Von: mk
Bozen – „Kleine Betriebe schlagen sich besser als große, wenn es um die Qualität des Miteinanders von Chef und Angestellten oder um das affektive Betriebsklima geht“, fasst der Arbeitspsychologe und AFI-Forscher Tobias Hölbling die neuesten Erkenntnisse aus der vom AFI nach europäischem Standard geführten Erhebung der Arbeitsbedingungen EWCS (European Working Conditions Survey) zusammen. Gleichzeitig hecheln Kleinbetriebe betriebswirtschaftlich gesehen den großen bei Innovation und fachlicher Managementkompetenz hinterher. Der EWCS analysiert öffentliche Organisationen genauso wie privat geführte Unternehmen.
Südtirol hat, das ist sattsam bekannt, eine kleinteilig organisierte Wirtschaft mit vielen Klein- und Kleinstbetrieben sowie im mitteleuropäischen Vergleich vielen Soloselbstständigen: 39 Prozent der Südtiroler Betriebe mit mehreren Angestellten beschäftigen höchstens neun Personen, elf Prozent der Beschäftigten sind Selbstständige, die alleine arbeiten.
Dieser Umstand muss aber selbst bei strenger betriebswirtschaftlicher Betrachtung nicht unbedingt nur schlecht sein. Kleine Betriebe und Organisationen haben beispielsweise flachere Hierarchien als ihre großen Brüder und sind unter anderem deshalb auf dem Markt wendiger und flexibler.
Auch aus arbeitspsychologischer Sicht kann man dieser Kleinteiligkeit einiges abgewinnen. Stichwort soziale Managementqualität: Ein soziales Miteinander am Arbeitsplatz wird in kleinen Betrieben und Organisationen großgeschrieben, schon aus Notwendigkeit – Chef und Mitarbeiter arbeiten oft Hand in Hand an den gleichen Aufgaben. Wenn das klappt, stärkt dies die Verbundenheit des Mitarbeiters mit seinem Arbeitgeber und fördert die Arbeitszufriedenheit, was sich wiederum positiv auf die Arbeitsleistung und das psychische Wohlbefinden auswirkt. Dies spiegelt sich in den Ergebnissen wider: Sehr kleine Betriebe mit zwei bis neun Mitarbeitern erreichen auf der Skala der sozialen Managementqualität sehr gute 81 Punkte, für Südtiroler Verhältnisse große Betriebe mit mehr als 250 Mitarbeitern demgegenüber nur 67 Punkte.
Auch das affektive Betriebsklima, das die emotionale Verbundenheit der Mitarbeiter mit dem Betrieb ausdrückt, ist mit 80 Punkten in Kleinstbetrieben mit zwei bis neun Mitarbeitern sehr gut ausgeprägt. Demgegenüber stehen die großen Organisationen mit mehr als 250 Mitarbeitern, welche deutlich mickrigere 72 Punkte erreichen. „Für beide Werte gilt: Wer sich seinem Betrieb verbunden fühlt, ist leistungsfähiger und leistungswilliger und fehlt nachgewiesenermaßen weniger oft. Solche Arbeitnehmer verursachen somit weniger Kosten durch Arbeitsausfall und Lohnfortzahlung“, so Hölbling.
Also alles eitel Sonnenschein, „Small is beautiful“, wie es so oft heißt? Nein: Kleinbetriebe leiden oft unter mangelnder betriebswirtschaftlicher Managementkompetenz und schaffen es vielfach nicht, so innovativ zu sein wie die größeren Betriebe, weil sie weit weniger in Forschung und Entwicklung investieren (können). Das beschränkt sie auf lokale Märkte.
Es schlagen also zwei Herzen in der Betriebsgrößenbrust: Vom ökonomischen Standpunkt aus betrachtet, ist eine (zu) kleinteilige Wirtschaftsstruktur nicht unbedingt das Gelbe vom Ei, arbeitspsychologisch betrachtet bietet genau dieser Umstand den Mitarbeitern einige Vorteile. Wie so oft kommt es auf eine gute Mischung an.