Von: luk
Bozen – Der Heimatpflegeverbands Südtirol und der Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz reagieren in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Kritik auf den Beschluss der Landesregierung, das Landschaftsleitbild Südtirol abzuändern.
“Kubatur statt Landschaft”
“Die Landesregierung will über einen neuen Anhang zum Landschaftsleitbild nach dem Gießkannenprinzip Baurechte auf Natur- und Agrarflächen vergeben und touristische Erweiterungen im Grün zulassen. Im Widerspruch zum Klimaplan und den eigenen Leitlinien für das Gesetz ‘Raum und Landschaft’. Statt einer weitsichtigen und nachhaltigen Landschaftsplanung bedient die Landesregierung damit Partikularinteressen und stellt das Bauen über die Interessen des Landschaftsschutzes”, so der Dachverband für Natur- und Umweltschutz und der Südtiroler Heimatpflegeverband in ihren Stellungnahmen.
Mit dem Beschluss der Landesregierung Nr. 822 vom 8.11.2022 wird das 2002 genehmigte Landschaftsleitbild (Fachplan) um einen Anhang erweitert. Über die Weihnachtsfeiertage konnten Verbände und Bürger ihre Stellungnahmen zu den Bestimmungen abgeben. Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz sowie der Heimatpflegeverband Südtirol haben sich die elf Artikel im Detail angeschaut und ihre Stellungnahmen deponiert.
Wer die Artikel liest, dem werde klar: “Die Landesregierung will mit dem Anhang das Bauen im Grün – auch im Wald und auf Almen – ermöglichen. Dabei hätte das Landschaftsleitbild eigentlich die Aufgabe die Natur und Landschaft aufzuwerten, zu schützen und zu entwickeln.”
“Betonierte Landschaft”
Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die Errichtung unterirdischer Baumasse, die neben dem Landwirtschaftsgebiet nun auch im Weidegebiet und alpinem Grünland erlaubt werden soll. „Wir beobachten bereits jetzt mit großer Sorge die Entwicklung der letzten Jahre: Viele historische Höfe sind abgerissen worden, um das unterirdische Bauvolumen bestmöglich auszuschöpfen. Zurückgeblieben sind weithin sichtbare halbunterirdische Betonriegel, die das traditionelle Landschaftsbild beeinträchtigen“, so Florian Trojer, Geschäftsführer des Heimatpflegeverbands. „Absolut inakzeptabel ist der Umstand, dass diese zusätzliche unterirdische Baumasse nun auch für Wohnzwecke vorgesehen werden kann.“ Dabei seien bereits jetzt viele Bestimmungen zur Errichtung von Kubatur im landwirtschaftlichen Grün sehr dehnbar. Mit dem Resultat, dass viel von der „Kreativität“ der Antragsteller abhänge, was alles in die Landschaft gestellt und wie viel Grund und Boden damit versiegelt werden darf, so die beiden Vereinigungen.
“Wo bleibt der Klimaschutz?”
Der im August letzten Jahres von der Landesregierung genehmigte Klimaplan gibt vor, dass ab dem Jahr 2040 in Südtirol kein Grund und Boden mehr versiegelt wird. Bis 2030 muss die Nettoneuversiegelung halbiert werden. Im Klimaplan heißt es zudem:
„Aufgabe der Politik ist es aber auch, klare Regeln zu definieren und deren Einhaltung im längerfristigen Interesse der Bevölkerung – notfalls auch im Gegensatz zu Partikularinteressen einzelner Gruppen – durchzusetzen“.
“Über den neuen Anhang zum Landschaftsleitbild ermöglicht die Landesregierung jetzt unter anderem aber zerstörte Gebäude auf Natur- und Agrarflächen wieder aufzubauen, zu verlegen und auch anders als es der ursprüngliche Zweck war zu nutzen. Vielfach handelt es sich um Gebäude, die in keinerlei Zusammenhang mit einer land- oder almwirtschaftlichen Bewirtschaftung stehen und lediglich Freizeitzwecken dienen. Die Gemeinden könnten, so die Landesregierung in ihrem Beschluss zum Landschaftsleitbild, über den kommunalen Landschaftsplan durchaus strengere Vorgaben machen. Es ist aber unrealistisch, dass ein Bürgermeister einmal gemachte Zugeständnisse seitens der Landespolitik, die unter Mitwirkung des Rats der Gemeinden und des Südtiroler Bauernbunds erfolgten, zurücknehmen wird“, so Madeleine Rohrer, Geschäftsführerin des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz.
“Hotels im Grünen dürfen wieder wachsen”
Auch werde mit dem Anhang zum Landschaftsleitbild eine ganz neue Kategorie eingeführt: die Almgastwirtschaft. “Die gastgewerbliche Tätigkeit einschließlich Beherbergung wird somit auch auf Almen möglich, womit eine weitere Tradition entfremdet wird”, heißt es in der Kritik.
“Doch nicht genug, für die Gastbetriebe gibt es weitere, überaus bedenkliche Zugeständnisse: die Möglichkeit der qualitativen und quantitativen Erweiterung für Betriebe auf Natur- und Agrarflächen. Das heißt: Hotels im Grünen dürfen also weiter wachsen. Und es kann von sämtlichen urbanistischen Parametern – zum Beispiel Höhe des Gebäudes oder Versiegelung – abgewichen werden, wenn der Bauherr einen einfachen Durchführungsplan erstellt”, heißt es weiter.
„Der Tourismus in Südtirol bricht alle Rekorde, die Menschen vor Ort, aber auch die Landschaft leiden unter zu viel Verkehr, der immer spektakuläreren und luxuriöseren Verbauung. Und die Landesregierung macht weiter Kubaturgeschenke, anstelle Südtirols Kapital – die Landschaft – hochzuhalten“, so Trojer und Rohrer. Obwohl es im Landesentwicklungs- und Raumordnungsplan heiße: „Die Erhaltung der natürlichen Grundlagen (Natur- und Kulturlandschaft, Boden, Wasser und Luft) gilt als Grundvorregel für jede Wirtschaftstätigkeit im Lande“.