Von: luk
Bozen – Prof. Dr. med. Eia Asen schickt dafür die ganze Familie in die Schule, geht mit den schwierigsten Familien Londons ins Einkaufscenter shoppen, wickelt Zappelphilipp kurzerhand in Klopapier ein und hat damit in über 50 Nationen quer durch Europa beachtlichen Erfolg!
Das „Südtiroler Institut für systemische Forschung und Therapie IARTS“ der EOS Genossenschaft lud letzte Woche in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Bozen zu einem zweitägigen Workshop zum Thema „Multiproplemfamilien und Mehrfamilientherapie“ ein. Anwesend waren fast 100 Experten aus der psychosozialen Landschaft Südtirols, die wissen wollten wie wirkungsvolles Arbeiten mit schwerbelasteten Familien gelingen kann.
Ein humorvoller junggebliebener älterer Herr mit vortrefflichen Bühnenqualitäten und langjähriger klinischer Erfahrung stellte sich dem Publikum in Bozen vor. Ohne Zweifel gelang es dem Kinderpsychiater Eia Asen aus London, die Teilnehmer mit seinen Ausführungen über die psychotherapeutischen Prinzipien, Techniken und Anwendungsgebiete seiner Mehrfamilienarbeit zu begeistern. Großes Interesse bei den Teilnehmern weckte neben den Anwendungsgebieten AD(H)S, Essstörungen und Schizophrenie die eindrücklichen Erfolge der Methode im Bereich Schule. Asen berichtete hier von innovativen Methoden wie die „Familienschule“ und das „Elternklassenzimmer“ bei Schul- und Lernstörungen, sowie bei Verhaltensauffälligkeiten.
Klar wurde, dass es sich bei der Methode der Mehrfamilientherapie um ein Verfahren mit solider wissenschaftlicher Basis und evidenzbasierter Wirksamkeit handelt, das gleichzeitig keine Berührungsängste kennt, handfest, sehr konkret, ideenreich und spielerisch ist, und wagt das klassische medizinische Setting des Therapiezimmers zu verlassen.
Die Erfolgsquote liegt laut Asen bei ca. 97 Prozent und soll im Schnitt 1/3 kostengünstiger sein als herkömmliche Verfahren. Verständlich werden diese beeindruckenden Fakten, wenn man bedenkt, dass zwei Therapeuten meist mit sechs bis acht acht Familien gleichzeitig arbeiten. Mehrfamilienarbeit kann von verschiedenen Berufsfiguren ausgeführt werden und macht sich Erkenntnisse zu eigen die in der Einzelfamilientherapie und als Wirkfaktoren von Gruppentherapien längst keine Neuigkeit mehr sind.
Wer in Schwierigkeiten steckt, hat für sein Problem meist eine eingeengte Sichtweise, aber viel Verständnis, Einfühlungsvermögen und Lösungskompetenz für Menschen mit ähnliche Problemen. Mehrfamilientherapie setzt also auf die Familie als Experte für die Probleme der jeweils anderen Teilnehmer, fördert Solidarität, überwindet Stigmatisierung und schambedingte Isolation, weckt Hoffnung, fördert neue Verhaltens- und Erziehungsmuster, stärkt die Selbstreflexion und weckt neue Ressourcen bei den Familien die in Not geraten sind.
Familien werden in der Therapie in ihrer Fähigkeit zu „Mentalisieren“ gefördert. Asen ist überzeugt, dass Beziehung gelingt, wenn uns bewusst ist was in anderen Menschen vorgeht oder was in uns vorgeht. Dies fällt Eltern die Schwierigkeiten im Umgang mit Kindern haben oft schwer, kann aber gezielt trainiert werden.
Abschließend arbeiteten die Teilnehmer in vier parallelen Workshops an Möglichkeiten und Ideen das neu erlernte Wissen in die Südtiroler Realität erfolgreich zu integrieren.