südtirol tendenziell zunehmen wird (Index: -11, vormals -3). Unbeschadet davon wird das konkrete Risiko, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, nach wie vor mit „moderat“ bewertet. Die Chancen, gegebenenfalls einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden, bleiben im Langzeitvergleich gut, flachen aber auch hier von hohem Niveau aus ab. Die Fähigkeit, mit dem Lohn über die Runden zu kommen, verharrt auf ihrem historischen Tief: 42 Prozent der Befragten geben an, nur mit Schwierigkeiten über die Runden zu kommen, weil das Geld nicht bis ans Monatsende reicht. Zur Sparfähigkeit: Perspektivisch gedacht glauben nur vier von zehn Familien, in den nächsten zwölf Monaten Geld ansparen zu können. Es zeigt sich also einmal mehr: die Situation der Portmoneys der Arbeitnehmer bleibt angespannt.

DIE KEULE: Inflation frisst rund zwei Mrd. Euro an Sparvermögen der Südtiroler Familien auf

Die Inflation, die im Jahresmittel in Bozen auf knapp zehn Prozent kommt, knabbert gleich in zweifacher Weise am Wohlstand der Südtiroler/Innen: Zum einen frisst sie die Löhne auf und mindert unmittelbar die zur Verfügung stehende Kaufkraft. Sie erodiert – gleichzeitig – aber auch das Sparvermögen, das real um ebendiesen Prozentsatz weniger wert ist. „Berücksichtigt man, dass die Südtiroler Familien 21 Mrd. Euro an Sparvermögen besitzen – Datenquelle Banca d’Italia – kommt diese Geldentwertung einer Erosion von rund zwei Mrd. Euro an Kaufkraft gleich, was rund einem Drittel des jährlichen Landeshaushalts entspricht“, rechnet AFI-Direktor Stefan Perini vor.

DIE PROGNOSEN: Südtirols BIP bricht 2023 geringfügig ein, nämlich um -0,5 Prozent

Schätzungen des AFI zufolge wird die Südtiroler Wirtschaft 2022 mit einem beachtlichen BIP-Zuwachs von +3,5 Prozent abschließen. Für 2023 rechnet das AFI mit der einen oder anderen Schwierigkeit in Zusammenhang mit der schwächelnden Konjunktur auf europäischer Ebene, den etwas eingebremsten Investitionen als Folge der höheren Zinsen und den durch den Kaufkraftverlust bröckelnden Privatkonsum. Im Jahresmittel 2023 dürfte die Inflationsrate im Rahmen von fünf bis sieben Prozent bleiben. Obwohl noch keine direkten Anzeichen für eine Abschwächung der Konjunktur in Südtirol erkennbar sind, bleibt das AFI in seiner Prognose für 2023 vorsichtig und rechnet – abgeleitet vom Stimmungsbild der Arbeitnehmer – mit einer BIP-Entwicklung von -0,5 Prozent.

Stellungnahme von der früheren AFI-Vizepräsidentin Monica Murari

„Wir sind sehr besorgt, dass die Inflation in Bozen nach wie vor in zweistelligem Bereich liegt und dass die Löhne nicht nachziehen – im Unterschied zu Deutschland und zum Euro-Raum. Die Inflation frisst nicht nur die Löhne auf, mit Auswirkungen auf den privaten Konsum, sondern auch das Sparvermögen, was aus der Sicht der Altersvorsorge schmerzt.“

Stellungnahme von Landesrat Philipp Achammer

„Südtirols Wirtschaft hat sich 2022 gut entwickeln können und das Vor-Pandemieniveau in vielen Fällen sogar getoppt, denken wir an den Arbeitsmarkt, an den Tourismus oder den Außenhandel. 2023 geht es nun darum, den Arbeitsmarkt zu „dynamisieren“, um für die Herausforderungen der nächsten Jahre gewappnet zu sein.“

Bezirk: Bozen