Von: mk
Bozen – Dass die Landesregierung das von SAD und Libus eingereichte PPP-Modell in der Sitzung vom 07. Februar abgelehnt hat, hält SAD-Chef Ingemar Gatterer für einen Fehler. Das Land hat angekündigt, die anstehende Ausschreibung im straßengebundenen Nahverkehr vermutlich im Rahmen eines zweistufigen Vergabeverfahrens abwickeln zu wollen. In einem offenen Brief an Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrat Florian Mussner macht Gatter seiner Enttäuschung Luft.
Die Landesregierung habe angemerkt, dass Vergabemodelle dieser Art in Vorarlberg studiert worden seien. Gatterer weist jedoch darauf hin, dass diese Form der Ausschreibung nur für besondere Fälle zulässig sei. Gemäß EU-Richtlinie 2014/24/EU des EU-Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe, sei ein Verhandlungsverfahren oder ein wettbewerblicher Dialog nämlich nur in vier Fällen vorgesehen, heißt es in dem Brief:
Artikel 26 (EU-RICHTLINIE 2014/24)
Wahl der Verfahren
…
(4) Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass die öffentlichen Auftraggeber ein Verhandlungsverfahren oder einen wettbewerblichen Dialog in den folgenden Fällen anwenden können:
a)
in Bezug auf Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsaufträge, bei denen eines oder mehrere der folgenden Kriterien erfüllt ist:i)
Die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers können nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden;
ii)
die Aufträge umfassen konzeptionelle oder innovative Lösungen;
iii)
der Auftrag kann aufgrund konkreter Umstände, die mit der Art, der Komplexität oder dem rechtlichen oder finanziellen Rahmen oder den damit einhergehenden Risiken zusammenhängen, nicht ohne vorherige Verhandlungen vergeben werden;
iv)
die technischen Spezifikationen können von dem öffentlichen Auftraggeber nicht mit ausreichender Genauigkeit unter Verweis auf eine Norm, eine europäische technische Bewertung (ETA), eine gemeinsame technische Spezifikation oder technische Referenzen im Sinne des Anhangs VII Nummern 2 bis 5 erstellt werden;
„Für die Vergabe von Nahverkehrsleistungen sind die oben genannten Voraussetzungen zweifelsfrei nicht gegeben – vor allem in jedem Fall dann, wenn die Vergabe auf Basis von Bruttoverträgen und konstruktiv (also nicht funktional) geordnet erfolgen soll“, schreibt Gatterer.
Diese Tatsache sei von Branchenvertretern aus Nordtirol/Österreich und Rechtsvertretern des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) heute der SAD AG bestätigt worden. „Es ist eine Tatsache, dass in Österreich die Vergabe von Busleistungen derzeit trotzdem zweistufig und mit Verhandlung erfolgt. Dies jedoch nur, solange niemand dagegen Rekurs einreicht. Dabei ist es aber auch eine Tatsache, dass der Vorarlberger oder Nordtiroler Markt aus verschiedenen Gründen kaum von internationalem Interesse und in der Folge daher auch weniger rekursgefährdet ist. Vor allem werden in diesen Gegenden kleine Lose in zeitlich versetzten Abständen in den Wettbewerb gestellt, was das Interesse am Markt zusätzlich schmälert. In Südtirol werden hingegen gemäß bereits erfolgter Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union 22 Mio. Fahrplankilometer mit einem Auftragsvolumen von 60 bis 80 Mio. Euro jährlich zeitgleich in den Wettbewerb gestellt. Der Umstand, dass kleine Lose oder Lossperren gebildet oder einbaut werden sollen, ändert am gesamten Größenvolumen und damit an der Lukrativität und Anziehungskraft dieser Ausschreibung wenig“, erklärt Gatterer.
Mit Ablehnung des PPP-Projektes laufe Südtirol demnach Gefahr – aufgrund eines Rekursverfahrens – den Nahverkehr nicht im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens oder eines wettbewerblichen Dialoges ausschreiben zu können, sondern letztlich in einem gewöhnlichen, nicht offenen Verfahren – mit allen damit verbundenen Risiken für Mitarbeiter, Zulieferindustrie, kleine Unternehmen und regionale Wirtschaftskreisläufe, da internationale Konzerne in einer Standardvergabe ihre Größenvorteile viel effektiver zur Geltung bringen könnten, warnt Gatterer.
„Ich erachte daher die Ablehnung des von SAD und Libus eingereichten PPP-Projektes als gewichtigen Fehler und angesichts der Tatsache, dass dem Unternehmen SASA eine Inhouse-Vergabe zuerkannt wurde, als ein großes politisches Versagen einer neuen Polit-Generation in unserem Land, die es offensichtlich verlernt hat, für welche Ideale und Werte gewählte ‚Edelweissvertreter‘ einstehen sollten. Ausdruck verleiht diesem Umstand die Tatsache, dass der SASA-Belegschaft von PD-Vertretern die geschützte Position in einer offenen Sitzung versprochen wurde, sofern sie beim Verfassungsreferendum im vergangenen Dezember mit Ja stimmen – und der Landeshauptmann von Südtirol diesem Zugeständnis in ‚bravem Gehorsam‘ folgt und SASA Inhouse noch vor dem Referendum gewährt. Es geht in der gesamten Vorgehensweise also um die Frage von Machtverteilung, politischer Abhängigkeit und vermutlich verdeckten Gegengeschäften und nicht um Konzepte für den besten Nahverkehr zum Wohle des Kunden, wie Sie stets öffentlich anmerken. Ich erachte Ihr Vorgehen in dieser wichtigen Angelegenheit daher – den deutschen Nahverkehrsunternehmen in diesem Land gegenüber – beschämend und in hohem Maße unprofessionell, was ich mir von der derzeitigen Regierung letztlich nicht erwartet hätte“, erklärt Gatterer.