Enge Frist

Katastrophenversicherung für Unternehmen: Neue Pflicht sorgt für Unmut

Dienstag, 18. März 2025 | 07:14 Uhr

Von: luk

Bozen – Ab dem 31. März 2025 sind Unternehmen in Italien gesetzlich verpflichtet, eine Versicherung gegen Naturkatastrophen abzuschließen. Dies betrifft insbesondere Risiken wie Erdbeben, Überschwemmungen, Erdrutsche, Hochwasser und Flutereignisse, die zunehmend wirtschaftliche Schäden verursachen.

Grundlage für die neue Regelung ist das Haushaltsgesetz 2024, das nun durch das Ministerialdekret Nr. 18/2025 bestätigt wurde. Das Dekret tritt am 14. März 2025 in Kraft. Die Versicherungspflicht gilt für alle Unternehmen, die im Handelsregister eingetragen sind – unabhängig davon, ob sie ihren Sitz in Italien haben oder als ausländische Firmen eine feste Niederlassung im Land betreiben. Landwirtschaftliche Betriebe sind von der Pflicht ausgenommen.

Mit der Maßnahme soll sichergestellt werden, dass Unternehmen gegen die wachsenden Risiken durch Naturkatastrophen gewappnet sind und finanzielle Einbußen besser bewältigen können.

lvh warnt vor Zeitdruck

Die geplante Pflichtversicherung gegen Naturkatastrophen sorgt laut dem Südtiroler Handwerkerverband lvh für Unmut in der Wirtschaft. Viele Details seien noch unklar. Der Wirtschaftsverband lvh warnt vor übereilten Entscheidungen und fordert eine Fristverlängerung. „Viele wesentliche Fragen sind noch offen“, kritisiert lvh-Präsident Martin Haller. Unklar sei etwa, welche Schäden genau versichert werden müssen und ob bestehende Policen anerkannt werden. Zudem gebe es keine standardisierten Tarife, was Betriebe anfällig für überteuerte oder unzureichende Versicherungen mache. Besonders problematisch ist die Lage für Kleinunternehmer und Handwerker mit Betriebsstätte in der eigenen Wohnung. Müssen sie eine zusätzliche Versicherung abschließen, obwohl private Gebäude meist schon versichert sind? Falls ja, droht ihnen der Ausschluss von Förderprogrammen? „Hier fehlen klare Antworten“, so Haller. Auch die Versicherungsbranche sei noch nicht ausreichend auf die neue Pflicht vorbereitet. Es gibt keine standardisierten Vertragsmodelle, und selbst Versicherer könnten oft nicht genau sagen, welche Risiken abgedeckt werden. lvh-Direktor Walter Pöhl warnt: „Unternehmen dürfen nicht gezwungen werden, Verträge abzuschließen, die möglicherweise keinen ausreichenden Schutz bieten oder später den Zugang zu Fördermitteln verhindern.“ Angesichts der offenen Fragen fordert der lvh von Rom eine Verlängerung der Frist über den 31. März 2025 hinaus sowie klare und transparente Vorgaben.

Das sagt der Verischerungsexperte

Südtirol News hat mit Versicherungsexperten Lukas Widmann von der Versicherungsagentur SVA in Bozen gesprochen, was das für die Unternehmen bedeutet und welche Konsequenzen bei Nichtbeachtung drohen.

Herr Widmann, warum ist diese neue Versicherungspflicht aus Sicht der Regierung notwendig?

Italien gehört zu den europäischen Ländern mit dem höchsten seismischen Risiko und Problemen durch Bodenerosion. Fast 94 Prozent der Gemeinden sind von Erdrutschen, Überschwemmungen oder Küstenerosion betroffen. In diesen Gebieten sind rund 4,5 Millionen Unternehmen tätig. Laut dem Confindustria-Studienzentrum könnte bis 2040 zwischen 30 und 40 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen ein bedeutender finanzieller Verlust drohen. Daher ist es essenziell, Unternehmen besser zu schützen.

Welche Werte sind konkret abzusichern?

Unternehmen müssen ihre Grundstücke und Gebäude, Anlagen und Maschinen, sowie die Industrie- und Geschäftsausstattung versichern. Die Waren und Vorräte hingegen sind optional versicherbar.

“Die Betriebe sollten sich mit ihrer Versicherung beraten” (Foto SVA)

Welche Konsequenzen drohen bei Nichtbeachtung der Vorschrift?

Es sind aktuell keine direkten Geldstrafen für Unternehmen vorgesehen, doch Unternehmen welche sich nicht versichern, droht der Ausschluss bei öffentlichen Beiträgen, Subventionen und Vergünstigungen, einschließlich jener, die im Falle einer Naturkatastrophe oder katastrophalen Ereignisses vorgesehen sind.

Was raten Sie Unternehmen in dieser Situation und ab wann gilt die Pflicht tatsächlich?

Unternehmen sollten sich mit ihrer Versicherung beraten. Eine frühe Absicherung ermöglicht es, Risiken optimal abzudecken und den besten Versicherungsschutz zu finden. Die Pflicht gilt ab 31 März 2025. Unternehmen mit einer bestehenden Katastrophenabdeckung haben allerdings Zeit bis zur Fälligkeit, deren Polizze an die neuen gesetzlichen Vorschriften anzupassen.

Herr Widmann: Was sagen Sie auf die Anmerkungen des lvh?

In der Tat gibt es einige Unklarheiten; aber ich bin zuversichtlich, dass sich diese bald lösen werden. Der Staat hat sich mit dem Ministerialdekret sehr lange Zeit gelassen und sich dann auch noch gegen einen Aufschub der Frist für die Versicherungspflicht entschieden. Die Versicherungsgesellschaften haben jedenfalls reagiert und arbeiten bereits seit einiger Zeit an einem gesetzeskonformen Versicherungsprodukt. Die Gesellschaften sind nun startbereit, um die entsprechenden Versicherungen auf den Markt bringen zu können. Es ist alles sehr kurzfristig und ein Aufschub wäre zu begrüßen – ansonsten muss man sich aber wohl oder übel der neuen Regelung beugen.

Bezirk: Bozen

Kommentare

Aktuell sind 25 Kommentare vorhanden

Kommentare anzeigen