Honorarbudget aufgebraucht, Anwalt: "Der Topf ist leer"

Kein Geld: Ex-Wirecard-Chef Braun verliert Hauptverteidiger

Mittwoch, 05. Juni 2024 | 16:38 Uhr

Von: APA/Reuters

Mitten im Betrugsprozess um die milliardenschwere Pleite von Wirecard hat Ex-Vorstandschef Markus Braun seinen Hauptverteidiger verloren. Dem einstigen Millionär und früheren Großaktionär des Finanzkonzerns ist das Geld für die Millionen-Honorare seiner Anwälte ausgegangen. Staranwalt Alfred Dierlamm sagte am Mittwoch, er habe sein Mandat in dem Prozess vor dem Landgericht München aus finanziellen Gründen niedergelegt.

Das Budget der zuständigen Manager-Haftpflichtversicherung sei aufgebraucht. “Der Topf ist leer”, sagte Dierlamm. Brauns eigenes Vermögen bestand zum Teil aus einem Wirecard-Aktienpaket, das mit der Insolvenz des Konzerns wertlos geworden ist. Andere Vermögensteile wurden von Gerichten eingefroren, um sie bis zur Klärung milliardenschwerer Schadenersatzforderungen zu sichern.

“Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass der Mandatsbeendigung ausschließlich wirtschaftliche Erwägungen und keine Gründe in der Sache selbst zugrundeliegen”, erklärten Dierlamm und seine Kanzlei-Kollegin Elena-Sabella Meier in einem Schreiben an das Gericht. Auch Meier zog sich zurück. Dierlamm ist einer der prominentesten deutschen Strafverteidiger und war in zahlreichen Wirtschaftsverfahren wie im VW-Dieselskandal oder im Cum-Ex-Skandal aktiv.

Nun wird Braun in dem seit eineinhalb Jahren laufenden Strafverfahren von drei Pflichtverteidigern vertreten, die vorläufig aus der Staatskasse bezahlt werden. Wer letztlich für die Prozesskosten aufkommt, muss das Gericht in seinem Urteil entscheiden, das im nächsten Jahr erwartet wird. Die Federführung für Braun übernahm nach eigenen Angaben die Erfurter Rechtsanwältin Theres Kraußlach, die vor Prozessbeginn im Dezember 2022 zu Brauns Verteidigerteam gestoßen war. An Bord bleibt der Münchner Anwalt Nico Werning. Hinzu kommt Kraußlachs Kanzleikollegin Katrin Kalweit, wie das Gericht mitteilte.

Der Dax-Konzern Wirecard war 2020 zusammengebrochen, als aufflog, dass auf Treuhandkonten in Asien 1,9 Milliarden Euro fehlten. Es ist einer der größten Finanzskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Staatsanwaltschaft spricht von Betrug, Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Untreue. Braun, der in Untersuchungshaft sitzt, weist die Vorwürfe zurück.

Die Anklage stützt sich unter anderem auf Angaben des mitangeklagten Kronzeugen Oliver Bellenhaus. Er war Statthalter von Wirecard in Dubai und will auf Anweisung von Braun und Chef-Buchhalter Stephan von Erffa in großem Stil Umsätze erfunden haben. Es ist bisher das einzige Geständnis. Der mitangeklagte von Erffa schweigt. Er erwägt aber nach Angaben seiner Anwälte ein Geständnis. Selbst in dem Fall müsste er mit sechs bis acht Jahren Freiheitsstrafe rechnen, machte der Vorsitzende Richter Markus Födisch am Mittwoch klar. Das sei eine Diskussionsgrundlage für eine mögliche Absprache über das Strafmaß gegen ein Geständnis. Die gesetzliche Höchststrafe für jeden der drei Angeklagten liegt bei 15 Jahren.

Kraußlach machte deutlich, dass sie die Verteidigungslinie fortsetzen und einen Freispruch für Braun erreichen will. Wie vorher schon Dierlamm beschuldigte sie in der Verhandlung am Mittwoch Bellenhaus der Falschaussage.

Braun und zahlreiche weitere Ex-Manager von Wirecard sind wegen des Bilanzskandals in etliche Straf- und Zivilprozesse verwickelt. Einen Großteil der Kosten trug der Versicherer Chubb, bei dem Wirecard eine Haftpflichtversicherung für seine Topmanager abgeschlossen hatte, die auch als D&O-Versicherung (für “Directors und Officers”) bezeichnet wird.

Der Topf bei Chubb für diverse Wirecard-Verfahren belief sich nach Angaben aus Anwaltskreisen auf rund 17 Millionen Euro. Darüber – wie auch über Honorarforderungen gegen andere D&O-Versicherer wie Swiss Re – hatte es Prozesse vor mehreren Gerichten gegeben. Dierlamm verwies in seinem Schreiben an das Landgericht München darauf, dass Brauns Anwälte Ende März in Frankfurt in einem Rechtsstreit mit Chubb unterlegen waren.